Medientage Mitteldeutschland 2023 Förderung für Lokaljournalismus unabdingbar
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04. Mai 2023, 09:31 Uhr
Bei den Medientagen Mitteldeutschland diskutierten Branchenexperten über die Zukunft des Lokaljournalismus und mahnten die Umsetzung der von der Bundesregierung versprochenen Zustellförderung an.
Anfang Mai wurde für rund 300 Abonnentinnen und Abonnenten der Ostthüringer Zeitung im Kreis Greiz alles anders. "Ihre" OTZ erscheint nicht mehr gedruckt, es gibt sie aber weiterhin digital als e-Paper. Auf den Medientagen Mitteldeutschland stand dieser Fall und die Herausforderungen für den lokalen Journalismus unter dem Titel "Neues aus der Nachbarschaft: Zukunftsperspektiven für Lokal- und Regionalmedien" zur Diskussion.
Denn nicht nur in Thüringen, auch in Sachsen steht das Geschäft mit lokalen Informationen vor großen Herausforderungen. Die Sächsische Landesmedienanstalt (SLM) hat gerade ein neues Förderprogramm für Lokaljournalismus in Sachsen aufgelegt. Bis Mitte Mai können sich hier Interessierte bewerben. Gefördert werden allerdings nur werbefinanzierte oder nichtkommerzielle Rundfunkprogramme und Anbieter von Onlinemedien. SLM-Präsident Markus Heinker verwies auf dem Panel auf "Sachsens beachtliche Lokalfernsehlandschaft" und hoffte, die zur Verfügung stehenden 1,1 Millionen Euro "bis Juni auf die Straße gebracht zu haben". Der Schritt der OTZ, jetzt in einem Pilotprojekt den Vertrieb der gedruckten Ausgabe einzustellen, nannte Heinker "den richtigen Zeitpunkt für solche Experimente, da auch die Breitbandausstattung bald so weit ist".
Koalitionsvertrag sieht Vertriebsförderung vor
Auch für Sigrun Albert, Geschäftsführerin des Branchenverbands Bund Deutscher Zeitungsverleger und Digitalpublisher (BDZV) ist die Strategie der Funke-Gruppe, zu der neben der OTZ in Thüringen auch die Thüringer Allgemeine und die TLZ gehören, eine "logische Konsequenz, weil die Zustellung immer schwieriger wird." Dazu gehört für Albert auch die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehene Vertriebsförderung für Zeitungen. "Für eine gewisse Übergangszeit brauchen wir noch Print, und damit auch wahrscheinlich eine gewisse Unterstützung", so Albert. Dass die OTZ ihre Leserinnen und Leser im Kreis Greiz behutsam an die Umstellung herangeführt und Schulungen zum e-Paper angeboten habe, sei eine "sehr Vorbildliche Vorbereitung". Es mache Sinne, "den Schulterschluss mit der Bevölkerung zu suchen und zu erklären, warum das nötig ist und welche Alternativen es gibt".
E-Paper vermittelt Gefühl der gedruckten Zeitung
Der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Helge Lindh, appellierte bei allem "Krisenbewusstsein" für ein pragmatisches Vorgehen. Zwar gehe es "bei vielen Lokalmedien um die Existenz". Aber "viele Bürger haben bestimmte Nutzungsgewohnheiten, die lassen sich auch nicht so einfach ändern - und die bevorzugen noch Print", sagte Lindh: "Ich bin da gegen zu viel Druck und Zwang." Dass die Umwandlung von 300 Printabos in e-Paper so eine Debatte auslöse, sage "ungemein viel über die Transformationsprozesse bei Zeitungen in den letzten 20 Jahren", meinte der Mittweidaer Journalistik-Professor Janis Brinkmann: "Das sind dieselben Themen wie 2004". Albert wehrte sich gegen den Vorwurf, "die Verlage haben’s verschlafen". Für eine bestimmte Altersgruppe sei die gedruckte Zeitung das Medium. "Vor allem ältere Menschen auf dem Land sagen, das ist meine einzige Verbindung zur Welt da draußen", so Albert: "Es gibt einen Kundennutzen, den wir immer noch mit der gedruckten Zeitung bedienen, auch wenn die Verlage es vielleicht lieber anders hätten." Dabei sei das e-Paper erfolgreich, weil es am ehesten "das Gefühl der gedruckten Zeitung vermittelt".
Kanzleramt jetzt für Förderung zuständig
Lindh warb dafür, jetzt endlich mit Vertriebsförderung ernst zu machen. "Wir müssen uns um eine finanzielle Überbrückung kümmern, vor allem mit Blick auf den Lokaljournalimsus. Ob das beim Wirtschaftsministerium angekommen ist, da habe ich Zweifel." Das von den Grünen geführte Ministerium hatte kurz vor Ostern ein seit längerem vorliegendes Gutachten veröffentlicht, dass sich zwar für eine Vertriebsförderung ausspricht - aber gleichzeitig erklärt, es mache sich diese Ergebnisse nicht zu eigen und sei obendrein gar nicht zuständig. "Aber bei mehr und mehr Abgeordneten setzt sich die Erkenntnis durch, dass das sinnvoll ist", so Lindh. Zudem habe nun das Kanzleramt die Sache an sich gezogen. Auch Heinker sprach sich für eine solche Förderung aus. "Wir müssen jetzt handeln - sonst werden wir später feststellen, dass die lokaljournalistische Landschaft gestorben ist. Daher erscheint mir die Idee, hier mit öffentlichem Geld zu helfen, nicht die schlechteste zu sein". Auch wenn die Förderung ausbleibe, "wird es sicherlich weiter gehen", meinte BDZV-Geschäftsführerin Albert. "Aber es wird in weiteren Gebieten dann keine Zustellung der gedruckten Zeitung mehr geben. Die 300 Betroffenen in Greiz sind deswegen für uns so interessant, weil sie erst der Anfang sind".
Während für sie die "Zukunft des Lokaljournalismus in guten digitalen Angeboten liegt", erlebt die gedruckte Zeitung bei anderen eine überraschende Renaissance. Er habe "wieder angefangen, gedruckte Zeitungen zu lesen" und sei "überrascht, wie viel angenehmer das ist", meinte SLM-Chef Heinker: "Ich beobachte auch mit großem Interesse das Comeback der Vinylschallplatte".