Landkreis Hildburghausen Schleusingen
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10. Januar 2018, 11:01 Uhr
Die Stadt Schleusingen liegt in Südthüringen im Henneberger Land. Die reichen Holzvorräte im gebirgigen Hinterland bildeten bis in das 19. Jahrhundert die Grundlage zahlreicher Glashütten und Porzellanmanufakturen.
Historische Belege:
- 1232 villa Slusungen
- 1235 Slusungen
- 1287 de Slusungin
- 1291 Slusengen
- 1299 Slüsüngen
- 1315 von Slevsungen
- 1317 Sleusungen
- 1317 Slusungin
- 1317 Sleussungen, Slusungen
- 1330 Slusungen
- 1332 Slevsungen
- 1333 zu Slusingen
- 1334 Slusn
- 1336 zv Slusn
- 1347 Schlusungen
- 1347 Sluesungen
- 1366 Slusungen
- 1366 Slüsingen
- 1380 Slüsüngin
- 1384 zu Sluesungen
- 1390 Slüsüngen
- 1394 Slusungen
- 1406 Slüsingen
- 1408 Slüsüngin
- 1415 Sieusingen
- 1425 Slüsüngen
- 1435 Schleusüngen
- 1435 Schleusungen
- 1435 Schleusingen
- 1446 Schleusingen
- 1452 Slusungen
- 1556 Schleusingen
- 1606 Schleusingen
- 1796 Schleusingen
- 1833 Schleusingen
Vom Namen Schleusingen ist abgeleitet: Schleusingerneundorf (Ortsteil der Gemeinde Nahetal, nördlich von Schleusingen), um 1383-1400 zu Nuwindorf, 1406 daz Neudorf unter den Frawen, 1794 Schleusinger-Neundorf. Das ist eine junge Bildung. Zunächst hieß der Ort nur Neu(e)dorf.
Für die Deutung des Ortsnamens ist wichtig der Gewässername Schleuse, 1545 Schleuse, denn Bildungen mit dem Suffix -ungen sind nicht selten Ableitungen von einen Gewässernamen. Dass er heute Schleusingen heißt, geht auf einen Wechsel des auslautenden -ungen zu ‑ingen zurück. Entsprechende Veränderungen kann man bei etlichen -ingen und -ungen-Ortsnamen beobachten. Im Allgemeinen wird der Ortsname natürlich zu dem Wort Schleuse, genauer: zu mittelniederdeutsch slūse "Gerät oder Einrichtung zum Einschließen, besonders der Fische" gestellt (eine Schleuse im heutigen Sinn ist sicherlich noch nicht gemeint).
Aber kann ein Flussname Schleuse ohne weitere Ableitung von dem Wort Schleuse abgeleitet worden sein? Das ist kaum möglich, er müsste dann Schleusenfluss o.ä. heißen. Es gibt in Deutschland ein Dutzend Gewässer, die das Wort Schleuse enthalten. Sie heißen Schleusengraben, Schleusenfleet, Schleusenkanal, Schleusensee, Schleusenteich usw., aber niemals allein Schleuse.
Zudem ist zu bedenken, dass Ableitungen mit dem Suffix -ungen zu alten germanischen Namenbildungen gehören, man vergleiche:
- Beverungen an der Weser, 826-876 Beuerungen; Birkungen, 1191 Bircunchen,1206 in Berckungen, 1209 in Birckungen
- Fladungen, Unterfranken, 789 et in [F]ladungom, 1031 Fladungon
- Hellingen, Kr. Hildburghausen, 784 in Helid[u]ngon, 800 (?) in Helidu[n]g[u]m
- Madelungen bei Eisenach, um 1080 in Madelungen
- Salzungen, 775 Salsunga
- Schwallungen, bei Meiningen, 788 in villa Suollunga, Ende 8.Jh. in Suuallungom
- Thürungen bei Heringen/Helme, um 1050 Dierungun, vor 1088 Tyrungun
- Wasungen bei Meiningen, 874 Uuasunga
Weiter gilt es zu bedenken, dass bei den Ableitungsgrundlagen dieser Namen menschliche Einrichtungen keine Rolle spielen. Es sind geographische Eigentümlichkeiten, Bäume, feuchte Flächen, Hügel, Berge u. dgl.
Wenn angenommen wird, dass der Fluss Schleuse seinen Namen von dem Ort bekommen hat, so kann das auch nicht stimmen, denn das Wort Schleuse, das dem Ortsnamen zugrunde liegen soll, ist erst aus dem Niederländischen in das Niederdeutsche und von dort in das Hochdeutsche entlehnt worden. Das passt alles nicht zusammen, vor allem nicht, wenn J. Trier mit Recht bemerkt, dass dem Orts- und Flussnamen bei Ableitung von dem Wort Schleuse "eine verhältnismäßig junge Namengebung" liegen soll.
Aber was dann?
Man darf vermuten - allerdings lässt sich das nicht beweisen -, dass der Flussname seinen Namen nicht von der Schleuse, sondern von einem anderen Wort erhalten hat. Bei der Suche stößt man auf eine Sippe, die vielleicht in Frage kommt (im Niederdeutschen, Englischen, Nordischen und Niederländischen mit -t-, im Hochdeutschen mit -s-): altfries. slāt, mittelniederdeutsch slōt m. `Wassergraben, Pfütze, Sumpf', engl. sleet (angelsächsisch *slīete), `Schloßen, Graupeln', niederdeutsch slöten `Hagel', mittelhochdeutsch slōz, slōze, neuhochdeutsch Schloße, norweg. slutr `Regen und Schnee durcheinander', neuhochdeutsch dial. schlossen `schlaff werden, tauen' (schlotzen `mit Schmutz zu tun haben, nachlässig sein' mit ‑tt-).
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, eine alte Variante (*slūs-, *sleus-) zu mittelhochdeutsch slier "Lehm, Schlamm" (gut bezeugt in Ortsnamen wie Schlierbach, Schlirf) anzunehmen. Sicher ist das aber alles nicht. Daher kommt man nicht umhin, die Schleuse doch in Betracht zu ziehen. Aber auch dann bleiben ungelöste Fragen. Also ein einfach klingender Name mit einer komplizierten Geschichte.
Literatur:
A. Greule
Deutsches Gewässernamenbuch
Berlin/Boston 2014, S. 473.
R. Sperber
Die Nebenflüsse von Werra und Fulda bis zum Zusammenfluß (= Hydronymia Germaniae A 5)
Wiesbaden 1966, S. 92.
Y. Merkenelioglu
Ortsnamen des Landkreises Hildburghausen auf der Grundlage gedruckter Überlieferung
Magisterarbeit Bayreuth 1997, S. 29.
J. Trier
Name und Technik
in: Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge 2 (1967), S. 131-145
J. Udolph
Namenkundliche Studien zum Germanenproblem
Berlin - New York 1994, S. 149-161.
H. Walther
Namenkundliche Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Saale- und Mittelelbegebietes bis zum Ende des 9. Jahrhunderts
Berlin 1971, S. 251.