MDRfragt Deutliche Mehrheit bemängelt fehlenden gesellschaftlichen Zusammenhalt
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13. Mai 2022, 05:00 Uhr
Um den gesellschaftlichen Zusammenhang ist es schlecht bestellt, das finden acht von zehn MDRfragt-Mitgliedern. Einen großen Anteil daran hat Corona: Fast genau so viele Befragungsteilnehmende finden, dass der Zusammenhalt seit der Pandemie weniger geworden ist. Das sind die Ergebnisse der aktuellen Befragung von MDRfragt mit mehr als 30.000 Teilnehmenden aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
79 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden sind der Ansicht, dass es nur wenig bzw. keinen Zusammenhang in unserer Gesellschaft gibt. Dass es viel gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt, findet dagegen nur knapp jeder Fünfte.
Einige MDRfragt-Mitglieder haben uns in ihren Kommentaren geschrieben, was ihnen fehlt:
Vertrauen ist hervorzuheben. Ich erlebe es sehr häufig, dass sich jeder nur noch selbst der Nächste ist.
Das Hauptproblem in unserer Gesellschaft ist der Neid. Der wird durch Teile der Politik wie der Medien geschürt.
Die Menschen werden immer egoistischer und die Hilfsbereitschaft hat stark nachgelassen.
Andere nennen aber auch positive Beispiele für den Zusammenhalt:
In der Familie wird für Andere eingestanden, man hilft sich und bei guten Freunden auch.
Ich beteilige mich persönlich am gesellschaftlichem Zusammenhalt über Vereine, Aktionen…
Negative Auswirkungen durch Corona
Die letzten zwei Jahre unter Pandemiebedingungen haben sich in den Augen der Teilnehmenden negativ auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft ausgewirkt. So finden 78 Prozent, dass der Zusammenhalt seitdem schwächer geworden ist.
Auch im privaten Bereich hat der Zusammenhalt seit Corona abgenommen: Ein knappes Drittel (30 Prozent) der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat das angegeben. Bei etwas mehr als der Hälfte (55 Prozent) ist der Zusammenhalt allerdings gleichgeblieben.
Ihre Gedanken zum Einfluss von Corona auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt teilen die MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren mit:
Die Corona-Pandemie hat eindeutig gezeigt, dass wir als Bevölkerung nicht richtig solidarisch waren, wie wir es hätten sein müssen. Gerade in Hinblick auf die Coronamaßnahmen und freiwillige Impfbereitschaft.
Corona hat leider bei vielen Menschen in der Gesellschaft gezeigt, dass Rücksicht auf andere und vor allem Nächstenliebe nicht mehr so wichtig ist. Das erschreckt mich. In solchen Krisen zeigen die Menschen oft ihr wahres Gesicht.
Bei einem Fünftel hat Corona Familien voneinander entfernt
Ganz konkret nach den Auswirkungen von Corona auf den familiären Zusammenhalt befragt, geben zwar knapp zwei Drittel an, dass die Pandemie keinen Einfluss darauf hat. Ein Fünftel sagt jedoch, dass Corona die Familienmitglieder voneinander entfernt hat. Bei 14 Prozent sind die Familienmitglieder in der Pandemie dagegen näher zusammengerückt.
Hauptgründe sind Egoismus und soziale Unterschiede
Der zunehmende Egoismus (80 Prozent) und die größer werdenden sozialen Unterschiede (77 Prozent) sind in den Augen der MDRfragt-Teilnehmenden, die weniger gesellschaftlichen Zusammenhalt konstatieren, die vorwiegenden Gründe dafür. Außerdem nennen viele die größeren Unterschiede in den politischen Einstellungen (67 Prozent), den Einfluss sozialer Medien auf die Kommunikation (62 Prozent) und generell den Einfluss der Medien (57 Prozent) als ursächlich.
Solidarität und Hilfsbereitschaft definieren gesellschaftlichen Zusammenhalt
Was macht für Sie gesellschaftlichen Zusammenhalt aus? Auf diese Frage haben die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer geantwortet: Solidarität und Hilfsbereitschaft. Außerdem entscheidend für den Zusammenhalt sind in den Augen der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben: die Anerkennung sozialer Regeln, das Vertrauen in Mitmenschen und Gerechtigkeit.
Der Zusammenhalt ist seit der Wende weniger geworden
Wir wollten von den Befragten auch wissen, wie sich der gesellschaftliche Zusammenhalt in ihren Augen seit der Wiedervereinigung verändert hat. 72 Prozent finden, dass er – und zwar in Bezug auf die gesamte Gesellschaft – schwächer geworden ist. Auf ihr privates Umfeld bezogen, findet das immerhin auch ein Drittel (33 Prozent) der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben. Knapp die Hälfte (47 Prozent) gibt hier jedoch auch an, dass sich der Zusammenhalt nicht verändert hat.
In den Kommentaren berichten die Teilnehmenden, was ihnen im Vergleich zur DDR-Zeit heute fehlt:
Gesellschaft bedeutet Geben und Nehmen. In der DDR waren wir durch bestimmte Faktoren aufeinander angewiesen. Gegenseitige Hilfe war selbstverständlich. Das Miteinander ging in den letzten Jahren etwas verloren, vor allem durch den Einfluss von Corona.
Das gesellschaftliche Leben, gerade wie hier auf einem Dorf, war vor 1990 intensiver! Mehr Brauchtum wurde gelebt, gegenseitige Hilfe gibt’s heute nur noch in Einzelfällen.
Jeder Vierte engagiert sich beim gemeinsamen Frühjahrsputz
Zu DDR-Zeiten war es üblich, beim gemeinsamen Frühjahrsputz das Wohnumfeld zu verschönern. Ein gutes Viertel der Teilnehmenden macht das auch heute noch. Mehr als zwei Drittel machen jedoch nicht mehr gemeinsam den Frühjahrsputz.
Wie ihr Frühjahrsputz konkret aussieht bzw. wie sie ihre Umgebung sauberhalten, schreiben die MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren:
Wir Nachbarn verschönern gemeinsam den Hof beim "Frühjahrsputz" mit Blumen, Kräutern in Beeten und Töpfen, gemeinsam nutzbarem Mobiliar für Kaffee- oder Grilltreffen und Spielmöglichkeiten für die Kinder.
Ich sammle mit meinen Kindern regelmäßig Müll in der Natur, beim Wandern zum Beispiel.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 15.04.-09.05.2022 stand unter der Überschrift:
Alle gemeinsam oder jeder für sich - Wie steht es um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft?
Insgesamt sind bei MDRfragt 61.365 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 12.05., 10 Uhr).
30.778 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 440 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 4.812 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 13.050 Teilnehmende
65+: 12.476 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 15.917 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.495 (24 Prozent)
Thüringen: 7.366 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 13.855 (45 Prozent)
Männlich: 16.852 (55 Prozent)
Divers: 71 (0,2 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 10. Mai 2022 | 14:00 Uhr