MDRfragt - Das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland MDRfragt: Deutliche Mehrheit lehnt Gendersprache ab
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22. Juli 2021, 05:00 Uhr
Die Debatte um die gendergerechte Sprache hält der größte Teil der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer für unwichtig und lehnt das Gendern in sämtlichen Kontexten ab, beispielsweise in den Medien oder der Werbung. Zwar stehen Frauen und die jüngere Generation der Gendersprache etwas offener gegenüber, aber auch bei diesen Gruppen überwiegt die Ablehnung. Das zeigt eine aktuelle Befragung von MDRfragt, an der sich fast 26.000 Menschen aus Mitteldeutschland beteiligt haben.
Wie wichtig, wie förderlich, wie erstrebenswert ist eine Sprache, die alle Geschlechter sichtbar und hörbar macht? Über die "Gendersprache" wird seit Längerem diskutiert und mitunter auch gestritten. Für die MDRfragt-Mitglieder, die sich an unserer aktuellen Befragung beteiligt haben, ist die Debatte vor allem eins: unwichtig. 86 Prozent haben dies angegeben. Nur 14 Prozent sind der Meinung, dass das Anliegen, alle Geschlechter in der deutschen Sprache hör- und sichtbar zu machen, wichtig ist.
Viele MDRfragt-Mitglieder haben uns in ihren Kommentaren geschrieben, dass sie der Ansicht sind, es gebe wichtigere Themen, die angegangen werden müssten, als das Gendern:
Sicher haben wir in unserer Gesellschaft noch einige "Baustellen" was tatsächliche Akzeptanz, Toleranz und Gleichberechtigung betrifft. Ich halte es für falsch, dies mit einem "aufgezwungenem/verordnetem Sprech" und einer unmöglichen Schreibweise quasi in die Köpfe hämmern zu wollen. Mir persönlich wäre es lieber, wenn wir die Werte tatsächlich (vor)leben und an Haltungen arbeiten.
Ich bin der Meinung, dass wir als Gesellschaft einfach wichtigere Probleme haben (Klimawandel, Corona, Integration von Flüchtlingen u.Ä.). Ich habe in meinem Umfeld bisher niemanden getroffen, der mir plausibel darlegen konnte, welche Vorteile eine (aus meiner Sicht umständliche) explizite Unterscheidung von männlichen und weiblichen Bezeichnungen bringen sollte.
Und: Viele machen sich Sorgen um die deutsche Sprache und die Verständlichkeit:
Textinhalte werden dadurch zerrissen, es wird schwieriger einen Text inhaltlich zu erfassen. Und fast jeder liest sowieso drüber weg bis zu der Stelle, wo der Text inhaltlich weiter geht. Also völlig überflüssig!
Gendern führt auch zu Diskriminierung: Nämlich dann, wenn Menschen der Zugang zu (Schrift-)sprache erschwert wird, wo eigentlich flächendeckend Leichte Sprache gefordert wäre!
Unsere Sprache hat sich über Jahrhunderte entwickelt und ganz bestimmt nicht mit dem Ziel, eines der Geschlechter zu unterdrücken.
„Überflüssig“, „Schwachsinn“, „nervig“ – negative Zuschreibungen überwiegen
Wir wollten von den MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern wissen, welches Wort sie mit der Genderdebatte verbinden. Die 20 am häufigsten genannten Wörter sind hier visualisiert. Es zeigt sich: Die negativen Zuschreibungen überwiegen. Allein das Wort "überflüssig" wurde von rund einem Fünftel der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, verwendet.
Einige Befürworter der Verwendung von gendergerechter Sprache haben uns in ihren Kommentaren weitere Argumente genannt:
Ich kann verstehen, dass das Gendern Leuten auf die Nerven geht, dennoch ist Sprache wichtig, und solange wir in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft leben, sollten wir darauf achten, dass sich alle Menschen angesprochen fühlen können.
Ich denke wirklich, dass korrektes Gendern für mehr Gerechtigkeit sorgen könnte, wenn auch nur verbal. Auch wenn Gendern allein noch keine echte Gleichstellung herbeiführen kann, ein Schritt zu mehr Selbstverständlichkeit und Selbstbewusstsein ist es doch!
Grundsätzlich wirkt sich Sprache aus, wir sehen das in der Berufswahlorientierung. Sobald Berufsbezeichnungen auch weiblich benannt werden, entscheiden sich Mädchen häufiger auch für klassische männliche Berufe. Davon abgesehen sollte es nicht nur um Männer und Frauen gehen, sondern eben um die mögliche Geschlechtervielfalt. Was tut es uns weh, die Vielfalt zu auszuhalten oder auch zu genießen?
Etwas mehr Zustimmung zu Gendersprache bei Frauen
Grundsätzlich stehen die MDRfragt-Teilnehmerinnen der Verwendung gendergerechter Sprache offener gegenüber als die Teilnehmer: 18 Prozent der Frauen finden die Debatte wichtig, aber nur 10 Prozent der Männer.
Wenn es um die Bedeutung des Genderns für die verschiedenen Geschlechter geht, so bezweifeln viele, dass es etwas an der fehlenden Gleichberechtigung ändern könne:
Gendern löst die wirklichen Ursachen für Diskriminierungen nicht einmal im Ansatz. Es macht die Sprache nur unverständlicher, vor allem für jene, die ohnehin schon Probleme damit haben.
Frauen wäre mit Sicherheit mehr geholfen, wenn es in ähnlichem Umfang eine Diskussion gäbe bzgl. der gleichberechtigten Bezahlung und Besetzung von hochdotierten Posten in Politik und Wirtschaft.
Eine gerechte Entlohnung ist für Frauen eine deutlich höhere Anerkennung als ein Sternchen an irgendwelchen Personenbezeichnungen. Sicherlich ist in vielen Fällen die Belastung von Frauen und Müttern überdurchschnittlich, aber wieviel Stunden Entlastung bringt so ein Sternchen. Ich bezweifle, dass sich das die vorreitenden Feministinnen jemals so richtig überlegt haben.
Akzeptanz bei jüngerer Altersgruppe größer
Bei den Altersgruppen lässt sich klar feststellen: Die Jüngeren stehen der Verwendung geschlechtergerechter Sprache deutlich positiver gegenüber als die Älteren. Doch auch hier überwiegt der Anteil derer, die die Diskussion für unwichtig halten.
Mehr als die Hälfte bevorzugt beim Lesen und Hören die männliche Mehrzahlform
Anhand des Wortes „Student/Studentin“ wollten wir herausfinden, welche Formulierung die Befragten in einem geschriebenen Text für die Mehrzahl bevorzugen.
- Dabei sprachen sich mit Abstand die meisten für das generische Maskulinum („Studenten“) aus - sowohl beim Lesen als auch beim Hören.
- Etwa ein Fünftel bevorzugt jeweils die Partizip-Variante („Studierende“).
- Die Paarform („Studentinnen und Studenten“) finden nur bei einem kleinen Teil der Befragten Zuspruch.
- Andere Varianten – wie etwa Stern, Doppelpunkt oder eine kurze hörbare Pause vor dem I – möchte kaum jemand der MDRfragt-Mitglieder lesen oder hören.
Mehrheit lehnt Gendern in sämtlichen Kontexten ab
Wir haben außerdem gefragt, ob die Befragten die Verwendung von Gendersprache in bestimmten Bereichen des Lebens befürworten oder ablehnen. Es zeigt sich: In allen Bereichen ist es einer deutlichen Mehrheit lieber, wenn nicht gegendert wird. So lehnen fast drei Viertel (74 %) die Gendersprache in den Medien ab. Die größte Zustimmung gibt es bei staatlichen Stellen, etwa Ämtern, Behörden oder Ministerien. Aber auch hier befürworten es mehr als zwei Drittel (68 %) nicht.
Viele MDRfragt-Mitglieder fordern, sich bei der Frage nach der Gendersprache nach dem Willen der Mehrheit zu richten:
Warum lässt man die Bevölkerung nicht darüber abstimmen, sondern folgt einer abgehobenen Elite? Manches wäre so zu vermeiden.
Es ist eine von einer Minderheit dominierte Debatte, die in mein ästhetisches Empfinden massiv eingreift und bei mir nur noch Hass schürt.
Einige haben uns auch konstruktive Lösungsvorschläge für das Thema geschickt:
Machen Sie es doch wie beim Wetter, die weiblichen oder männlichen Namen der Hoch und Tiefs befinden sich ständig im Wechsel. Ich habe kein Problem damit, für eine bestimmte Zeit nur die weiblichen Nennungen zu lesen oder zu hören, wenn es dann auch die gleiche Zeit wieder das generische Maskulinum gibt.
Ich bin für die y-Variante: "Zuhörys". Da gibt's keine Abgrenzung, fertig.
Im eigenen Sprachgebrauch spielt Gendern kaum eine Rolle
50 Prozent der Befragten haben angegeben, dass sie bei ihrer eigenen Sprache nie auf gendergerechte Formulierungen achten, 24 Prozent tun es selten. Damit spielt für knapp drei Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Gendern im eigenen Sprachgebrauch so gut wie keine Rolle. Rund ein Zehntel benutzt häufig geschlechtersensible Formulierungen, 13 Prozent tun es gelegentlich.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 02.07.- 12.07.2021 stand unter der Überschrift:
Gendersprache – überbewertet oder unterrepräsentiert?
Insgesamt sind bei MDRfragt 46.425 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 21.07.2021, 14.30 Uhr).
25.731 Menschen aus Mitteldeutschland haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 649 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 4.590 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 10.630 Teilnehmende
65+: 9.862 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 13.100 (51 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.459 (25 Prozent)
Thüringen: 6.172 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Männlich: 55 Prozent
Weiblich: 45 Prozent
Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Alter gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.
Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.
Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "MDRfragt". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 22. Juli 2021 | 21:45 Uhr