8 Mrd. Euro Rundfunkbeitrag pro Jahr Überteuert und außer Kontrolle?
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12. November 2020, 17:24 Uhr
Exakt 8.068.117.965,12 Euro nahm der öffentlich-rechtliche Rundfunk im vergangenen Jahr aus dem Rundfunkbeitrag ein. Viel Geld, das für die neun Sendeanstalten der ARD, das ZDF und die Programme von Deutschlandradio zur Verfügung steht. Angesichts der großen Summe gibt es viele Kritiker, die den Öffentlich-Rechtlichen als zu teuer und unkontrolliert halten.
17,50 Euro beträgt der Rundfunkbeitrag aktuell, ab 2021 soll er um 86 Cent auf dann 18,36 Euro im Monat steigen. Den Betrag haben sich allerdings nicht die Sender selbst ausgedacht, sondern die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz: KEF. Dieses Expertengremium aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Rechnungshofs-Chefs und Medienexpertinnen und -experten arbeitet unabhängig. Es gibt der Politik alle vier Jahre eine Empfehlung, ob und wie der Rundfunkbeitrag angepasst werden sollte. Dem voraus geht ein komplexes Anmeldeverfahren, in dem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Einnahmen und Ausgaben transparent machen und erläutern, wofür sie das Geld verwenden wollen. Denn auch ARD, ZDF und Deutschlandradio sind in ihrer Arbeit von der allgemeinen Konjunkturentwicklung abhängig.
Die KEF prüft gründlich die Angaben der Anstalten und lehnt einzelne Posten oder ganze Planungen regelmäßig mal ab. Die Berichte der KEF können auf deren Internetseiten von jedem eingesehen werden.
Darüber hinaus erstellen die ARD-Landesrundfunkanstalten genauso wie ZDF und Deutschlandradio alle zwei Jahre einen schriftlichen Bericht zur Information über ihre wirtschaftliche und finanzielle Lage. Der geht an die Landesparlamente und ist ebenfalls im Internet für jedermann einsehbar. Darin ist unter anderem zu lesen: „Zu unserem Selbstverständnis gehört dabei auch, die uns aus dem Rundfunkbeitrag anvertrauten Mittel so sparsam, wirtschaftlich und effizient wie möglich einzusetzen. Die eingeleiteten Strukturreformprozesse werden ARD, ZDF und Deutschlandradio daher auch in Zukunft konsequent weiterverfolgen.“
Tatsächlich argumentieren die Anstalten, dass die Beitragsstabilität – der Beitrag ist seit 2009 nicht angehoben worden – seit Jahren bereits kontinuierliche Sparanstrengungen in allen Häusern und Gemeinschaftseinrichtungen der ARD bedeutet. 2017 hatten die Anstalten dazu bereits im Auftrag der Politik einen Bericht der ARD zu Auftrag und Strukturoptimierung vorgelegt – der aber vielen Politikern nicht weit genug ging.
Das Thema wird also auf politischer Ebene kräftig diskutiert. Trotzdem hält sich angesichts von Intendantinnen- und Intendantengehältern von 250.000 Euro und mehr der Vorwurf hartnäckig, das öffentlich-rechtliche System sei ein überteuerter Selbstbedienungsladen, der zudem nicht ausreichend kontrolliert werde.
Unabhängige Prüfung ist gewährleistet.
"Der Vorwurf, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Selbstbedienungsladen ist, geht an den Realitäten vorbei", sagt die Medienwissenschaftlerin Christine Horz von der Technischen Hochschule Köln im Interview mit MDR MEDIEN360G: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird wie andere Institutionen auch von unabhängigen Institutionen wie der KEF überprüft, die auch nachschaut, ob die Mittel ordentlich verwendet werden. Und die entscheidet, wie viel Rundfunkbeitrag den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern eigentlich zusteht."
Natürlich hätten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auch Altlasten-Probleme wie bei der Altersversorgung. "Die werden aber nach und nach abgebaut", so Horz: "Wenn wir uns vor allem die jüngeren Mitarbeiter ansehen, bekommen die sicherlich keine zu hohen Gehälter." Gerade im kreativen Bereich werde nach ihrer Meinung sogar eher zu wenig bezahlt.
ZDF-Intendant Thomas Bellut weist den Vorwurf, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk schaue niemand so richtig auf die Finger, harsch zurück: "Es gibt keine Institution, die so kontrolliert wird!" Jede Anstalt werde von den für sie zuständigen Landesrechnungshöfen geprüft, dazu komme die KEF und die Rechtsaufsicht der Politik. "Da bleibt wirklich nichts umgedreht. Es ist schon sehr genau kontrolliert, was wir machen. Und das ist auch okay", sagt Bellut.
Ganze Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und vor allem in ihrer Heterogenität abbilden.
Natürlich sei der Impuls nachvollziehbar, angesichts der rund acht Milliarden Euro erstmal von einem überteuerten System auszugehen, sagt die Medienkritikerin und Kolumnistin Samira El Ouassil. Sie selber könne auch mit vielen Programminhalten nicht viel anfangen. "Da denke mir: Dafür muss ich jetzt auch noch Rundfunkbeitrag zahlen." Allerdings "unterschätze man dann, wie sinnvoll die Idee ist, eine Institution zu haben, die versucht, alle Lebenswelten einer ganzen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und vor allem in ihrer Heterogenität abzubilden." Alles müsse in diesem Apparat stattfinden dürfen – von nur für Minderheiten interessanten Themen bis zu "großen Sachen für die breite Masse", so El Ouassil: "Und naturgemäß ist immer etwas dabei, was mit meiner Lebenswelt überhaupt nichts zu tun hat."
Übrigens: Die rund 8 Milliarden Euro kommen nicht komplett bei den öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen an. Denn aus dem Rundfunkbeitrag werden auch die zwölf Landesmedienanstalten finanziert. Sie erhalten dafür 2,5 Prozent des Rundfunkbeitrags, 2019 belief sich dieser Anteil auf 152 Millionen Euro. Die Landesmedienanstalten bestreiten mit diesem Etat unter anderem die Aufsicht und Kontrolle der Privatsender wie RTL, Sat.1 und ProSieben.