MDRfragt Befragten fehlen öffentliche Toiletten – vor allem in Städten
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19. Juli 2023, 05:00 Uhr
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fehlt es aus Sicht vieler Bewohnerinnen und Bewohner an öffentlichen Toiletten. Das ergab eine aktuelle Umfrage. Vor allem in den Städten wird ein Mangel an frei zugänglichen Toiletten gesehen, wie ein aktuelles Stimmungsbild unter knapp 22.000 Menschen aus Mitteldeutschland ergab. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, wurden aber gewichtet. Eine Mehrheit der Befragten ist dafür, dass öffentliche WCs generell kostenlos sind – unter einer Bedingung.
- Es herrscht große Unzufriedenheit mit dem Angebot an öffentlichen Toiletten – vor allem in den Städten.
- Für die Mehrheit sollten frei zugängliche Toiletten prinzipiell kostenlos sein, wenn es darauf ankommt, geht jedoch sauber vor kostenfrei.
- Knapp 40 Prozent sind dagegen, dass stärker als bisher gegen Wildpinkeln vorgegangen wird.
Große Unzufriedenheit mit frei zugänglichem WC-Angebot
Aus Sicht der MDRfragt-Gemeinschaft mangelt es vielerorts an öffentlichen Toiletten-Anlagen — doch insbesondere in den Städten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen findet eine große Mehrheit das Angebot ungenügend. 80 Prozent der Befragten gaben an, dass es aus ihrer Sicht in mitteldeutschen Städten zu wenig öffentliche WCs gibt. Zudem halten rund zwei Drittel auch das Toiletten-Angebot an beliebten Ausflugszielen wie Parks oder Seen für unzureichend.
MDRfragt-Mitglied Enrico (50) aus Bautzen moniert, dass es de facto keine öffentlichen Toiletten mehr gebe. "An Ausflugszielen auch erst, nachdem man Eintritt bezahlt hat." Und Ute (60) aus dem Landkreis Harz findet: "Wenn nicht etliche Gastronomen und der Einzelhandel die Toilettenbenutzung gestatten würden, hätte man, zumindest als Frau und mit Kind, definitiv sehr große Probleme."
Ohne Toiletten in Gaststätten gäbe es absolut zu wenig Toiletten.
Auch Maik (50) aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld beklagt einen Mangel an frei zugänglichen Toiletten im öffentlichen Raum. "Es gibt wenige Städte, die noch solch einen Service haben! Leider gibt es auch wenige Bahnhöfe, wo man eventuell eine saubere Toilette vorfindet." Und Steffen (67) aus Dresden schildert, dass es nach seiner Erinnerung in seiner Heimatstadt seit jeher zu wenig öffentliche Toiletten gab. "Nach der Wende wurden die paar vorhandenen noch geschlossen, zum Beispiel an zentralen Haltestellen."
Auch aus Chemnitz melden mehrere MDRfragt-Mitglieder, dass selbst an zentralen Orten wie dem Busbahnhof öffentliche Toiletten entweder fehlten oder oft geschlossen seien. "Bis zum Jahr der Kulturhauptstadt ist noch sehr viel zu tun", schreibt dazu Eckhardt (73). Und die gleichaltrige Monika aus Eisenach fasst ihre persönlichen Erfahrungen so zusammen: "Ohne Gaststätten gäbe es absolut zu wenig Toiletten." Andere Befragte verweisen als Alternative auf Kunden-Toiletten in Kaufhäusern, Bau- und Supermärkten.
Toilette verzweifelt gesucht
Bei der Frage nach der Verfügbarkeit stiller Örtchen im öffentlichen Raum können zahlreiche Befragte auf eigene Erfahrungen zurückgreifen: Deutlich mehr als die Hälfte (58 Prozent) gab an, in jüngster Zeit unterwegs eine frei zugängliche Toilette gebraucht, aber nicht gefunden zu haben.
Vor allem ohne Ortskenntnis sei es mitunter schwierig zu überblicken, ob und wo es öffentliche WC-Anlagen gebe, kritisieren mehrere MDRfragt-Mitglieder. "Wenn man sich auskennt, weiß man schon, wohin man gehen kann", meint etwa Carolin (53) aus Mittelsachsen, "aber in einer fremden Stadt? – Sehr schwierig." Auch Mario (70) aus dem Landkreis Zwickau findet: "Oft fehlt eine gute Beschilderung, ein Wegweiser zum Örtchen." Einige Befragte, darunter Claudia (53) aus Dresden, schlugen vor, es sollte eine App oder Übersicht geben, wo in den Städten öffentliche Toiletten zu finden sind.
Seltener teilen Befragte mit uns die Erfahrung, dass da immer eine Toilette war, wenn sie sie dringend brauchten. "Wo ich unterwegs war, hatte ich nie Schwierigkeiten", so Ilka (72) aus Erfurt: "Ob Burgbesichtigung, Bundesgartenschau, Wanderungen, Konzerte. Es gab überall eine Möglichkeit, oft aufgestellte WC." Und Eveline (73) aus dem sächsischen Vogtlandkreis meldet: "Kann nur von unserer Region ausgehen, unter der Woche kein Problem."
Mehrheit für grundsätzlich kostenlose WC-Angebote
Parallel zur Einschätzung, dass es tendenziell zu wenig frei zugängliche Toiletten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt, wünscht sich eine Mehrheit der Befragten auch, dass die Benutzung öffentlicher WCs grundsätzlich kostenlos ist. Immerhin rund 40 Prozent tendieren zur Gegenposition.
Wie argumentieren die Befürworter grundsätzlich kostenloser Toilettenbenutzung? "Es handelt sich dabei um ein urmenschliches Bedürfnis, das gleichzeitig Privatsphäre erfordert und durchaus Stress verursachen kann – und in dieser Situation auf passend abgezählte Münzen angewiesen zu sein, finde ich unerträglich", meint Antje (57) aus Magdeburg. Karin (42) aus dem Altenburger Land findet, es sollte im Interesse jeder Stadt sein, dass ihre Besucherinnen und Besucher zufrieden sind. "Da gehört auch der Toilettengang dazu. Das Geld dafür und für die Unterhaltung der Toilette sollte durch einen Anteil der Gewerbesteuer bezahlt werden." Und Torsten (55) aus Chemnitz hat auch ein mehrfach genanntes Argument parat: "Da sonst viel wild gepinkelt wird."
Kostenpflicht für mehr Sauberkeit
Wer eher für kostenpflichtige öffentliche Toiletten ist, hat dafür hauptsächlich einen Grund: Die Einrichtungen sind dann sauberer. "Wenn es kostenlos ist, wird es nicht geachtet", schreibt Annette (61) ein sehr häufig genanntes Argument. Jana (44) aus Dresden wägt ab: "Es kostet nun mal Geld, die Toilettenanlage sauber zu halten. Deswegen sollten sie schon Geld kosten." Und Horst (67) hat mal in Sachsen-Anhalt in einem Bauhof gearbeitet, der zwei öffentliche Toiletten betrieb. Er schildert, dass die erhobenen Gebühren überhaupt nur einen Teil der tatsächlichen Kosten decken. "Ich kann Ihnen sagen: Trotz Modernisierung waren Schmutz und Vandalismus nicht zu stemmen. Darum müsste eine Benutzung der Toilette eigentlich mindestens zwei bis drei Euro kosten."
Verweis auf andere Länder
Für zahlreiche MDRfragt-Mitglieder ist die Sauberkeit hingegen kein Argument gegen kostenlose WC-Anlagen. Viele schickten uns ihre Erfahrungen aus anderen Ländern in Europa und Amerika, in denen die Toiletten gebührenfrei – und sauber sind. "In Frankreich oder Polen zum Beispiel sind die Toiletten an der Autobahn kostenlos und trotzdem in der Regel sauber. Im Gegensatz zu Deutschland", nennt Mike (54) aus dem Landkreis Leipzig seine Beispiele. Und Frank (60) aus Magdeburg schreibt: "Da können wir von den Amis was lernen: Toiletten sind kostenlos und fast überall."
Sauberkeit schlägt Gebührenfreiheit
Doch wenn sich die Menschen entscheiden müssten, ob eine Toilette lieber kostenlos oder lieber garantiert sauber ist, dann fällt das Votum eindeutig aus: Fast alle wählen sauber.
Die Gepflogenheiten in unseren europäischen Nachbarländern führen MDRfragt-Mitglieder auch immer wieder an, wenn es um eine andere Möglichkeit geht, bei Bedarf unkompliziert ein kostenloses WC zu finden: die Gastronomie. Carolin (53) aus Mittelsachsen ist der Meinung, Betreiber von Cafés und Restaurants sollten verpflichtet werden, auch Nicht-Kunden die Toilettennutzung zu ermöglichen. "In Italien oder Frankreich wird man irritiert angeschaut, wenn man fragt, ob man sie nutzen darf – absolute Selbstverständlichkeit."
Als ich selbst mal in einer kleinen Gastronomie gearbeitet hatte, habe ich die Anfragenden gleich zur Toilette durchgewunken.
Das ist in Mitteldeutschland nicht immer so, wie uns zahlreiche Befragte berichteten. So schreibt Michael (35) aus der sachsen-anhaltischen Börde: Wenn er keine andere Möglichkeit sieht, gehe er in die nächstgelegene gastronomische Einrichtung und frage höflich, ob er die Toilette benutzen dürfe. "Ich hatte auch schon die unangenehme Situation, dass ich wieder gehen musste." Michael ist grundsätzlich eher für kostenlose öffentliche Toiletten, auch eine Klo-Gebühr für Nicht-Kunden in Cafés und Co. lehnt Michael eher ab: "Als ich selbst mal in einer kleinen Gastronomie gearbeitet hatte, habe ich die Anfragenden gleich zur Toilette durchgewunken, um den Fragenden eine unangenehme Situation zu ersparen."
Großes Verständnis für Extra-WC-Gebühr für Nicht-Kunden in Café und Co.
Michael gehört zu den knapp 15 Prozent der Befragten, die es nicht in Ordnung finden, wenn Gastro-Betriebe einen Obolus von jenen verlangen, die bei ihnen nichts konsumieren, aber das Klo frequentieren. Eine deutliche Mehrheit der MDRfragt-Gemeinschaft findet es in Ordnung, dass der Service für Nicht-Kunden extra kostet.
Beispielhaft schreibt dazu Frank (62) aus Halle: "Sollte ich in die Verlegenheit kommen, dass ich eine Toilette in einer Gaststätte benutzen muss, werde ich auch dort gern eine gewisse Summe zahlen. Das gehört zu meiner persönlichen Selbstverständlichkeit!"
Wildpinkeln wegen WC-Mangels unvermeidbar?
Ein Picknick im Park, ein Tag am See – und dann drückt die Blase. Was tun? Urinieren in der Öffentlichkeit, das sogenannte Wildpinkeln, gilt in Deutschland als Ordnungswidrigkeit und kann mit Bußgeld geahndet werden. Die MDRfragt-Gemeinschaft findet es überwiegend richtig, dass Urinieren auf der Straße oder an Häuserwänden verboten ist. 87 Prozent der Befragten bejahen das. Zudem hält es auch jeder Zweite für angemessen, dass es verboten ist, in Ortschaften ins Gebüsch zu pinkeln. Immerhin fast jeder Zehnte ist hingegen der Meinung, Wildpinkeln sollte generell nicht verboten sein.
Solange es keine öffentlichen Toiletten gibt, kann man Wildpinkeln nicht kriminalisieren.
Oft wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen dem Mangel an frei zugänglichen Toiletten und dem Wildpinkeln. "Wenn genügend Toiletten vorhanden wären, müsste man nicht wildpinkeln", argumentiert Andrea (43) aus Halle. Ähnlich sieht es auch Terence (34) aus Dresden: "Solange es keine öffentlichen Toiletten gibt, kann man Wildpinkeln nicht kriminalisieren."
Vor dieser Abwägung sind die Befragten hin- und hergerissen, ob Urinieren in der Öffentlichkeit stärker geahndet werden sollte oder eher nicht. Nur eine Minderheit findet, es sollte generell stärker kontrolliert und auch mit Bußgeldern belegt werden. Mehr als 40 Prozent finden, zumindest innerorts wären stärkere Kontrollen samt Ahndung angebracht – fast ebenso viele lehnen ein stärkeres Vorgehen prinzipiell ab.
Unter den Befürworterinnen und Befürwortern stärkerer Kontrollen sind einige, die selbst regelmäßig Wildpinkler in ihrer direkten Umgebung erleben müssen. "In meinem Wohngebiet treffen sich täglich Menschen, meistens trinken sie", beschreibt Marita (74) aus Chemnitz. "Weil hier im Wohngebiet keine öffentliche Toilette vorhanden ist, wird jeder Busch oder jede Hauswand genutzt, um sich zu erleichtern. Das ist für uns Anwohner ein großes Ärgernis." Und Alina (25) aus dem Landkreis Börde meint, Urinieren in der Öffentlichkeit sollte generell verboten sein, da es für alle Außenstehenden eklig sei. "Vor allem auch, wenn es im Sommer in der Hitze nach Urin stinkt. Mehr öffentliche Toiletten wären aber wichtig."
Also für Erwachsene innerorts ja, für Kinder: nein.
Andere Befragte differenzieren danach, wo wildgepinkelt wird – und wer sich erleichtern muss. So findet Kerstin (51) aus Weimar, in den Städten und Gemeinden sollte bei der Ahndung gelten: "Also für Erwachsene innerorts ja, für Kinder: nein." Ingo (54) aus dem Salzlandkreis merkt an: "Wildpinkeln im Stadtpark sollte schon geahndet werden."
Und eine 52-jährige MDRfragt-Teilnehmerin aus der Altmark schreibt aus persönlicher Betroffenheit, warum sie manchmal aufs Wildpinkeln angewiesen ist: "Ich bin Busfahrerin und habe während meines Dienstes oft keine Möglichkeit, zur Toilette zu gehen." Sie müsse ihren Harndrang oft so lange unterdrücken, bis keine Fahrgäste mehr im Bus seien. "Und dann einfach mal an der Landstraße anhalten und ab in die Büsche. In Großstädten mag das ja anders sein, ich lebe und arbeite in der Altmark."
Über diese Befragung
Die Befragung vom 14. bis 18. Juli 2023 stand unter der Überschrift:
„Öffentliche Toiletten – zu wenig, zu dreckig, zu teuer?“
Insgesamt sind bei MDRfragt derzeit 65.884 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet
(Stand 18.07.2023, 10.00 Uhr).
21.932 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 280 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 2.827 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 8.863Teilnehmende
65+: 9.962 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 11.266 (51,4 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 5.349 (24,4 Prozent)
Thüringen: 5.679 (24,2 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 10.226 (46,6 Prozent)
Männlich: 14.602 (53,1 Prozent)
Divers: 71 (0,3 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in
Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Über MDRfragt
MDRfragt ist eine Plattform für Online-Befragungen, mit der die Menschen in Mitteldeutschland regelmäßig ihre Meinung zu aktuellen Themen äußern können. Ob Tempolimit, Braunkohle-Aus oder Breitbandausbau – Ihre Meinung zu gesellschaftlich relevanten Themen findet hier einen besonderen Platz. Teilnehmen kann jeder, der seinen Wohnsitz in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen hat und mindestens 16 Jahre alt ist.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 19. Juli 2023 | 21:45 Uhr