Der Redakteur | 16.02.2024 Warum fliegen beim Fußball derzeit Tennisbälle?
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16. Februar 2024, 18:42 Uhr
Die Protest-Tennisbälle sind nur das äußere Zeichen für ein grundsätzliches Problem. Unsere deutsche Vereinskultur und der Kommerzfußball passen nicht so richtig zusammen. Und nun kommen auch noch die "Heuschrecken" und fressen das letzte Grün.
Ein deutscher Sportverein wird von seinen Mitgliedern getragen. Diese wählen ihre Vertreter, also unter anderem den Vorstand. Die Mitglieder reden auch mit und bestimmen über die Ausrichtung und Ziele des Vereins. So ist es auf dem Dorf und eigentlich auch in einem Bundesligaverein.
Nun ist jedem klar, dass man mit der Vereinsstruktur des SV Kleinkleckersdorf nicht in der Bundesliga und schon gar nicht international mithalten kann. Deshalb sind Ausgliederungen des Profibetriebs eines Vereins und andere kommerzialisierende Schritte mehr oder weniger zähneknirschend akzeptiert worden. Aber über allem steht am Ende immer noch die sogenannte 50+1-Regel als zementierter Pfeiler im deutschen Fußball, wonach der Verein mit seinen Mitgliedern letztlich auch bei der ausgegliederten Profi-Fußball-GmbH das letzte Wort hat.
Dass es in der Praxis mitunter nicht ganz so ist und die "Werksclubs" Wolfsburg, Leverkusen, Leipzig und Hoffenheim ohnehin mit einem Sonderzug unterwegs sind, das wird von vielen Fans bekanntlich mit Missachtung dieser Vereine bestraft.
Was ist der aktuelle Konflikt?
Nun blicken besonders die großen Bundesligavereine schon geraume Zeit neidisch in die Geldtöpfe der britischen und französischen Spitzenclubs. Dort ist die Vereinsmeierei nicht so ausgeprägt, Investoren waren willkommen. Ein solches Investment kann in einzelnen Clubs geschehen oder gleich in der ganzen Liga.
Letzteres ist in Deutschland geplant. Die Deutsche Fußballliga (DFL) als Veranstalter der Ersten und Zweiten Bundesliga wird getragen von den 36 dort spielenden Vereinen. Sie will - verkürzt gesagt - ihre internationalen Medienrechte mit dem Geld von Investoren noch besser vermarkten. Da geht es um Streaming und Fernsehen, zum Beispiel in Asien. Die Märkte dort sind riesig und versprechen hohe Renditen und davon bekommen dann eben auch die Investoren etwas ab.
Die DFL schreibt, dass lediglich eine zeitlich begrenzte Minderheitsbeteiligung eines Partners geplant sei "über 20 Jahre in Höhe von maximal acht Prozent an den Lizenzerlösen aus der Verwertung der kommerziellen Rechte der DFL (v.a. Medienrechte sowie zentrale Sponsoring- und Lizenzrechte)."
Konkret bleiben hoheitliche Rechte und Aufgaben der DFL sowie die Einflussnahme und Mitwirkungsrechte der Clubs jederzeit vollumfänglich gewahrt.
Doch die Mitgliedervertreter, also die aktiven Fans, stören sich schon an der Zeitschiene. Wer weiß schon, was in 20 Jahren ist? Siehe die fanlose Coronazeit. Auch sei völlig unklar, was da alles auf uns zukommt. Spielen wir dann nachts, damit die Welt zuschauen kann oder gar in China?
Die DFL dementiert zwar, dass es solche Überlegungen oder gar Mitbestimmungsrechte der Investoren gibt, aber in England sehen alle, wohin der Weg des Geldes führen kann. Englische Fußballfans kommen heute nach Deutschland, um ein bezahlbares Stadionerlebnis zu haben mit Gesängen, Stehplätzen und Fahnen und dem echten Fußballflair. Was es eben nur auf den "billigen (Steh-)Plätzen" gibt.
Die Engländer sagen, bei euch kann man sich den Stadionbesuch noch leisten. Und gucken Sie sich an, wie zerklüftet dort der Spieltag ist. Nur, um jedes Spiel im TV übertragen zu können, spielen die auch Sonntagmittag.
Wie wurden denn die Fanvertreter und Vereinsmitglieder beteiligt?
Grundsätzlich haben die Proteste auch etwas damit zu tun, wie die Fanvertreter in dem bisherigen Verfahren mitgenommen worden sind. Wieder einmal ist das Vertrauen dahin. Das kennen wir schon aus der Politik. Das letzte Gesprächsangebot der DFL war auch auf dieser vertrauenslosen Ebene angesiedelt, nach dem Motto: Wir sind gesprächsbereit und wir erklären es euch noch mal. Das sei kein Gesprächsangebot, sagt Fanvertreter Jost Peter.
Aktive Fans beschäftigen sich seit Jahren mit diesen Themen und sind keine kleinen Dummis, die von der Tribüne dazwischenrufen.
Nun muss man dazusagen, dass nicht nur seitens der DFL, sondern auch in den einzelnen Vereinen nicht durchgehend die große Transparenz gepflegt wird. Das heißt: Es haben nicht alle Vereine proaktiv ihre Fans eingebunden, so der Vorwurf der Fanvertreter Jost Peter und Ulrich Schönfuß.
Der Gipfel war dann aber am Ende aber die Abstimmung innerhalb der DFL im Dezember, wo mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde, diesen Investorenweg zu gehen. Kurz vor der Abstimmung wurde diese zu einer Geheimabstimmung gemacht und dann stimmten von den 36 Clubs 24 dafür, die Zweidrittelmehrheit wurde also auf den Punkt erreicht.
Wer hat dafür gestimmt und wer dagegen?
Rechnerisch hatten sich anschließend die zwölf Vereine, die nicht dafür gestimmt haben, gemeldet. Plus Hannover 96 als Nummer 13. Der Verein hat seinem Vertreter nämlich auch den Auftrag gegeben, das Investorenmodell abzulehnen, also mit "nein" zu stimmen. Im Fokus: Martin Kind, umstrittener Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH und Geldgeber von Hannover 96.
Der Gesamtverein hat Herrn Kind beauftragt, mit "nein" zu stimmen.
Ob er das auch getan hat oder nicht, das weiß niemand. Aber wer 12+1 rechnen kann, der merkt, dass die Gleichung nicht aufgeht. Natürlich kann auch statt Kind ein Vertreter der zwölf Vereine, die dem Investorenmodell nicht zustimmen wollten, in der geheimen Abstimmung dafür votiert haben. Nur auch das wäre nicht satzungsgemäß, und wir reden hier von der DFL-Satzung.
Gegen Kind spricht: Es ist kein Geheimnis, dass er ein Freund des Investorenmodells ist und erklärter Gegner der 50+1-Regel, bei der die Vereinsmitglieder das letzte Wort haben. Im Ergebnis der Diskussion rund um die Abstimmung fordern deshalb immer mehr Vereine, die Abstimmung offen und transparent zu wiederholen. Sogar das Bundeskartellamt will sich "mit den jüngsten Entwicklungen hinsichtlich der Anwendung der 50+1-Regel durch die DFL vertraut machen".
Denn am Ende ist es wie auf dem Platz: Es gibt Regeln und die müssen eingehalten werden. Es gibt nun einmal die 50+1 Regel aus guten Gründen. Wenn der nicht unbegründete Verdacht besteht, dass sich Beteiligte nicht an die Regel gehalten haben, dann kann sich niemand hinstellen und behaupten: Es ist alles demokratisch gelaufen, die Investoren-Entscheidung steht, China wir kommen! Bis diese Transparenz hergestellt ist, dürften weiter die Tennisbälle fliegen, oder die Fanszene lässt sich noch etwas Kreativeres einfallen.
MDR (dvs,lou)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 16. Februar 2024 | 16:40 Uhr
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