Interview mit Jan Hollitzer "Wir hätten nicht mehr viel Platz für den Nachrichtenkern"
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14. Januar 2022, 18:18 Uhr
Jan Hollitzer, Chefredakteur der Thüringer Allgemeine, erklärt, wie seine Zeitung mit der Forderung nach geschlechtergerechter Sprache umgeht – und warum in Überschriften weiterhin das generische Maskulinum bleibt.
MEDIEN360G: Ich spreche heute mit Jan Hollitzer. Er ist Chefredakteur bei der Thüringer Allgemeinen in Erfurt. Er war früher stellvertretender Chefredakteur bei der Berliner Morgenpost und auch beim News-Portal T-Online. Und seit 2018 sind Sie hier bei der Thüringer Allgemeine. Schön, dass Sie heute da sind. Wir sprechen über geschlechtergerechte Sprache in den Medien. Wir haben schon mal so ein bisschen geguckt: "400 Lehrerstellen sind nicht besetzt". Wie geht denn die Thüringer Allgemeine mit diesem Thema um?
Jan Hollitzer: Es ist eigentlich ein ganz gutes Beispiel mit dieser Überschrift: "400 Lehrerstellen sind nicht besetzt". Also wir haben eine lange Diskussion geführt, natürlich auch innerhalb der Funke-Mediengruppe, zu der wir gehören, über alle Standorte hinweg. Nordrhein-Westfalen gehört dazu, Hamburg, Berlin, Braunschweig und wir in Thüringen. Und wir sind schon zu dem Entschluss gekommen, dass wir uns diesen Entwicklungen bezüglich der Geschlechtergerechtigkeit auch als Medium, was mit Sprache umgeht und natürlich mit Sprache umgeht, nicht entziehen können, aber damit doch sehr behutsam umgehen. Also wir werden keinen Doppelpunkt nutzen, wir werden keine Sternchen nutzen. Wir werden da, wo es möglich ist, beide Formen, also Lehrerinnen und Lehrer, oder eventuell auch eine neutrale Form wechseln wie die Lehrenden, gibt es ja zum Beispiel auch. Aber dort, wo es um Sprachökonomie geht, zum Beispiel, wo auch nicht viel Platz ist, wie in einer Überschrift etwa, nicht in diese beiden Formen wechseln, sondern dort bei diesem generischen Maskulinum bleiben.
MEDIEN360G: Was sind denn die Gründe dafür, zum Beispiel nicht das Sternchen oder das Binnen-I zu benutzen?
Jan Hollitzer: Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, wir müssen differenzieren. Wenn wir jetzt von Sprachökonomie sprechen, beispielsweise. So haben wir hier, wenn jetzt das Internet betrachten, auf unseren Portalen allen Platz der Welt. Im gedruckten Produkt und dem Nachfolgeprodukt davon, dem E-Paper, sind wir natürlich noch an gewisse Plätze gebunden. Und würden wir dort in jeder Nachricht voll durchgendern nach gewissen Kriterien, hätten wir gar nicht mehr so viel Platz zur Verfügung für den eigentlichen Nachrichtenkern. Das ist das eine. Damit wollen wir uns aber auch nicht aus der Verantwortung ziehen, sondern es ist wirklich eine ganz pragmatische, rationale Begründung dafür.
Und das andere ist aber tatsächlich auch wirklich der Lesefluss. Und das, was wir von unseren Lesern gespiegelt bekommen. Also mir ist jedenfalls nichts bekannt aus unserer Leserschaft, dass jemand unbedingt das Sternchen, Binnen-I, Binnenstrich oder sonst irgendetwas eingefordert hätte. Und das ergeben ja auch Umfragen, ich glaube, dass über zwei Drittel der Deutschen nicht dafür sind. Das heißt auch nicht, dass wir uns irgendwelchen sprachlichen Weiterentwicklungen verschließen. Also wir erleben das in den letzten Jahren oder über die letzten Jahrzehnte auch: Anglizismen haben Einzug gehalten in unsere Sprache, Jugendsprache, andere Neologismen, also Wortneuschöpfungen, die den Einzug in den Duden gehalten haben, sind normal in den Sprachgebrauch - aber natürlich gewachsen - übergegangen. Und jetzt geht es für viele eher um so eine institutionell verordnete Änderung der Sprache. Da denke ich, sind wir auch kein, ich sag das jetzt mal so, Umerziehungsorgan.
MEDIEN360G: Sie hatten gerade das Stichwort Umerziehungsorgan. Es gibt ja Medien, die das jetzt bereits machen…
Jan Hollitzer: Das ist schon ziemlich zugespitzt.
MEDIEN360G: Also die taz macht das ja schon ziemlich lange. Empfinden Sie das dann so, wenn Sie das lesen, wie ein Aufdrücken dieser Regelung? Oder nehmen Sie das in anderen Medien einfach so wahr: Okay, die machen das so und wir machen es nicht.
Jan Hollitzer: Eigentlich eher Letzteres. Die machen das so. Man muss natürlich auch immer ganz genau schauen, in welchem Zielgruppenbereich bewegt man sich? Welche Zielgruppen hat man, welches Klientel bedient man? Und gerade wenn wir jetzt von der taz sprechen, eher linkes Spektrum. Wir haben keine politische Linie als Thüringer Allgemeine. Bei den Lokal-Regionalzeitungen kann man sagen, das ist wie ein großer Gemischtwarenladen für das Land, was sie abbilden. Also so vielfältig wie das Land, so vielfältig sind unsere Themen. Und wie gesagt, keine politische Linie. Wir bieten keinen Raum für Verstärkung der eigenen Meinung, sondern es geht darum, dass wir eine freie Meinungsbildung durch unsere Berichterstattung ermöglichen wollen, ohne zu sagen, was man zu meinen hat. Ohne die Kollegen der taz da jetzt angreifen zu wollen: Aber das ist doch, da erwartet man eine ganz bestimmte Berichterstattung. Und eventuell ist es da in dieser Richtung dann auch üblicher, zu gendern.
MEDIEN360G: Und kriegen Sie das gespiegelt von ihren Leserinnen und Lesern, dass die das vielleicht gut finden oder nicht gut finden?
Jan Hollitzer: Nicht gut finden. Also, das ist aber generell so: Lob erreicht einen eigentlich fast nie. Das Ausbleiben von Kritik ist Lob. Das trifft, glaube ich, in vielen Bereichen zu. Menschen melden sich doch eher, wenn sie irgendetwas zu nörgeln haben oder etwas auszusetzen haben. Und dann geht es doch eher, wenn wir merken, das Gendern ist wieder in der politischen Diskussion. Es geht ums dritte Geschlecht, meinetwegen, dann auch. Dann erreichen uns schon Leserbriefe und Lesermeinungen, dass es doch andere Probleme gibt, die wir hier in Deutschland zu lösen haben, als uns darum zu kümmern, politisch.
MEDIEN360G: Das heißt, nutzen Sie auch deswegen nicht explizit gendersensible Sprache, um ihre Leserschaft nicht zu verschrecken?
Jan Hollitzer: Ich glaube, das hat nicht so etwas mit dem Verschrecken zu tun, sondern wir sind ja nah dran an unseren Lesern. Der Vorteil einer Lokalzeitung ist doch, wir sind hoch überprüfbar. Wenn wir jetzt schreiben würden, hoch zu dem Dom und die Zahl der Domstufen würde nicht übereinstimmen, würden uns vielleicht gleich zehn Leser schreiben: Das sind drei Stufen zu viel. Seid ihr überhaupt von hier? Was schreibt ihr hier eigentlich, wenn ihr nicht mal solche Basics kennt? Also wir sind hoch überprüfbar, wollen, was ich damit sagen will, die Lebenswirklichkeit unserer Leser natürlich auch abbilden. Das heißt, wir wollen jetzt hier niemanden verschrecken, sondern wir wollen schon nah dran an der Lebenswirklichkeit sein, mit dem, was wir berichten. Und ich glaube, dass uns das in diesem Punkt natürlich auch umtreibt. Aber wir sind da nicht getrieben davon.
MEDIEN360G: Aber eine Lebenswirklichkeit in Deutschland ist es ja auch, dass es Menschen gibt, die sich aufgrund ihrer sexuellen Identität vielleicht nicht einem oder dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen und die eben diese Art von Schreibweise für sich einfordern. Das ist ja quasi wie so ein Minderheitenthema, wenn man jetzt nicht von Frauen und Männern ausgeht. Spielen die dann eine geringere Rolle, wenn man das von der Seite aus betrachtet?
Jan Hollitzer: Das ist ja der Kern der Debatte eigentlich. Also fühlt sich irgendjemand unterrepräsentiert, wenn man nicht in… das wäre ja dann das Neutrum. Dafür haben wir noch gar keine Flexionsformen, keine Pronomen. Das wäre eine ganz neue Debatte. Also diese Debatte beim Gendern ums dritte Geschlecht ist da ja völlig ausgenommen. Damit weiß man ja noch gar nicht, wie man damit umgehen sollte. Man müsste ganz neutrale Formen finden. Also meiner Überzeugung nach muss das natürlich wachsen, also die Sprache. Organisch aus sich heraus, und nicht dieses Verordnen. So müssten wir alle noch mal die Schulbank drücken und das noch einmal von Grund auf lernen.
Um auf dieses dritte Geschlecht zu sprechen zu kommen, ich glaube, da haben wir alle überhaupt noch gar keine Antwort darauf, wie wir damit umgehen. Andersherum gibt es, glaube ich, verschiedenste Formen, die man gut finden kann. Es gibt ja auch ein X am Ende, gibt es ja auch verschiedenste Formen, die jetzt benutzt werden. Man kann mit Klammern arbeiten, man kann mit Unterstrichen arbeiten. Es hat sich noch keine Form so richtig durchgesetzt, zum Beispiel: Das generische Femininum kann man ja auch einsetzen. Nur wenn man das einsetzt, hat man genau die gleichen Argumente wie gegen das generische Maskulinum. Von daher finde ich, dass wir diesen Weg, den wir jetzt gewählt haben, mit: beide Formen einzuführen, das einmal klarzumachen im Text, aber dann am Ende eher in eine neutrale Form überzugehen wie "die Mitarbeitenden" oder "die Belegschaft" oder ähnliches, der elegantere Weg ist.
MEDIEN360G: Weil sie gesagt haben, das muss organisch wachsen, das tut es ja im Grunde auch. Jetzt hat zum Beispiel der deutsche Rechtschreibrat ja auch noch mal gesagt, er empfiehlt es nicht ausdrücklich. Also die Signale, die so von oben kommen, sind ja eher auch, dass es nicht empfohlen wird. Und trotzdem machen es ja Menschen und machen es bestimmte Medien. Im privaten Raum kann man den Leuten eh nicht vorschreiben, wie sie das sprechen sollen… Also es wächst organisch und es gibt ja auch in der Medienlandschaft quasi keine einheitliche Form. Sie zum Beispiel entscheiden sich für die Regelung, andere machen es wiederum klarer. Aber es ist halt sehr divers. Ist das so in Ihrem Sinne? Oder würden Sie sagen: Nein, das müsste irgendwie einheitlicher sein. Oder wie sehen Sie so die Debatte?
Jan Hollitzer: Na, Sie haben es ja gerade ganz gut beschrieben im Prinzip. Wir sind mitten in diesem Prozess und auch in diesem Diskussionsprozess. Und es wächst ja auch gerade was, also die einen machen es so, die anderen so. Am Ende ist es vielleicht sogar ein evolutionärer Prozess und der Stärkere setzt sich durch oder das, was am meisten gebraucht wird. Kann ja möglich sein. Und dann ist man an dem Punkt. Aber wir sind gerade mittendrin in dieser Debatte. Es wird aber versucht, ich sage jetzt mal, institutionell, vielleicht auch politisch motiviert oder von einigen Gruppierungen versucht, zu forcieren, was andere wiederum abschreckt. Und da muss man aufpassen, dass die ganze Diskussion nicht einfach zu emotional wird.
MEDIEN360G: Warum wird sie denn so emotional?
Jan Hollitzer: Weil es an einigen Stellen eben so forciert wird. Und das ist, um noch mal auf diese Lesermeinungen zurückzukommen, dass einfach gesagt wird: Warum müssen wir jetzt diese Gender-Debatte in dieser Heftigkeit führen, wo wir doch eigentlich ganz andere Probleme haben, die wir zu lösen haben? Also ich glaube, dass auch wieder die Menschen in den neuen Bundesländern auf so was ganz anders reagieren. Erst mal die Gleichberechtigung von Ostdeutschen und Westdeutschen, was Gehalt angeht, was Rentenniveau angeht. Die ganz normalen, ja, wir sind mal wieder bei der Lebenswirklichkeit, die alltäglichen Dinge zu klären, ehe es darum geht: Sind wir jetzt sprachlich mit dem dritten Geschlecht auch auf Augenhöhe?
MEDIEN360G: Glauben Sie, dass Sprache die Wirklichkeit dann auch verändern kann? Dass sie, wenn sie gendergerecht benutzt wird, auch die Gleichberechtigung in der Gesellschaft fördern kann? Oder glauben Sie das gar nicht?
Jan Hollitzer: Absolut. Ich habe auch Sprachwissenschaft studiert mit Psycholinguistik, was Sprache und Denken ausmacht. Auch, je größer der Wortschatz wird, der Idiolekt, desto reflektierter und abstrakter wird auch das Denken. Das hat aber dann wieder was mit Intelligenz zu tun. Vielleicht müssen wir auch diese Debatte auf ganz anderem intellektuellen Niveau führen als das, wie wir es gerade machen, vielleicht auch ein bisschen niederschwelliger, ganz einfach und nicht so akademisch diese Debatte führen. Aber klar, absolut, Sprache ändert das Bewusstsein. Und daher gibt es sicherlich eine Chance. Man darf halt nur nicht, man muss halt da auch ein bisschen behutsam sein. Wie gesagt, nicht zu akademisch werden, nicht zu dogmatisch werden. Weil dann verliert man zu viele Menschen in diesem Prozess, der tatsächlich eine Chance ist.
MEDIEN360G: Und gibt es denn so eine Zukunftsaussicht hier der Zeitung, in Ihrer Mediengruppe? Also Sie haben gesagt, Sie wollen versuchen, neutrale Formen zu benutzen. Und eben wenn es passt, auch männliche und weibliche Form. Und das ist erstmal der Ist-Stand. Oder gibt es da auch Diskussionen, wie man das in Zukunft noch anders machen kann? Oder ist das jetzt so?
Jan Hollitzer: Wir müssen mit irgendetwas los laufen, das ist ja wie in jedem Prozess und in jeder Veränderung. Und wir haben uns diese Regelungen jetzt eben gegeben, mit beiden Formen, vielleicht auch mit neutralen Formen zu arbeiten, in langen Texten das umzusetzen, nicht in Überschriften, auch nicht unbedingt in Vorspännen oder Unterzeilen, kurzen Nachrichten. Das ist erstmal der Status quo. Aber wir haben uns genauso gut in unserer verschriftlichten Abmachung oder Vereinbarung dann eben auch das zum Ziel gemacht, dass wir diese Entwicklung stetig beobachten und auch Änderungen vornehmen, dann Anpassungen vornehmen.
MEDIEN360G: Also Sie sind dem offen?
Jan Hollitzer: Absolut. Also, wir arbeiten ja mit Sprache. Journalisten müssen ja Übersetzungsleistungen jeden Tag irgendwie schaffen. Also wenn jetzt eine neue Allgemeinverfügung zu Corona kommt, ist alles sehr technisch. Neue Änderungen müssen wir in normale Sprache übersetzen, sonst könnte man sich ja gleich diese immer juristisch sattelfesten Texte, deswegen klingen die ja auch so monströs, vornehmen und durchlesen. Aber nein, das ist vielen Menschen einfach zu viel und zu zeitaufwendig. Deswegen müssen wir Übersetzungsleistungen verknappen, Sprachökonomie spielt da eine Rolle. Und in diesem Prozess sind wir ganz offen, wie sich das entwickelt.
MEDIEN360G: Aber dann könnte man auch sagen: Okay, jetzt hat man die letzten 100 Jahre das generische Maskulinum genommen, jetzt könnte man mal 100 Jahre das generische Femininum nutzen. Also, das wäre ja auch eigentlich okay… Aber das ist ja auch nicht so richtig dann?
Jan Hollitzer: Ja, das wäre eine Vereinbarung. Also unser ganzes Leben beruht irgendwie auf Konventionen, Vereinbarungen. Aber ich glaube, beim generischen Maskulinum hat sich damals nie jemand hingestellt und hat gesagt: Okay, wir nehmen jetzt die männliche Form. Das wäre es aber jetzt: Wir nehmen jetzt die weibliche Form. Dann wäre man wieder in einer Diskussion drin, dann fühlen sich die Männer vielleicht nicht angesprochen.
MEDIEN360G: Ja, das ist interessant, weil das generische Maskulinum gibt es ja auch noch gar nicht so lange. Also ich habe mit einer Sprachwissenschaftlerin auch noch mal gesprochen…
Jan Hollitzer: Das gibt es nicht mal in jeder Sprache…
MEDIEN360G: Ja genau. Aber auch im Deutschen gibt es das noch gar nicht so lange Zeit, seit noch nicht mal 100 Jahren ungefähr, was ja auch nur daran liegt, dass es ja auch eine Wirklichkeit abgebildet hat, weil es eben früher fast nur Ärzte und fast nur Richter und fast nur Physiker gab. Solche Berufe haben Frauen im Grunde fast nie ausgeübt. Und deswegen hat man auch diese Begrifflichkeiten so gesagt. Aber das passt ja heute mit der Realität quasi nicht mehr überein, weil es gibt heute viele Ärztinnen. Es gibt viele Richterinnen, aber der Sprachgebrauch, habe ich das Gefühl, der hinkt da so ein bisschen hinterher?
Jan Hollitzer: Ja, das stimmt. Ärztinnen ist zum Beispiel ein super Beispiel. Hat man in der Sprache, wenn man das durchgendern will, totale Probleme. Weil man einen Umlaut mit drin hat, Arzt und Ärztin, man kann das gar nicht mit einem Binnen-I machen oder so. Dafür gibt es zum Beispiel dann keine Form. Dann müsste man dann Mediziner, Medizinerinnen sagen, was es ja dann auch wieder nicht trifft. Deswegen, weil Sie eben gesagt haben, es wird von vielen Stellen nicht empfohlen: Also es wird schon gesagt, wir empfehlen das Gendern, aber wir unterstützen nicht alle Möglichkeiten! Also, die Gesellschaft für deutsche Sprache zum Beispiel sagt, einige Formen sind okay und andere würden wir nicht empfehlen, weil es eben Probleme gibt mit Umlauten, Sprachfluss behindert, zu Rechtschreibfehlern, also orthografischen Fehlern dann einfach auch führt in der Verwendung. Dass es nicht mehr korrekte Sprache ist. Oder einen Punkt zu setzen: Ein Punkt ist ein Schlusszeichen, lernen wir in der Schule, und auf einmal soll es mitten in einem Wort vorkommen. Das sind so Vorbehalte, aber ich glaube, es ist keiner generell so richtig gegen diese Entwicklung, die gerade stattfindet, nur in der Intensität, in der die Diskussion geführt wird oder eingefordert wird. Das ist dann, glaube ich, eher so der Punkt.
MEDIEN360G: Aber es geht ja darum, wenn Frauen und Männer zusammen sind, dass man dann als allgemeine Form immer die männliche wählt, obwohl… Also auch zum Beispiel, wir hatten jetzt so einen Artikel angeguckt, da ging es um den Erzieher-Verband zum Beispiel. Unter Erziehern sind, glaube ich, zwischen drei und sieben Prozent männlich. Und trotzdem spricht man von den Erziehern und dem Erzieher-Verband, was ja gerade in diesem Fall besonders abwegig ist…
Jan Hollitzer: Ja, das ist eigentlich ein Beispiel, dass das Argument komplett konterkariert, dass man sagt, wenn man nur von Ingenieuren, Busfahrern, also wirklich so Männerdomänen spricht. Und da gab es mal Untersuchungen, wenn man Grundschüler fragt: Was wollt ihr mal werden? Der einen Gruppe hat man nur die männlichen, also Ingenieur, Sportler und so weiter und den anderen auch die weibliche Form mitgegeben. Und da konnten sich mehr bei den weiblichen Formen, mehr Mädchen auch mit Männerberufen anfreunden. Um bei Erziehern hat es ja scheinbar gar keinen Effekt gehabt, weil es ohnehin sehr, sehr viele weibliche gibt.
MEDIEN360G: Also kann dann Veränderung möglich sein, wenn man versucht, es sozusagen, wie es jetzt ist, so beizubehalten? Wissen Sie, was ich meine?
Jan Hollitzer: Also es geht jetzt nicht darum: Wollen Medien was verändern? Wir haben einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag, dessen sind wir uns bewusst. Und wir haben auch eine gewisse Verantwortung. Aber ich sehe uns nicht in der Pflicht, dass wir diese Veränderungen herbeiführen müssen und dass wir eine Geschlechtergerechtigkeit nur über gendergerechte Sprache herbeiführen.
MEDIEN360G: Super, vielen Dank. Vielen Dank, Jan Hollitzer, für das Gespräch.
Jan Hollitzer: Sehr gerne.