Recherche immer wichtiger Wieviel Journalismus steckt in Satire?
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03. August 2021, 17:49 Uhr
Satire erfreut sich großer Beliebtheit, sorgt aber immer wieder auch für heftige Debatten. Anders als früher arbeiten aber die Redaktionen von Satire-Sendungen heute vielfach mit journalistischen Methoden und präsentieren die Ergebnisse im Nachrichtenstil. Satire hat damit die Chance, mit ernsten Themen andere Zielgruppen zu erreichen und politische Debatten anzuregen - ein echter Mehrwert für Gesellschaft und Demokratie.
Die gründliche Recherche gehört inzwischen dazu: Satiresendungen wie extra 3 oder heute-show betreiben großen Aufwand, ihre Pointen mit Fakten zu untermauern. Dafür arbeiten sie mit professionellen Journalistinnen und Journalisten zusammen, die für satirische Stoffe genau so hart recherchieren wie für das normale redaktionelle Angebot.
"Als alleinstehender Satiriker ist es natürlich schwer, da kann man gar nicht die ganze Rechercheleistung erbringen, die eine Redaktion wie die der heute-show oder extra 3 erbringen", sagt TV-Satiriker und Comedian Oliver Kalkofe. Auch extra 3-Redaktionsleiter Andreas Lange bestätigt, dass für Satire die Recherche heutzutage wichtiger denn je ist.
Soziale Netzwerke erlauben neue Formate
Das hat auch mit den sozialen Netzwerken zu tun. Durch sie fallen Fehler heutzutage viel eher auf, was schnell entsprechende Reaktionen hervorrufen kann. Gleichzeitig haben die sozialen Netzwerke wie Facebook und YouTube das Rad auch noch ein ganzes Stück weitergedreht. Hier kann inzwischen jeder als Freizeit-Satirikerin oder -Satiriker mitmachen und gegebenenfalls ein Millionenpublikum erreichen. Missverständnisse inklusive, wie die YouTube-Kampagne #allesdichtmachen im April dieses Jahres gezeigt hat.
Gerade in der Satire ist es extrem wichtig, dass man das Handwerk auch ein bisschen kann.
"Gerade in der Satire ist es extrem wichtig, dass man das Handwerk auch ein bisschen kann", sagt Andreas Lange, der seit vielen Jahren die Redaktion der Satiresendung extra 3 vom Norddeutschen Rundfunk leitet. "Weil man eben durch die Kraft, die die Satire hat, polarisierend ist. Deswegen ist es besonders wichtig, dass man da sauber arbeitet, dass man eine klare Grundierung hat, wo man eigentlich hin will - eine journalistische bei uns."
Satire mit negativen Folgen
Satire steht aber auch immer wieder in der Kritik. Vor allem, wenn Menschen sich persönlich angegriffen fühlen, sorgt das für Unverständnis. Schnell steht die Frage im Raum: Was darf Satire? Wo sind die Grenzen?
Wir werden immer Satire haben, die an den Normen kratzt.
Beispiele für Satiren mit heftigen Folgen gibt es zahlreiche: Das bekannteste dürften die Mohammed-Karikaturen in der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo sein. Die Veröffentlichung führte zu einem brutalen Terror-Anschlag, bei dem zwölf Menschen starben.
Andere Satire-Stücke sorgten für heftige Debatten: Jan Böhmermanns Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan etwa führte zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Berlin und Ankara. Böhmermann bekam Morddrohungen. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zu dem Gedicht - und entschuldigte sich später dafür.
"Es ist ein Kernelement der Satire, das Satire aushandelt, was sie tun darf", sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Katharina Kleinen-von Königslöw dazu. "Es muss auch immer darum gehen, an die Grenze zu gehen und zu testen, was sind denn unsere gesellschaftlichen Normen, von dem, was sagbar ist und was nicht. Das heißt, wir werden immer Satire haben, die an den Normen kratzt."
Missbrauch durch autoritäre Systeme
Satire war aber nicht immer die Stimme gegen die Mächtigen. Im Nationalsozialismus wurde Satire als Instrument des faschistischen Regimes eingesetzt. Andersdenkende und jüdische Menschen wurden herabgewürdigt und gezielt diffamiert. Für humanistisch geprägte Kabarettistinnen und Kabarettisten eine schwere Zeit. Viele gingen ins Exil, andere kamen in Konzentrationslager.
In der DDR bog sich der Staat Satire für die eigenen Zwecke zurecht. Satirikerinnen und Satiriker sahen sich einerseits mit der staatlichen Kontrolle konfrontiert. Andererseits halfen sie dabei, Ventil für die allgemeine Unzufriedenheit in der DDR zu sein. Eine ständige Gratwanderung.
Die Gesellschaft kann von Satire profitieren
Heute ist Satire aus unserer Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Und sie kann demokratische Debatten auslösen und beflügeln. Für Oliver Kalkofe liegt in gut gemachter Satire eine echte Chance: Menschen könnten wieder den Weg zu den klassischen Informationsformaten finden, sagt er.
"Formate wie heute-show und extra 3, die schaffen es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder, den Menschen einige wichtige Punkte der Realität, der Politik und der gesellschaftlichen und sozialen Problematik vorzuführen", sagt er. "Und sie durch das Lachen wieder ein bisschen zu emotionalisieren, dass sie vielleicht sagen: Ah, da gucke ich noch mal nach, jetzt erkundige ich mich noch mal weiter."
Dafür aber müssen die Fakten stimmen - genau wie im Journalismus.