Stadt Jena Jena: Ein alter Name der Saale lebt weiter
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27. April 2016, 11:11 Uhr
Als Laie würde man nie denken, dass ausgerechnet der Ortsname Jena so unheimlich kompliziert ist. Aber Professor Udolph musste sehr viele Bücher wälzen, um den Ursprung und die Bedeutung zu entschlüsseln.
Für die Erklärung von "Jena" sind die Ortsnamen Groß- und Kleinjena (zwar Sachsen-Anhalt) unverzichtbar für die Ortsnamenerklärung.
Entwicklung des Namens Jena
- ca. 896-899 (A. 11. Jh.) Iani (Hersfelder Zehntverzeichnis; Zuordnung neuerdings bezweifelt, vielleicht auch = Groß-, Kleinjena bei Naumburg)
- 1145 Gene
- 1181 Yen
- 1182 Gene
- 1216 Iehene
- um 1225/40 in Gene
- 1248 Gene
- 1252 Jene
- 1272 in Gene
- 1287 in opido Eine
- 1307 in Jhene
- 1349 Jhene
- 1350 Jene
- 1360 (in) Jhenis
- 1368 Jehne
- 1369 in Jhene
- 1371 die stat czu Yhene
- 1375 ynriten gein Jhene
- 1378 zcu Jhene
- 1417 Ihene
- 1441 Jhena
- 1442 (zhu) Ihena
- 1509 (in) Iena
- 1516 Jena
- 1536 Ihena
- 1549 Ihenna
- 1550 Ihena
Wenigenjena (im heutigen Jena-Ost aufgegangene Siedlung)
- 1257 de Parvo Geine
- 1307 in Parvo Jhen
- 1348/49 Weningem Jhene
- 1359 in Wenigem Jhene
Wüstung bei Großlöbichau
- 1196 in Genz
- 1215 (A. 14. Jh.) monte, qui dicitur Ianzi, sito super Salam
- 1245 Gence
- 1348/49 in Jhencz
- 1416 bie Gencz
Jenzig Berg in Jena
- 1158 montem Genzege
- 1185 de monte qui vocatur Gehnceb[erg]
- 1185 in … Genceberg
- 1215 Ianzi
- 1237 Janzig
- 1266 Genzeke
- 1366 uff deme Janczke
- 1417 bie Gencz
- 1437 uff deme Janczke
- 1455 der Ganczig
- 1503 Ganzk
- 1509 am Ganczk
- 1523 Jantzk
- 1529 am Ganztk
- 1665 Jenzig oder Gänzig
Die eben genannten Namen können nicht getrennt werden von zwei Ortsnamen bei Naumburg, denn diese sind in Deutschland die einzigen sicheren Parallelen:
Großjena, Kleinjena, Ortsteile von Naumburg (in alten Urkunden kaum zu trennen)
- 1012-18 (Kopie 14.Jh.; Thietmar) in urbe, quae Geniun dicitut
- 1033 mercatoribus Genę
- (nach 1150) in sua urbe nomine Gene (Annalista Saxo)
- 12. Jh. in Iena
- 1160 in Slauico Gene
- 1176 apud villam Gene (2mal)
- 1197 in Theotunico Gene … in Teutonico Jene; in Slauico Jêne
- 1226 in Slavico Gene
- 1258 (Kopie 16.Jh.) in villa, que Teutonica Jhene vulgariter nuncupatur
- 1271 (Kopie 16.Jh.) Windeschen Jhene
- 1280 de Slavico Gene
- 1323 in Gene
- 1350 Gene
- 1377 czu Yene
- 1526 zw Kleyne Genhe
- 1529 Groß Jene
- 1540 zu Kleynen Gena
- 1749 Gr. Jena, Klein Jena
- 1816 Groß Jena
- 1817 Klein Jehna, Klein Jena
Die Forschung hat sich schon oft mit diesen schwierigen Namen befasst. Der bisher am meisten vorgeschlagene und in der jüngsten Veröffentlichung auch vertretene Vorschlag denkt an eine Verbindung mit dem Wort Jahn, mhd. jân, mua. Ja(h)n, Jo(h)n, Go/h)n.
Das Wort ist vor allem in süddeutschen Dialekten weit verbreitet und hat ganz unterschiedliche Bedeutungen: "Teil einer bebauten Fläche, den eine Person zur Bestellung oder Aberntung vor sich hat und in einem Gang … erledigt; dann auch Arbeitspensum"; auch der Ertrag einer solchen Fläche wird Jahn genannt. Daneben gibt es zahlreiche Spezialbedeutungen wie "Grasschwade", "Waldstreifen", "horizontale Bahn im Weinberg", "durch Raine abgegrenztes Stück Weingarten", "Arbeitsabschnitt im Weinbau".
Im Langobardischen, einem althochdeutschen Dialekt, erscheint im 8. Jh. der Beleg in jano nostro, et de ipso jano, etwa in der Bedeutung "Wirtschafts-, Ertragsfläche". Aus Hessen stammt ein Beleg gingen an den jan, etwa "Reihe des noch stehenden Getreides beim Kornschnitt".
Die entscheidende Frage ist: Liegt dieses Wort den Ortsnamen an der Saale zugrunde? Wenige Probleme machen die heutige -a-Form in Jena (gegenüber älterem Jene),da hier von einem Einfluss der Kanzleien auszugehen ist; auch der Wechsel im Anlaut zwischen G- und J- kann gut erklärt werden. Auch Jenzig und ähnliche Formen können als slawische Ableitung vom Namen Jena erklärt werden.
Wenn man als Grundbedeutung des Wortes etwa "gehen, Gang" annimmt, kommt man vielleicht zu einer Lösung, die jetzt K. Hengst/P. Wiesinger vorgeschlagen haben: sie sehen in dem Wort mit dem Ansatz jān eine Bedeutung "begehbarer/befahrbarer Durchgang", weiter etwa "Furt oder Fährstelle". Das würde die Lage der beiden Jena-Zentren an der Saale erklären.
Professor Udolph hält diese Deutung für nicht überzeugend. Warum erscheint dieses Wort nur an zwei Stellen an der Saale? Warum nicht an der Unstrut, an der Ilm, an der Weißen Elster usw.? Dort hätte man doch Übergangsstellen und Furten genauso benennen können. Es gibt eine ganz andere und wie Professor Udolph sicher ist bessere Möglichkeit:
Zwischen Jena und den Ortsteilen von Naumburg Groß- und Kleinjena muss eine Beziehung angenommen werden. Sie liegen circa 30 Kilometer voneinander getrennt. Das verbindende Glied ist die Saale, ohne Zweifel. Wir wissen nun, dass jeder größere Fluss ursprünglich nicht nur einen einzigen Namen besessen hat. Dieser hat sich erst, man möchte sagen: auf Kosten anderer Namen, durchgesetzt. Man spricht von Teilabschnittsnamen der Flüsse. Die Saale ist circa 400 Kilometer lang. Zu Beginn der Besiedlung und der Namengebung wurde sie keineswegs von Anfang als Sala/Saale bezeichnet.
Man kann zweifellos zustimmen, dass der Name von allen Jena-Orten etwas mit einer alten Wortwurzel mit der Bedeutung "gehen, sich bewegen" zu tun hat. Und der ursprüngliche Ansatz beider, bzw. aller drei Ortsnamen war zweifellos *Janiā. Sieht man sich nun in Deutschland und Europa nach Namen um, die dieselbe oder eine ähnliche Grundform haben und die etwas mit "bewegen, gehen" zu tun haben, so stößt man auf ein ganzes Dutzend und mehr Namen, die genau beides besitzen: es sind aber Flussnamen, Gewässernamen.
Daraus folgt für die ursprüngliche Bedeutung der Ortsnamen Jena, Großjena, Kleinjena: sie enthalten einen alten Name der Saale, der später von dem Namen Saale verdrängt wurde. Das ist ein Vorgang, den wir dutzendfach in der Gewässernamengebung in Deutschland und weit darüber hinaus beobachten können. Zu mindestens zwischen Naumburg und Jena in Thüringen hieß die Saale einmal Janiā. Er lebt weiter in den Ortsnamen - ein keineswegs seltener Fall.
Literatur-Angabe:
* E. Eichler, H. Walther, Untersuchungen zur Ortsnamenkunde und Sprach- und Siedlungsgeschichte des Gebietes zwischen mittlerer Saale und Weisser Elster, Berlin 1984, S. 170.
* R. Fischer, Der Name Jena, in Beiträge zur Namenforschung 4 (1953), S. 175-179.
* K. Hengst, Jena;in: Deutsches Ortsnamenbuch, hrsg. von M. Niemeyer, Berlin-Boston 2012, S. 296.
* K. Hengst, P. Wiesinger, Die Jena-Namen in Thüringen in sprachgeschichtlicher, dialektologischer und historischer Sicht, in: Beiträge zur Namenforschung 51 (2016), S. 3-38.
* Über Jena - Das Rätsel eines Ortsnamens. Hrsg. u. kommentiert von N. Nail und J. Göschel, Stuttgart 1999.
* J. Udolph, Die Stellung der Gewässernamen Polens innerhalb der alteuropäischen Hydronymie, Heidelberg 1990, S. 126-128.
* J. Udolph, Besprechung des Buches Über Jena, in: Namenkundliche Informationen 77/78(2000)238-240.
* H. Walther, Namenkundliche Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Saale- und Mittelelbegebietes bis zum Ende des 9. Jahrhunderts, Berlin 1971, S. 244.
* M. Werner, Die Anfänge der Stadt Jena und die Stadtkirche St. Michael, in: V. Leppin/M. Werner, Inmitten der Stadt. St. Michael in Jena - Vergangenheit und Gegenwart einer Stadtkirche, Petersberg 2004, S. 9-60.