MDRfragt zur Mediennutzung in Stadt und Land Ein Drittel fühlt sich abgehängt
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08. November 2021, 10:05 Uhr
Es gibt viele Gefälle zwischen Stadt und Land. Wie aber sieht es bei der Versorgung mit Informationen über die Orte oder die Regionen aus, in denen die Menschen leben? Gibt es auch bei den Medien Unterschiede zwischen Stadt und Land? Und lässt sich hier ein Wandel ausmachen?
MDR MEDIEN360G hat in Zusammenarbeit mit MDRfragt die Menschen in Mitteldeutschland befragt, wie es sich mit ihren Informationsmöglichkeiten in der Stadt und auf dem Land verhält, welche Medien wie genutzt werden und was sich in den letzten Jahren verändert hat. Insgesamt 21.524 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben Mitte Oktober an unserer nicht repräsentativen Befragung teilgenommen.
Ein Drittel nicht mehr ausreichend informiert
Die Antworten sind so klar wie eindrücklich. Mehr als ein Drittel der Befragten (34 Prozent) sagt, dass sie sich nicht (mehr) ausreichend über ihren Ort oder ihre Region informiert fühlen. Das dürfte daran liegen, dass bei gut einem Viertel der Antwortenden (26 Prozent) nach eigener Einschätzung das Angebot an lokalen Informationen in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Nur knapp die Hälfte (47 Prozent) sagt, dass es in etwa gleichgeblieben sei. Und lediglich einer von zehn Befragten (12 Prozent) gibt an, dass sich das Angebot sogar vergrößert habe.
Angebot auf dem Land stärker zurückgegangen
Dabei macht sich auch hier ein leichtes Gefälle zwischen Stadt und Land bemerkbar. Denn 28 Prozent der Befragten aus dem eher ländlichen Raum gaben an, dass das Informationsangebot in ihrem Nahbereich zurückgegangen sei. Bei der städtischen Bevölkerung waren es nur 23 Prozent.
Ohnehin sind viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Überzeugung, dass der ländliche Raum bei der Informationsversorgung gegenüber der Stadt im Hintertreffen ist. Ein Viertel der "Stadtmenschen" glaubt, dass Versorgung mit Information auf dem Land schlechter ist. Und rund ein Drittel der an der Befragung beteiligten "Landmenschen" glaubt, dass sie in der Stadt besser dran wären. Allerdings sind auch jeweils rund 40 Prozent der Befragten der Ansicht, es gäbe keine gravierenden Unterschiede und das Informationsangebot in Stadt und Land sei in etwa gleich.
Rückgang in Thüringen besonders stark
Besonders ausgeprägt wird ein Rückgang des Informationsangebots in Thüringen wahrgenommen. Fast ein Drittel der Teilnehmenden aus Thüringen (32 Prozent) gibt an, dass dies bei ihnen der Fall ist. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind es jeweils nur ein knappes Viertel (24 Prozent).
Daraus folgt, dass sich auch weniger Thüringerinnen und Thüringer ausreichend über ihre Region informiert fühlen als die Menschen in den beiden anderen MDR-Ländern. Während bei den Thüringer Befragten nur 59 Prozent angeben, dass sie sich gut informiert fühlen, sind es in Sachsen (65 Prozent) und Sachsen-Anhalt (62 Prozent) etwas mehr.
Der klassische Zeitungs-Lokalteil liegt vorn…
Eine gute Nachricht gibt es für die schon oft für tot erklärten Lokal- und Regionalzeitungen: Für weit über die Hälfte der Befragten ist der Lokalteil des am Ort oder zumindest in der Nähe erscheinenden Blattes die erste Wahl. Rund 57 Prozent nennen hier die Lokalzeitung bzw. den Lokalteil ihrer Regionalzeitung. Danach folgt mit 47 Prozent das örtliche Amtsblatt der Gemeinde. An dritter Stelle sorgt bei 45 Prozent der Befragten vor allem der lokale Radiosender für Information, dann kommen - soweit verfügbar - lokale TV-Sender (36 Prozent). Etwas abgeschlagen sind die Online-Angebote: Hier wird am ehesten noch das Angebot der Regionalzeitung (30 Prozent) genutzt.
Bei jüngeren Menschen ist die Nutzung von Online-Medien erwartungsgemäß etwas größer. Zwar liegen die bekannten lokalen oder regionalen Print-Marken auch hier ganz vorn. Jüngere Befragte nutzen aber im Vergleich zu den älteren Jahrgängen stärker deren Online-Angebote.
… wird aber immer stärker ausgedünnt
"Lokale Informationen in der Presse beziehen sich hauptsächlich auf die größeren Orte oder die Kreisstadt, Probleme kleinerer Städte und Gemeinden werden kaum berücksichtigt", moniert in unserer Befragung eine Teilnehmerin aus Bautzen. Tatsächlich wurden in vielen ländlichen Regionen im MDR-Land die Lokalteile ausgedünnt. Wegen zurückgehender Abonnement-Zahlen und steigender Kosten etwa von Papier und Verteilung wird es für die Verlage immer schwieriger, Lokaljournalismus zu finanzieren und entsprechende Angebote aufrecht zu erhalten.
Problemzone Amtsblätter?
Dies könnte auch ein Grund für das überraschend starke Abschneiden der Amtsblätter sein. Der Haken daran ist nur: Diese sind offizielle Mitteilungsorgane der lokalen Verwaltung und in ihrer Berichterstattung meist nicht unabhängig.
"Menschen haben nicht nur unabhängige Medien im Blick, sondern alle verfügbaren Quellen, wenn es um lokale Informationen geht", stellt hierzu die Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Wiebke Möhring vom Institut für Journalistik an der TU Dortmund im Gespräch mit MDR MEDIEN360G fest. "Für die meisten ist es egal, woher sie die Termine für die Müllabfuhr oder die Ergebnisse der Bürgermeisterwahl bekommen". Der Trend laute hier oft leider: "Hauptsache, ich bekomme das alles umsonst". Die hohen Nutzungswerte für Amtsblätter könnten allerdings auch daran liegen, dass viele kostenlose Anzeigenblätter einen amtlichen Teil zum Beispiel als Beilage enthalten und hier die Begrifflichkeiten durcheinandergehen, so Möhring. Das überraschend schlechte Abschneiden der Online-Nutzung auch bei jüngeren Menschen zeige aber deutlich, "dass wir es vielerorts noch mit einer schwachen digitalen Infrastruktur zu tun haben".
Immer größere Einheiten gelten als "lokal"
Zum Teil vollzieht dieser Trend aber auch nur den strukturellen Wandel im ländlichen Raum nach. Denn bei Gemeinde- und Gebietsreformen werden immer mehr bislang eigenständige Kommunen zusammengelegt. "Das Zusammenlegen von Gemeinden hat zur überregionalen Information geführt. Das heißt, in der Regionalzeitung kommt die Region kaum noch vor", stellt ein Befragter aus dem Landkreis Leipzig fest. Nach Möhrings Einschätzung handelt es sich daher nicht nur um eine "gefühlte Verschlechterung". "Der Rückzug der klassischen Regionalzeitung aus der Fläche ist ja belegt. Und die Wahrscheinlichkeit, über den kleinen Ort zu lesen, in dem man lebt, sinkt, je größer das Verbreitungsgebiet wird."
Lokale Blogs und ähnliche Angebote könnten diesen Wegfall nicht kompensieren, sagt Möhring: "Sie sind ganz überwiegend ein zusätzliches, komplementäres Angebot. Aber allein das Vorhandensein von unabhängigen Blogs kann auch den klassischen Lokaljournalismus vor Ort beflügeln, weil da dann noch jemand da ist, der auf die lokalen Ereignisse mit drauf’ guckt."
MDR soll nicht lokal berichten
Auch die Journalistengewerkschaft DJU in Verdi macht die immer weitergehenden Sparmaßnahmen der Verlage wie die Zusammenlegung oder Schließung von Lokalredaktionen und den Abbau von Redakteursstellen im Lokalen als Ursache aus.
"Ein Grund für die etwas niedrigeren Zahlen in Thüringen könnte auch die im Vergleich zu Sachsen deutlich weniger ausgeprägte Vielfalt der privaten Radiolandschaft sein", so DJU-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk fällt hier als Mitgestalter oder Ersatz weitgehend aus. Denn nach dem Rundfunkstaatsvertrag muss er sich ausdrücklich aus der regionalen und lokalen Berichterstattung heraushalten. "Da die Möglichkeiten der Regionalberichterstattung für den MDR ja eng eingegrenzt sind, wäre ein möglicher Handlungsansatz aus meiner Sicht, die Lokal-TV-Landschaft über neue Förderprogramme der Landesmedienanstalten zu stärken", empfiehlt daher Hofmann.