Wartburgkreis Gerstungen
Hauptinhalt
26. Juni 2019, 17:48 Uhr
Professor Udolph geht dem Ursprung des Ortsnamens Gerstungen nach. Die größte Gemeinde Thüringens ohne Stadtrecht ( stolze 9.100 Einwohner) wird im 8. Jahrhundert erstmals erwähnt.
Historische Belege:
- (744-747) (Kopie 12. Jh.): sue Gerstunge (UB Fulda Nr. 7, S. 11; Walther, S. 248; Dobenecker I Nr. 24, S. 10)
- 9. Jh.: Gerstungen (Trad. Fuld. (ed. Meyer zu Ermgassen), II, S. 107)
- (um 1020) (Kopie 12. Jh.): De Gerstunge; in Gerstungun; De Gerstungen (Trad. Fuld. (ed. Meyer zu Ermgassen), II S. 257, 259)
- 9. Jh. (Kopie 15. Jh.): Gerstungen (Trad. Fuld. (ed. Meyer zu Ermgassen), II S. 107)
- 11. Jh. (Kopie 12. Jh.): Gerstungen; Gerstungen; Gerstungen (Trad. Fuld. (ed. Meyer zu Ermgassen), I S. 318, 319
- 1065: Gerstvngvn (MGH DH IV, Nr. 164, S. 212)
- 1073: (um 1080) Gerstengen (Lamperti opera, S. 163)
- 1085: Gerstungen (Dobenecker I, Nr. 942, S. 199)
- 12. Jh. (K. um 1160): In Gerstungen; De Gerstungen; Gerstunge (Trad. Fuld. (ed. Meyer zu Ermgassen), II S. 179, 280, 285)
- 1194: de Gerstungen (Wenck III UB, Nr. 92, S. 91)
- 1209: Gerstingen (Dobenecker II, Nr. 1410, S. 260)
- 1283: Gerstungen (K. Loga)
- 1302: Gerstungen (Nova Alamanniae I Nr. 52 S. 18)
- 1315: in Gersthungen (K. Loga)
- 1336: de Gerstungen (Studenten in Bologna, Nr. 1119)
- 1363: zcu Gerstungyn (K. Loga)
- 1377: Gerstungen (UB Vacha II, Nr. N4)
- 1417: Gerstungen (K. Loga)
- 1497: Gerstungen (UB Vacha I, S. 90)
- 1525: Gerstungen(UB Vacha II, 30/23)
- 1631: Gerstungen (UB Vacha III, S. 49)
- 1659: Gestungen (UB Vacha III, Nr. 66)
- 1848: Gerstungen (Huhn 2, 543)
Zur Bedeutung des Ortsnamens:
Der Name enthält das Suffix -ung- und gehört zu einer alten Schicht germanischer Ortsnamen in Thüringen. Es gibt weitere -ungen-Namen, die in Thüringen und Hessen ihren Scherpunkt haben. Die folgende, keineswegs vollständige Liste, macht das deutlich:
Birkungen, 1191 Bircunchen,1206 in Berckungen, 1209 in Birckungen; Flechtingen, a. 961 flahtungun; Haferungen bei Nordhausen, 1188 Haverunge; (Burg)-Hasungen bei Kassel, 1019 (K. 12.Jh.) in monte Hasungo, 1021 Hasungun; Heldrungen bei Kölleda, 876 Heltrunga, 1004 Haltrungin; Hellingen, Kr. Hildburghausen, 784 in Helid[u]ngon, 800 (?) in Helidu[n]g[u]m; Kaufungen, 1020 (K. Mitte 12.Jh.) Cofunga, 1042 Coufungon; Leinungen bei Sangerhausen, 1253 Linunge, und Leinungen; Madelungen bei Eisenach, um 1080 in Madelungen; Melsungen, 8.Jh. Milisunge, Melsungen, 1105 Milsungen; Morungen bei Sangerhausen, 9.Jh. Morunga; Salzungen, 775 Salsunga; Schiedungen bei Nordhausen, um 1206 Scidungen; Schleusingen bei Suhl, 1232 Slusungen, Schleusingen, 1336 zv Slusn; Schwallungen, bei Meiningen, 788 in villa Suollunga, Ende 8.Jh. in Suuallungom; Tastungen bei Leinefelde, 10[90] Taistingen, 1238 in Astunghen, 1257 Iohannes de Tastungen; Thürungen bei Heringen/Helme, um 1050 Dierungun, vor 1088 Tyrungun; Wasungen bei Meiningen, 874 Uuasunga.
Deutlich zu erkennen ist die Endung -ungen, die in einigen Belegen auch als -ingen erscheint und eine Zugehörigkeit zur Basis des Namens, also dem ersten Namensteil, ausdrückt. In diesem sind vor allem Wörter enthalten, wie etwa Wiese, Baum oder Haus, manchmal auch Flussnamen. Personen sind kaum zu finden, wie überhaupt menschlicher Einfluss bei den ‑ungen-Namen ganz selten ist.
Aus diesem Grund zögerte wohl schon E. Förstemann, wenn er bei diesem Namen bemerkte: "Kaum zur Gerste". Ich bin ihm in meiner Zusammenstellung der -ungen-Namen (J. Udolph, Germanenproblem S. 149, 162) gefolgt, aber es fragt sich, ob man an dem Wort Gerste, das schon im Althochdeutschen gut bezeugt ist, vorbei gehen kann. Es ist eine Tatsache, dass bei diesen Namen Pflanzen keine geringe Rolle spielen, wie die folgende Zusammenstellung zeigt: Rorungen (> Roringen) "Schilfrohr", Elsungen "Else = 'Erle'", Birkungen "Birke", Duingen aus Dudingen zu dude "Schilf", Lindungen "Linde", Rüstungen "Ulme, Rüster".
Daher empfiehlt es sich wohl doch, Gerstungen zur Gerste zu stellen, wahrscheinlich nicht unbedingt im Sinn von "Gerste" = "Kulturpflanze", sondern von "Wildgerste". Das würde bedeuten, dass man Gerstungen erklären kann als "Ort an dem Wildgerste wächst".
Literatur-Angaben
E. Förstemann: "Ortsnamen, Altdeutsches Namenbuch", Bd. 2: Orts- und sonstige geographische Namen, Teil 1, Nachdruck Hildesheim usw. 1983, Sp. 1040.
K. Loga, in: Südthüringer Zeitung, 16.3.2016.
J. Udolph: "Namenkundliche Studien zum Germanenproblem", Berlin-New York 1994, S. 156.
A. Volland: "Ein Deutungsversuch des Ortsnamens Gerstungen", in: "Alt-Thüringen. Jahresschrift des Museums für Ur- und Frühgeschichte Thüringens 6" (1961/1962), S. 620-631.
H. Walther: "Namenkundliche Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Saale- und Mittelelbegebietes bis zum Ende des 9. Jahrhunderts", Berlin 1971, S. 248.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Vormittag mit Haase und Waage | 27. Juni 2019 | 11:10 Uhr