Hände einer Altenpflegerin halten die Hände einer Seniorin Bildrechte: imago images/C3 Pictures

MDRfragt Drei Viertel für sozialen Pflichtdienst

17. Juni 2022, 05:00 Uhr

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat kürzlich die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes für junge Menschen in Deutschland angeregt - beispielsweise in Pflegeeinrichtungen, Obdachlosenunterkünften oder bei der Bundeswehr. Eine aktuelle Befragung von MDRfragt mit rund 27.000 Teilnehmenden zeigt: Die überwiegende Mehrheit würde das begrüßen. Unter den jungen Teilnehmenden ist die Zustimmung jedoch wesentlich geringer.

Rund drei Viertel der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, befürworten einen sozialen Pflichtdienst für junge Menschen. Ein Viertel lehnt ihn jedoch ab.

Ihre Zustimmung erklären die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Kommentaren:

Ein Jahr für junge Leute, um den wahren Alltag kennenzulernen, halte ich für gut und sinnvoll.

Jochen L., 64 Jahre, Erzgebirgskreis

Auf jeden Fall wäre ein Pflichtjahr sehr wertvoll für die Gesellschaft.

Sandy M., 38 Jahre, Leipzig

Früher gab es eine Wehrpflicht für Männer. Heute befürwortete ich zu 100 Prozent einen sozialen Dienst für alle m/w/d und was es sonst noch gibt. Wenn ich sehe, wie lange z.T. studiert und nichts in die Kassen eingezahlt wird, frage ich mich, wer mal meine Rente finanzieren soll.

Andre H., 55 Jahre, Bautzen

Einige Teilnehmende befürworten den Pflichtdienst zwar, haben aber auch Kritikpunkte:

Einen verpflichtenden Dienst in sozialen Bereichen stimme ich zu, den Dienst bei der Bundeswehr lehne ich kategorisch ab.

Martina F., 64 Jahre, Dresden

Diese Dienste sind wichtig und in jeder Sicht wertvoll. Jedoch werden freiwillige Angebote einen größeren Nutzen entfalten. Es ist auch Aufgabe der Elternhäuser, Kinder als soziale Wesen zu erziehen.

Björn H., 45 Jahre, Leipzig

Ich befürworte eine Pflicht auch für ältere Menschen, zum Beispiel zum Zeitpunkt des Renteneintritts.

Mira H., 30 Jahre, Erfurt

Und nicht alle MDRfragt-Teilnehmenden sehen den Pflichtdienst positiv:

Ich glaube, es würde zu vermehrten Streitigkeiten zwischen jungen und älteren Menschen kommen. Wenn man eine Aufgabe nicht aus Überzeugung macht, nutzt es keinem. Es fehlt dann an Zuwendung und Verständnis, gerade in der Pflege der alten und hilfsbedürftigen Menschen.

Regina K., 70 Jahre, Salzlandkreis

Auf den Verzicht und den Stress, den gerade die Jugend ertragen musste (Maskenpflicht und Tests an Schulen, "Fernstudium", Kontaktbeschränkungen, verlorene Lebens(frei)zeit) mit einem Pflichtdienst zu reagieren, finde ich unmoralisch.

Klaus-Dieter K., 65 Jahre, Magdeburg

Bei Jüngeren befürwortet nur jeder Zweite den Pflichtdienst

Bei den Unter-30-Jährigen, die an der Befragung teilgenommen haben, ist die Meinung geteilt: Die knappe Mehrheit (52 Prozent) ist gegen einen sozialen Pflichtdienst für ihre Generation, etwas weniger (47 Prozent) befürworten die Idee. Mit dem Alter überwiegt der Anteil der Befürworter deutlich: Bei den Über-65-Jährigen sind es 82 Prozent.

Warum sie den Pflichtdienst ablehnen, begründen die jungen MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren:

Meiner Meinung nach macht eine Verpflichtung keinen Sinn. Viele junge Menschen arbeiten in sozialen oder Gesundheitsberufen. Außerdem zeigt ja die ganze Fridays-for-Future-Bewegung sehr wohl, dass soziales Denken in den jungen Generationen sehr hoch ist.

Andy V., 27 Jahre, Bautzen

Wenn z.B. in der Pflege endlich vernünftige Löhne gezahlt würden, dann gäbe es auch weniger Nachwuchsprobleme.

Paolo B., 21 Jahre, Dresden

Ich denke, solche Dienste machen am meisten Sinn, wenn die Leute das freiwillig und dadurch auch motiviert tun. Eine unmotivierte Person, die vielleicht extra gegen alles ist, weil sie es tun muss, kann viel mehr Schaden anrichten als sie nützt.

Maria Z., 24 Jahre, Dresden

Es gibt aber auch junge Teilnehmende, die den Pflichtdienst positiv sehen:

Ich finde die Idee prinzipiell gut. Es sollte aber für Menschen, die wirklich keinen Kontakt zu Menschen haben wollen, auch eine Alternative geben. Und die sollte nicht Bundeswehr heißen. Es sollte möglich sein, auch in der Grünpflege oder in ähnlichen Bereichen zu arbeiten. Und die Pflicht sollte auf einen kurzen Zeitraum begrenzt sein.

Miriam M., 22 Jahre, Zwickau

Ein Sozialdienst würde sicherlich viele Vorteile für die Gesellschaft bringen: Vorurteile zwischen sozialen Schichten könnten überwunden werden. Soziale Berufe könnten an Attraktivität gewinnen. Die Personalsituation in sozialen Berufen könnte zumindest ein Stück weit entschärft werden.

Stephan B., 29 Jahre, Dresden

Deutliche Mehrheit der Jüngeren für bessere Anreize bei freiwilligen Angeboten

Statt einer Pflicht sollten die freiwilligen Angebote, sich sozial zu engagieren, deutlich attraktiver gemacht werden – das finden 81 Prozent der Unter-30-Jährigen, die sich an der Befragung beteiligt haben. Auch unter den älteren Befragten findet diese Aussage mehrheitlich Zustimmung, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau: Im Schnitt sind 59 Prozent der Ansicht, dass es bessere Anreize für freiwillige Angebote geben sollte.

Zwei Drittel der Jungen für Selbstbestimmung statt Pflicht

Generell sind mehr als zwei Drittel der unter-30-jährigen Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer der Ansicht, dass junge Menschen eigenständig über ihr Leben entscheiden können und nicht zu einem bestimmten Dienst verpflichtet werden sollten. Bei der Grundgesamtheit sieht das die Mehrheit anders: 57 Prozent stimmen der Aussage nicht zu. Vor allem die Über-50- und Über 65-Jährigen sind mehrheitlich nicht der Ansicht, dass junge Menschen selbst über ihr Leben bestimmen sollten.

Drei Viertel finden, dass Vorurteile abgebaut werden könnten

Insgesamt gesehen sind drei Viertel der Ansicht, dass ein verpflichtender Sozialdienst helfen könnte, Vorurteile in der Gesellschaft abzubauen. Mit dem Alter der Befragten nimmt die Zustimmung zu dieser Aussage zu.

Zwei Drittel sehen mögliche Stärkung des Zusammenhalts

69 Prozent denken, dass ein verpflichtender Dienst im Sozialbereich den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken würde. Auch bei diesem Aspekt zeigt sich, dass der Anteil derer, die dieser Aussage zustimmen, mit dem Alter der Befragten zunimmt. Bei den Unter-30-Jährigen ist die Skepsis diesbezüglich dagegen deutlich größer.

Im März stimmten zwei Drittel für "Dienstplicht"

Die Diskussion um einen verpflichtenden Dienst ist nicht neu. Bereits im März diesen Jahres gab es im Kontext des Kriegs in der Ukraine eine ähnliche Debatte um eine neue "Dienstpflicht". Dabei ging es um ein verpflichtendes Jahr für junge Männer und Frauen - wahlweise als Wehrpflicht bei der Bundeswehr oder als verpflichtender Dienst beispielsweise im sozialen Bereich, bei Hilfsorganisationen oder Vereinen. Dieses Modell befürworteten mehr als zwei Drittel der MDRfragt-Teilnehmenden.


Über diese Befragung Die Befragung vom 14.06.-16.06.2022 stand unter der Überschrift:
Corona: Macht die Pandemie nur kurz Sommerpause?

Insgesamt sind bei MDRfragt 61.211 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 16.06., 11.30 Uhr).

26.809 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 339 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 4.514 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 11.469 Teilnehmende
65+: 10.487 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 13.938 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.589 (25 Prozent)
Thüringen: 6.282 (23 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 12.566 (47 Prozent)
Männlich: 14.180 (53 Prozent)
Divers: 63 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.


Seniorin beim Essen in einem Altenpflegeheim
Bildrechte: imago/photothek

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 17. Juni 2022 | 21:45 Uhr