Schriftzug "Audio-Feature - Friedliche Revolution Rundfunk". Außerdem Bilder aus den Redaktionen DT64 und MDR Sputnik
Bildrechte: MDR/MEDIEN360G

Von Zensur, Freiheit und Neubeginn Die Friedliche Revolution im Rundfunk

23. Januar 2020, 11:37 Uhr

Texte, deren Botschaften zwischen den Zeilen stehen. Themen, die Tabu sind. Musiktitel, die wegen kritischer Texte nicht gespielt werden dürfen. Das endet erst mit dem Rücktritt von Erich Honecker am 18. Oktober 1989. Der Einigungsvertrag legt fest, dass die zentralen Radio- und Fernsehprogramme bis zum 31. Dezember 1991 aufgelöst sein müssen.

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Darüber, was im Radio berichtet wird, entscheidet bis Oktober 1989 die SED. Nach der Friedlichen Revolution können Journalisten freier berichten. Es beginnt der Aufbau neuer Strukturen.

MDR FERNSEHEN Mi 20.11.2019 14:08Uhr 20:14 min

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MDR-MEDIEN360G: "Von Zensur, Freiheit und Neubeginn - die Friedliche Revolution im Rundfunk". Ein Feature von Dagmar Weitbrecht.

Dagmar Weitbrecht*:
Es begann mit dem Gefühl, endlich frei berichten zu können, Journalismus in allen Formen, ohne politische Indoktrination zu praktizieren. Doch bis die Friedliche Revolution auch in den Medien ankam, dauerte es Monate. Noch im Sommer 1989 wurden die 5000 Radio-Mitarbeiter in der DDR durch die Abteilung Agitation und Propaganda der SED gesteuert. Wie groß die Beschneidungen in der Arbeitspraxis waren, erläutert Christoph Singelnstein, damals Hörspieldramaturg im Berliner Funkhaus Nalepastraße.

Christoph Singelnstein: Je aktueller, desto größer die Restriktionen. Für die aktuell-politischen Redaktionen gab es de facto täglich eine Ansage, wie die Welt zu verstehen ist und was die Themen sind, und was wir machen, und was wir lassen und auch eine Vorgabe fürs Wording. Also so ein ganz simples Beispiel: Die Bundesrepublik hieß grundsätzlich BRD und nicht Bundesrepublik. Heute würde man neudeutsch Framing dazu sagen. Es wurde versucht, über Sprache sich die Welt schön zu reden.

Dagmar Weitbrecht: Wurden Reportagen live gesendet, war der Spielraum etwas größer, erinnert sich der Moderator und Reporter Jörg Wagner. Er arbeitete für die Jugendwelle DT64. Die war als Festivalradio zum Deutschlandtreffen der Jugend 1964 in Berlin ins Leben gerufen worden und später schrittweise zum Jugendsender der DDR. Obwohl die Freie Deutsche Jugend und hier die Generalsekretäre Egon Krenz oder Eberhard Aurich den Jugendsender als ihr Kind ansahen, hörten die Herren im Politbüro sehr genau zu. Wie in diesem Fall, an den sich der damalige DT64 Moderator Jörg Wagner erinnert.

Jörg Wagner: Das merkten wir zum Beispiel, wenn wir Musik spielten wie Pankow Langeweile. Da gibt es so eine Zeile drin: „den alten Männern zu lange vertraut“, so sinngemäß. Diese alten Männer oder alten Herren haben sich dann natürlich angegriffen gefühlt, weil sie ganz genau wussten, dass sie gemeint waren. Dann wurde der Titel einfach gesperrt.

Dagmar Weitbrecht: Wer sich nicht an die Vorgaben hielt, musste mit Konsequenzen rechnen.

Jörg Wagner: Die eine Redakteurin, die wurde auf Parteischule geschickt, also vom Dienst praktisch erstmal entfernt. Dann bekam sie, wie wir sagten, „Rotlichtbestrahlung“. Der andere Kollege, der nicht Mitglied der SED war, der wurde in den Abend versenkt, wie es bei uns so intern hieß. Also, der hat das Abendprogramm gemacht, was traditionell auch immer weniger Hörer hatte und wo man auch nicht so viel Schaden im Sinne der Partei anrichten konnte.

Dagmar Weitbrecht: Journalisten entwickelten ein ziemlich genaues Gespür dafür, was sie schreiben durften und was nicht. Es gab gewisse Spielräume. Gerade Hörspiele eigneten sich, Themen anzusprechen, die sonst in der DDR Tabu waren.

Freiheit - ein großes Wort in der DDR. Es war die Kunst des Textens zwischen den Zeilen. So Dinge ausdrücken, die im Klartext nicht gesagt werden durften, erinnert sich Christoph Singelnstein.

Christoph Singelnstein: Wir haben viele Themen dort gemacht, die sich um Arbeitslosigkeit rankten, was es offiziell in der DDR nicht gab, wo es um Homosexualität ging, was auch in der DDR kein öffentliches Thema war, wo es um Rechtsextremismus - nicht in dem Sinne, wie wir heute darüber (reden) – wo es um Menschen ging, die sich eher als Nazis oder deren Nachfolger verstanden, auch etwas, was es in der DDR ja offiziell gar nicht gab.

Dagmar Weitbrecht: Auch der Sender DT64 wagte sich an solche heißen, eher innenpolitischen Themen. Die politische Entwicklung im Sommer 1989 stellte die Radiomacher vor Entscheidungen. Folge ich den Vorgaben, oder wage ich etwas? Das Massaker in Peking war ein solches Ereignis, das polarisierte.

Jörg Wagner: Wir durften darüber nicht berichten. Als dann tatsächlich diese Meldungen auch zeitgleich mit eintrafen vom „Platz des Himmlischen Friedens“ und sich einige Nachrichtensprecher weigerten, diese Meldung vorzulesen, da wurden extra Dienste getauscht, damit natürlich die Nachrichten zu hören sind. Diese Art der Berufsverweigerung kannten wir auch nicht.

Dagmar Weitbrecht: Die politische Situation in der DDR spitzte sich zu. Während in den Radioprogrammen die Lobeshymnen auf den 40. Jahrestag der DDR liefen, wurde in den Straßen von Leipzig demonstriert. Erst Wochen nach den ersten Demos war am 16. Oktober ein Reporter von DT64 vor Ort. Die Reportage wurde am 17. Oktober ausgestrahlt. Dann geschah etwas Unerwartetes. Erich Honecker trat zurück. Eine Zäsur sagt Historiker Peter Ulrich Weiß vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung:

Dr. Peter Ulrich Weiß: An seine Stelle tritt jetzt Egon Krenz, sozusagen mit dem eigenen Anspruch, ein Reformer zu sein. Aber es ist nicht die einzige Veränderung, die stattfindet. Auch im Sekretariat für Agitation und Propaganda. Mit (Joachim) Hermann an der Spitze findet sozusagen eine Ablösung statt, womit am Ende auch erstmal die Medien-Lenkung, die Medien-Steuerung aus dem Politbüro heraus sozusagen beendet wird.

Dagmar Weitbrecht: Die Konsequenzen für die tägliche Arbeit im Rundfunk werden unterschiedlich bewertet. Jörg Wagner spürte wie viele Kollegen einen Befreiungsschlag. Keine Vorschriften mehr, endlich sagen, wie es wirklich war. Wenige Stunden nach Honeckers Rücktritt sprach Bärbel Bohley vom Neuen Forum live bei DT64. Christoph Singelnstein sieht das Thema „große Freiheit im Radio“ heute mit Distanz. Noch lange hätten reaktionäre Kräfte gewirkt.

Christoph Singelnstein: Das war schwierig im Rundfunk der DDR mit den Veränderungen. Das war schwierig mit der Veränderung. Da würde ich sagen, da ist es so richtig erst passiert nach dem 18. März nach der Wahl, da war klar, der Prozess ist unumkehrbar.

Dagmar Weitbrecht: Am 23. September 1990 unterschrieb Bundespräsident Richard von Weizsäcker den Einigungsvertrag über den Beitritt der DDR zur BRD. Damit begann eine neue Phase. Im Artikel 36 wurde festgelegt, dass Fernsehen und Rundfunk im Osten bis zum 31.12.1991 in die Verantwortung der Länder übergehen sollen. Die Herkulesaufgabe wurde einem medialen Urgestein übertragen. Rudolf Mühlfenzl war damals bereits 70 Jahre alt. Er hatte Aufbauerfahrung beim Bayerischen Rundfunk in der Nachkriegszeit und wurde nun zum Abwickler. Kein leichter Job, sagt Peter Ulrich Weiß:

Dr. Peter Ulrich Weiß: Rudolf Mühlfenzl ist während seiner Arbeit schon stark kritisiert worden, sowohl von Ostmedien als auch von Westmedien, im Nachhinein auch. Also das ist sozusagen eigentlich schon ein Kanon, ein gewisses Mühlfenzl-Bashing, und das natürlich in gewisser Weise auch zu Recht, weil er relativ radikal vorging.

Dagmar Weitbrecht: Im Beraterstab an seiner Seite war Matthias Gehler, Regierungssprecher der ersten frei gewählten Regierung der DDR. Die Liste der Aufgaben, die auf der Tagesordnung standen, war lang.

Matthias Gehler: Es war ein großer Apparat. Uns war klar, diese Mitarbeiter können nicht 1:1 überführt werden, sondern Rundfunk ist Ländersache. Es muss hier ein Übergang geschaffen werden. Es mussten Frequenzen neu vergeben werden. Es mussten Strukturen möglich gemacht werden, die den alten Bundesländern entsprachen. Es musste dann auch Programmvermögen verwaltet werden. Es mussten Rechte geklärt werden.

Dagmar Weitbrecht: Das Feilschen um die Zukunft des Rundfunks erreichte alle Ebenen der Politik.

Dr. Peter Ulrich Weiß: Das Bild, der äußere Eindruck, den das DDR-Mediensystem als Ganzes hatte, war natürlich ein sehr negativer. Also es herrschten einfach auch die stereotypen Vorstellungen vor, es handelt sich eigentlich um einen Propagandaapparat, den es so in den Strukturen nicht zu erhalten galt. Das war eigentlich ein klarer politischer Auftrag also und auch eine Einstellung, die im Prinzip eigentlich auch von Bonn reingetragen wurde, aber auch Unterstützer hatte. Zum Beispiel auf (Seiten) der DDR-Bürgerbewegung. Die Auflösung des SED Medienmonopols gehörte zu den Grundforderungen.

Dagmar Weitbrecht: Das schloss die personelle Erneuerung ein. Im August 1990 wurde Christoph Singelnstein, 35-jährig, zum geschäftsführenden Intendanten des Rundfunks berufen. Er stellte eine neue Führungsmannschaft von politisch nicht belasteten Fachleuten zusammen. In Rundfunk und Fernsehen der DDR hatte das Ministerium für Staatssicherheit zahlreiche Inoffizielle Mitarbeiter und auch Offiziere im besonderen Einsatz platziert. Singelnstein konnte sie enttarnen.

Christoph Singelnstein: Es gab einen persönlichen Kontakt mit jemandem bei dieser Nachfolgeorganisation des MfS, der uns die Möglichkeit gegeben hat, unsere Gehaltslisten gegen die Gehaltslisten des MfS abzugleichen. Da die Offiziere im besonderen Einsatz ein doppeltes Gehalt bezogen haben, fielen die dann raus.

Dagmar Weitbrecht: Neben der Personalfrage stand die nach der Zukunft von Programmen wie DT64 auf der Agenda. Der Sender hatte eine hohe Akzeptanz. Ein möglicher Partner war der RIAS, also der Rundfunk im amerikanischen Sektor Berlins. Für Jörg Wagner verbindet sich bis heute damit eine unschöne Erinnerung.

Jörg Wagner: Am 7. September 1990 da beschloss der damalige Funkhaus-Chef Christoph Singelnstein zusammen mit Helmut Drück vom RIAS, die Flucht nach vorn anzutreten, weil er wusste: 3. Oktober, da ist die Vereinigung, da ist dann nicht mehr viel zu machen. Er wollte möglichst viel retten vom DDR-Rundfunk und sah nur zwei Möglichkeiten: Privatisierung von DT64 oder und DT64 zusammen mit dem sogenannten Westradio, in dem Fall mit RIAS zu einer gesamtdeutschen Redaktion zu machen. Man wollte das Testen - völlig unsinnig aus meiner damaligen Perspektive schon - in Dresden, wo man gerade DT64 am liebsten hatte, sag ich mal. Auch wegen der besonderen geografischen Lage. Im „Tal der Ahnungslosen“ war DT64 dort traditionell beliebt. Da jetzt den RIAS aufzuschalten und dann noch RIAS 1, das ist eher das Klassik-Erwachsenenprogramm gewesen, musste zu einer Rebellion führen, und wurde dann auch einen Tag später rückgängig gemacht von Medienminister Müller.

Dagmar Weitbrecht: Verschiedene Modelle für die zukünftige Struktur des Rundfunks wurden diskutiert. Eine ganz Ostdeutschland umfassende öffentlich-rechtliche Anstalt war politisch nicht gewollt. Peter von Lojewski, der Intendant des Senders Freies Berlin, hatte eigene Pläne, wollte seinen Sender um Mecklenburg und Brandenburg vergrößern. Das so genannte Wallmann-Papier zog eine Zusammenarbeit zwischen Hessen und Thüringen in Betracht. Walter Wallmann war hessischer Ministerpräsident und wollte den Hessischen Rundfunk vergrößern. Parallel zu all den Vorschlägen wuchs der Zeitdruck. Mühlfenzl-Berater Matthias Gehler über eine besondere Sitzung.

Matthias Gehler: Wir saßen - ich erinnere mich noch - wir saßen in Magdeburg zusammen, die Chefs der Staatskanzleien und dort hat Rudolf Mühlfenzl dann mit seinen Beratern, den Chefs der Staatskanzleien gesagt, ihr müsst dafür sorgen, dass die nördliche Anstalt aufgebaut wird, denn wir enden am 31.12.. Denn bis dahin - wir hatten etwa noch so 5000 Leute, die noch übrig waren und sendeten - können wir das nur aufrechterhalten, wenn ihr garantiert, dass die Übergänge laufen. Dann haben die dort gesagt, ja dann legen wir halt eine Kassette ein. Das war so ein Punkt, wo wir fast aufgestanden wären und gegangen wären.

Dagmar Weitbrecht: Die geplante norddeutsche Anstalt NORA aus Mecklenburg, Brandenburg und Berlin kam wegen einer politischen Panne in Schwerin nicht zustande. Der dortige Staatskanzleichef hatte die Fraktionen im Landtag nicht fristgerecht informiert. In Mitteldeutschland ging die Einigung schnell voran. Udo Reiter vom Bayerischen Rundfunk wurde als Gründungsintendant des MDR bestimmt. Christoph Singelnstein über die Weichenstellung für den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg.

Christoph Singelnstein: Die war sehr getrieben von Manfred Stolpe, der dafür auch einen Grund hatte, weil er sagte: Mein Land Brandenburg ist ein Kunstland. Das hat das historisch so nicht gegeben, und ich habe die Aufgabe, irgendwie eine Landesidentität zu schaffen. Das wird schwierig genug. Zwischen der Lausitz und der Prignitz, Uckermark und dem Fläming liegen Welten. Und dann dazwischen noch so eine große Metropole. Das war sozusagen sein Impuls, warum er es für sinnvoll gehalten hat, eine eigene Landesrundfunkanstalt für Brandenburg zu haben.

Dagmar Weitbrecht: Auch für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen spielte die Aufgabe, eine neue Länderidentität zu wecken, eine große Rolle. Anders war die Situation in Berlin bei den zentralen Programmen. Anders war die Situation in Berlin bei den zentralen Programmen. Für die Macher des Programms DT64 lief angefeuert durch die RIAS-Geschichte eine groß angelegte Unterstützungsaktion von Hörern und Sympathisanten. Mit Demonstrationen, Diskussionen, Petitionen forderten sie den Erhalt des Senders.

Dagmar Weitbrecht: Jörg Wagner fürchtete damals weniger um seinen Arbeitsplatz.

Jörg Wagner: Mir ging es ums Prinzip, weil ich dachte, wenn ein Sender in der Wendezeit bewiesen hat, dass er die Vereinigung einigermaßen glaubhaft mit begleitet, und wir waren ja alle Teil dieses Prozesses. Wir haben uns nicht erhöht und gesagt, wir wissen es besser, sondern wir haben es mit den Hörern zusammen erlebt. Das hat man uns dann wieder mit Dankbarkeit und auch mit Respekt zurückgegeben.

Dagmar Weitbrecht: Die Proteste zeigten nur bedingt Wirkung. Das „Aus“ für den Sender war alternativlos, sagte Christoph Singelnstein, damals wie heute.

Christoph Singelnstein: Also ich sah damals keine Möglichkeit, und ich würde das aus heutiger Perspektive auch nicht sehen. Radio ist ein regional betriebenes Medium, jedenfalls in Deutschland, nicht nur, weil es so wahrgenommen wird, sondern weil die gesetzlichen Grundlagen auch entsprechend sind. Das hat damals niemand diskutiert. Wenn überhaupt, wäre ein solches Programm quasi als drittes Programm vom Deutschlandradio denkbar gewesen.

Dagmar Weitbrecht: Bis zum 12. Dezember 1991 war die Perspektive für DT64 unklar. Ein Entschließungsantrag für den Erhalt des Senders wurde im Bundestag abgelehnt. Einen Tag später erklärte sich der MDR bereit, DT64 für ein halbes Jahr noch Frequenzen in Mitteldeutschland zu überlassen.

Der Umbau des Rundfunks kam zum Jahresende 1991 in die heiße Phase. Neben politischen Interessen spielten auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle. Ein Thema über das es nur wenige offizielle Informationen gibt. Christoph Singelnstein ist einer der wenigen, die darüber sprachen und sprechen.

Christoph Singelnstein: Also, das betrifft mehr das Fernsehen als das Radio, weil wir natürlich Adlershof - und Babelsberg kann man da nur mit einschließen - und eine stärkere Produktionseinheit hatten. Einmal mit Defa-Spielfilm und Adlershof mit der Fernsehfilmproduktion. Es gab schon zwei große Produktionseinheiten. Die eine sitzt in Hamburg, und die andere sitzt in München. Und die hatten wenig Interesse daran, dass es noch eine große Stärke Filmproduktionen in Deutschland gibt. Das ist Konkurrenz.

Dagmar Weitbrecht: Diese Konkurrenz wurde getilgt. Auf der politischen Bühne waren die Staatsverträge für den Mitteldeutschen Rundfunk und den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg unterschrieben. Die Entstehung und der Staatsvertrag des MDR an sich wurden damals kritisiert. Es ging um den Grundsatz der Staats- und Parteiferne des Senders. Matthias Gehler als Mann der ersten Stunde beim MDR in Thüringen kann die Kritik nicht nachvollziehen.

Matthias Gehler: Wir haben, als es losging, einfach angefangen und Radio und Fernsehen gemacht. Die Kritik, die da drin natürlich lag, (war): Sind die Anteile gut verteilt. Das schwang von Anfang an mit. Das konnte aber keiner genau erahnen, wie das ausgeht. Also keiner wusste, wie wird das Konstrukt dann wirklich funktionieren. Und ist das Ganze jetzt wirklich auch so politisch gesteuert. (Udo) Reiter kam aus Bayern. Es waren viele, die aus den Westbundesländern kamen. Ich war zum Beispiel stellvertretender Direktor. Man sprach damals von einem Tandem-Prinzip. Von daher gesehen ist es so, dass wir als Tandem arbeiten sollten. Das hat so richtig dann auch nicht funktioniert. Es gab immer auch diesen kleinen Ost-West-Konflikt in dieser Runde. Da hatten sich natürlich ein paar aus dem Westen auch erstmal Positionen gesichert.

Dagmar Weitbrecht: Vorherrschend war bei allen ein großer Wille zum Neuanfang, sagt der Historiker Peter Ulrich Weiß.

Dr. Peter Ulrich Weiß: Na, zunächst einmal war das natürlich eine hoch aufregende Phase. Die Mitarbeiter der neuen Anstalten waren hochmotiviert. Es war natürlich ein Bruchteil derjenigen, die vorher in Berlin-Adlershof oder anderswo tätig war. Aber es war eine Aufbruchstimmung. Zum anderen musste natürlich auch ein neues Programmgefüge her.

Dagmar Weitbrecht: Hier gingen MDR und ORB unterschiedliche Wege. Und der Jugendsender? Für den Jugendsender DT64 stellten sich Fragen wie Programminhalte oder Innovation nicht mehr. Am 1. Mai 1993 endete das Programm DT64 und ging im neu gegründeten Sender Sputnik beim MDR auf. Es sei ein Abschalten auf Raten gewesen, meint Jörg Wagner rückblickend. Die neu gegründeten Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Ostdeutschland standen vor wichtigen Aufgaben. Historiker Peter Ulrich Weiß nennt einerseits die Erfüllung des Programmauftrags und andererseits ein „Länder-Bewusstsein, eine Heimat-Identität zu pflegen. Aber auch im Programm gewisse Innovation auszuprobieren“. Dabei sei rückblickend der MDR deutlich erfolgreicher gewesen als der ORB.

Das war das Feature: „Von Zensur, Freiheit und Neubeginn - die Friedliche Revolution im Rundfunk“ von Dagmar Weitbrecht.

* Ich arbeite seit Oktober 1990 als Seiteneinsteigerin beim Radio, den ersten Arbeitsvertrag erhielt ich noch vom Sender Weimar. Heute bin ich nach verschiedenen Stationen im MDR Landesfunkhaus Thüringen in der Redaktion MEDIEN360G des MDR tätig.