Auslandskorrespondenten Die ARD und wie sie die Welt sieht
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11. April 2022, 15:10 Uhr
Sie sind in diesen Tagen vom Bildschirm gar nicht wegzudenken: Ob Georg Restle vom WDR, Olaf Bock vom ARD-Studio Warschau oder Ina Ruck in Moskau, dazu noch Katrin Eigendorf und Dara Hassanzadeh vom ZDF - die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine wäre ohne die Berichte und Analysen der Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten gar nicht denkbar. Doch abgesehen von Kriegen und Krisen fristet die Auslandsberichterstattung in vielen Medien ein Schattendasein.
Das jedenfalls ist das Fazit einer aktuellen Untersuchung der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung. Unter dem programmatischen Titel "Das Verblassen der Welt - Auslandsberichterstattung in der Krise" kommt ihr Autor Marc Engelhardt zu dem Schluss: "Die Auslandsberichterstattung in deutschen Medien steht unter bisher unbekanntem Druck. Die wenigsten Medienhäuser verfügen noch über ein Netz eigener, fest angestellter Korrespondentinnen und Korrespondenten. Das gleiche gilt für Auslandsberichterstatterinnen und -berichterstatter, die von mehreren Redaktionen anteilig finanziert werden."
Auslandsberichterstattung vor allem bei Zeitungen rückläufig
In vielen Regionalzeitungen kommen Berichte aus dem Ausland ganz überwiegend nur noch von den großen Nachrichtenagenturen. Doch auch diese müssen sparen, schließlich finanzieren sie sich durch die Zahlungen der Medien, die ihre Berichte nutzen. So sagte Sven Gösmann, Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im Interview mit dem Deutschlandfunk, "für Berichte über 'Land und Leute' hätten deutsche Medien kaum mehr Platz, entsprechend selten bieten wir sie noch an. Gefragt dagegen sei die dpa bei sogenannten starken Nachrichtenlagen, beispielsweise Regierungskrisen oder regionalen Konflikten."
ARD und ZDF haben die meisten Auslandsbüros
Die öffentlich-rechtlichen Sender, so Engelhardt, sind mit ihren Auslandsstudios und Korrespondentenplätzen in allen Teilen der Welt eine ruhmreiche Ausnahme. Doch auch hier gingen die Programmanteile für Hintergründiges und eine nicht rein aktuell getriebene Berichterstattung seit vielen Jahren zurück. "Den Korrespondentinnen und Korrespondenten fehlt es zunehmend an Sendeplätzen", schreibt Engelhardt. Jedenfalls dann, wenn es sich nicht um eine Kriegs- oder Krisenregion handelt oder wichtige Ereignisse wie beispielsweise Wahlen anstehen. Andererseits ist das Arbeitspensum durch die vielen aktuellen Nachrichtenformate, die alle bedient werden wollen, gleichzeitig deutlich gestiegen. "Wir haben heute ein 'Morgenmagazin', ein Mittagsmagazin, weitere Nachrichtensendungen über den Tag verteilt, dann die 19-Uhr-'heute'-Sendung, dazu das 'heute journal' und das 'Nachtjournal'. Bei Großereignissen heißt das Fließbandarbeit", resümiert Dietmar Ossenberg, der über 15 Jahre für das ZDF aus Kairo über Nordafrika und den Nahen Osten berichtet hat, bereits vor einigen Jahren. "Das führt manchmal leider auch dazu, dass man kaum noch Zeit hat, zu reisen, länger für Recherchen unterwegs zu sein oder sich intensiver vorzubereiten."
Kritik am "Helikopter-Journalismus"
Dabei unterhalten ARD, ZDF und der Auslandssender Deutsche Welle aber ein deutlich dichteres Korrespondenten-Netz als die meisten großen internationalen Sender. Sogar die BBC oder CNN setzen mehr und mehr auf ein Berichterstattungskonzept, das von seinen Kritikerinnen und Kritikern abfällig als "Helikopter-Journalismus" bezeichnet wird. Damit ist gemeint, dass es in dem entsprechenden Land keine feste Korrespondentenstelle mehr gibt, sondern Reporterinnen und Reporter nur zu aktuellen Anlässen kurzfristig eingeflogen werden und dann berichten. Doch Nachteile liegen hierbei auf der Hand: "Ein Korrespondent, der für längere Zeit in 'seinem' Land lebt und viel von den Menschen dort mitbekommt, kann Eindrücke vermitteln, die andere Medien nur zum Teil liefern", sagt Ossenberg, der auch nach seiner aktiven Korrespondenten-Zeit beim ZDF in Kairo blieb. Allerdings dürfe man sich keiner Illusion hingeben - "alles bekommt man nie mit". So seien die Ereignisse um die erste ägyptische Revolution vor knapp zehn Jahren, die dann später "arabischer Frühling" genannt wurde, bei aller Kenntnis von Land und Leuten "für uns so nicht vorhersehbar" gewesen, so Ossenberg.
Wie sich ARD und ZDF die Welt einteilen
Das ZDF ist mit 17 Korrespondentenbüros in aller Welt aufgestellt. Dabei gilt manchmal die Faustregel ein Büro = ein Land. Das ist zum Beispiel bei der ARD in Frankreich der Fall. Die Republik Irland wird dagegen bei ARD und ZDF von den jeweiligen Studios in London mit versorgt, beim ZDF ist das Studio Paris auch gleich noch für Spanien, Portugal und einige nordafrikanischen Staaten wie Tunesien, Algerien, Marokko zuständig. Je weiter weg von Europa wird die Liste der Länder immer länger. So versorgt das ARD-Studio Rio de Janeiro nicht nur Brasilien, sondern auch Peru, Bolivien, Paraguay, Chile, Uruguay und Argentinien. Und das ARD-Studio in der kenianischen Hauptstadt Nairobi übernimmt die Berichterstattung für rund 40 Länder südlich der Sahara. Eine Besonderheit der ARD ist, dass sich ihre föderale Struktur auch bei den Auslandsbüros wiederfindet. Die Büros bzw. Korrespondentinnen und Korrespondenten gehören immer zu einer der insgesamt neun ARD-Landesrundfunkanstalten und werden von diesen besetzt und ganz überwiegend finanziert.
Der MDR ist gemeinsam mit dem Hessischen Rundfunk für die TV-Berichterstattung aus dem Studio Neu-Dehli zuständig, das für das ARD-Fernsehen aus Indien, Pakistan, Afghanistan, Bangladesch Buthan, Nepal und Sri Lanka berichtet. Studio-Leiterin ist Sibylle Licht vom MDR. Etwas näher am MDR-Sendegebiet sitzt Danko Handrick, Leiter des ARD-Studios Prag. Neben der Tschechischen wird aus Prag auch die Slowakische Republik abgedeckt. Außerdem hat der MDR eigene Hörfunk-Korrespondentinnen und Korrespondenten im ARD-Studio Paris (Stefanie Markert), in Washington (Julia Kastein) sowie im Studio Brüssel (Matthias Reiche), zu dessen Themen neben der Berichterstattung aus den Benelux-Ländern auch die Nato und die EU gehören.