Eine Person steht am Geländer einer Terrasse direkt am Wasser. In einiger Entfernung fährt ein Kreuzfahrtschiff vorbei
... das könnte jetzt kompliziert werden, noch an Bord zu kommen. Bildrechte: MDR/Jörn Schulz

Urlaub Was tun, wenn ich wegen Streik mein Kreuzfahrtschiff verpasse?

08. Februar 2024, 15:39 Uhr

Zugführer streiken, Autobahnauffahrten sind dicht, an den Flughäfen geht nichts voran - Streikzeiten können den Urlaub vermiesen, doch Reisende haben mehr Rechte als gedacht. Wie Sie im Streikfall Ihr Recht auf Ersatzbeförderung und Entschädigung durchsetzen können und was passiert, wenn der Flug zum Schiff separat gebucht wurde - hier gibt's die Antworten.

In Streikzeiten gibt es viele Möglichkeiten, sich den Urlaub vermiesen zu lassen. Dabei haben Reisende mehr Rechte als sie oft wahrnehmen.

Zug und Flug zum Schiff - Anreisepaket

Wer ein Komplettpaket gebucht hat, der ist im Streikfall am besten dran. Ist also der Flug zum Schiff Teil des Vertrages, dann ist der Veranstalter auch für dieses Reisebestandteil in der Pflicht. Er muss sich um eine "Ersatzbeförderung" kümmern. Das kann auch heißen, dass man unter Umständen erst im zweiten Hafen einer Kreuzfahrt zusteigt. Nach der Erfahrung von Reiserechtsexperte Paul Degott sind die Veranstalter auch darum bemüht, weil sie ein Interesse haben, dass das Konstrukt auch funktioniert.

Oberdeck eines Kreuzfahrtschiff
Damit der Urlaub nicht baden geht, wollen die Redereien den Kunden das Anreisepaket schmackhaft machen. Bildrechte: imago images/localpic

Strittig wird es dann, wenn die Forderungen über das übliche Maß hinausgehen. Zum Beispiel wenn jemand vorgibt, nun gar nichts mehr bezahlen zu wollen, weil der Grund für die Reise eigentlich die überwältigende Ausfahrt aus dem wunderhübschen ersten Hafen war, da wird es eng. Bedeutet: Die Kooperationsbereitschaft beim Schadenersatz ist geringer als bei der Schadenbeseitigung rund um die Ersatzbeförderung.

Irgendwann wird die Kooperationsbereitschaft seitens der Veranstalter klein.

Paul Degott, Anwalt und Reiserechtsexperte
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Rechtsanwalt Paul Degott zur Frage, wer dafür aufkommt, wenn ein Kreuzfahrer wegen eines Streiks sein Schiff verpasst.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Do 08.02.2024 16:10Uhr 15:11 min

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Geld zurück für verspätete Flüge

Ungeachtet von eventuellen Schadenersatzansprüchen wegen ausgefallener Urlaubsfreuden, die man ggf. auch vor Gericht durchsetzen muss, gibt es die Fluggastrechteverordnung der EU. Das bedeutet: Wenn der Flug ausfällt oder die Verspätung ein entsprechendes Maß überschritten hat, gibt es 250, 400 oder 600 Euro je Passagier in Abhängigkeit von der Strecke. Doch obwohl es diese Zahlungen gibt, bleibt die vertragliche Verpflichtung des Veranstalters bestehen, die Reiseleistung auch zu erbringen.

Was ist, wenn ich den Flug zum Schiff separat gebucht habe?

Hier ist natürlich die Dampfschifffahrtsgesellschaft außen vor. Ansprechpartner ist jetzt die Fluggesellschaft, die mich laut Vertrag und Ticket von A nach B fliegen soll. Darauf sollte man auch bestehen und nicht gleich umkehren und die Schadenersatzkeule auspacken oder das Geld für das Ticket zurückwollen, rät Anwalt Paul Degott.

Die Fluggesellschaft als mein Vertragspartner für diese Leistung und verpflichtet, diese auch zu erbringen, egal wer streikt. Bedeutet: Sie muss für die Ersatzbeförderung sorgen und zwar in einem angemessenen Zeitraum, der eher in Stunden zu bemessen ist als in Tagen. Auch für eventuell nötige Übernachtungen muss die Airline sorgen.

Der bessere Weg ist, zu sagen: Du hast den Flug nicht durchgeführt, du bist verpflichtet, mir eine Ersatzbeförderung zu besorgen, die zumutbar ist.

Paul Degott, Anwalt und Reiserechtsexperte

Wenn das Kümmern nicht in einer angemessenen Zeit geschieht, kann man selbst einen Flug organisieren und die Kosten geltend machen. Hier sind Nachweise wichtig, auch für einen eventuellen Rechtsstreit. Und "angemessen" ist auch immer eine Einzelfallbetrachtung. Einem allein reisenden Mittfünfziger wird vom Gericht vielleicht mehr zugemutet, als einer Familie mit einem Säugling. Wichtig: Bei der Kurzstrecke ist eine Ersatzbeförderung mitunter auch der Zug.

Ist es eigentlich egal, wer streikt?

Die Verpflichtung, für die Ersatzbeförderung zu sorgen, hat die Fluggesellschaft zunächst unabhängig davon, wer streikt: Sicherheitspersonal, Airline-eigenes Bodenpersonal, Flugbegleiter oder Piloten. Bei allen weiteren Forderungen wird es schnell unübersichtlich, darin begründet sich auch der Rat von Rechtsanwalt Degott, zunächst auf die Ersatzbeförderung zu bestehen.

Beschäftigte der Mitteldeutschen Flughafen AG gehen während eines Warnstreiks über den Flughafen Leipzig/Halle.
... hier hebt heute kein Flieger ab. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Für eine Entschädigung oder gar Schadenersatz ist es dann nicht mehr egal, wer streikt. Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) ist es entscheidend, ob der Streik für die Airline beherrschbar und vorhersehbar war und ob es sich um ein rein internes Ereignis handelt. Wenn also Fluglotsen oder Flughafenpersonal streiken, könnte das für die Airline eher ein nicht beherrschbares externes Ereignis sein. Bedeutet: Es sind außergewöhnliche Umstände und die Airline ist nicht entschädigungspflichtig, vielleicht aber andere.

Streikt aber das eigene Personal der Fluggesellschaft, weil – wie es Anwalt Paul Degott formuliert – diese quasi ihre Leute schlecht bezahlt, kann internes Ereignis vorliegen. Hier wäre eine Entschädigung denkbar.

Das Risiko der Anreise

Die Anreise von zu Hause zum tatsächlichen Startort der gebuchten Reise geschieht in der Regel auf eigenes Risiko. Das kann der Zug oder ein Mietwagen sein und die Verantwortung bis zum rechtzeitigen Erscheinen am Gate liegt zunächst sehr stark beim Reisenden. Komme ich zu knapp am Flughafen an und ist die Schlange ausgerechnet jetzt zu lang, hätte ich mal besser mehr Puffer eingeplant.

Eine Anzeige an einem Gleis meldet eine Verspätung von 90 Minuten
Wenn der Zug verspätet ist, kann es knapp werden... Bildrechte: picture alliance/dpa/Friso Gentsch

Bedeutet auch: Hat der Mietwagen eine Panne, wird der Betreiber vielleicht das Taxi zum Flughafen bezahlen müssen, nicht aber den verpassten Flug. Gleiches gilt für die Bahn. Mit ihr ist kein weltweiter Beförderungsvertrag abgeschlossen worden. Die Richter werden dem auf Schadenersatz klagenden Reisenden eine gewisse Mitschuld geben, man hätte auch einen früheren Zug nehmen können und gewöhnlich ist die Ankündigung des Bahnstreiks so rechtzeitig, dass man sich um Alternativen kümmern kann. Für diese mag die Bahn ggf. in der Schuld stehen, nicht aber für die ganz am Ende verpasste Kreuzfahrt.  

MDR THÜRINGEN (ifl/ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 08. Februar 2024 | 16:10 Uhr