Unternehmen, die der Osten groß gemacht hat
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12. Mai 2020, 11:35 Uhr
Einige Unternehmen aus dem Westen sind durch den Osten groß geworden. Denn mit der Wiedervereinigung eröffnete sich den westdeutschen Unternehmen quasi über Nacht ein gigantischer Markt: 16 Millionen Neukunden. Drei Beispiele.
Kaufland
Die Handelskette Kaufland hatte im Herbst 1990 lediglich 51 Filialen im Südwesten Deutschlands und eine in Meißen. Bis 1997 wurden 100 Ost-Filialen eröffnet, der Umsatz stieg dabei um das Hundertfache (Ost: von 50 Millionen auf 5,2 Milliarden D-Mark). Seitdem ist Kaufland Marktführer im Osten und hat hier ein viel dichteres Netz als im Westen - mehr als 200 seiner 660 Filialen stehen in den neuen Bundesländern. Mit diesem Rückenwind ist Kaufland deutschlandweit sogar auf Platz fünf vorgerückt. Vor allem die Discounter profitieren vom Osten, denn hier trifft ungebremste Kauflust auf schmalem Geldbeutel - die ideale Zielgruppe für Billiganbieter.
Ranking der großen Einzelhandelsketten nach Umsatz 2016
- Edeka 37 Mrd.
- ALDI 28 Mrd.
- Rewe 25 Mrd.
- Lidl 22 Mrd.
- Kaufland 15,3 Mrd.
Höffner
Damals machten noch andere eher kleine Firmen im Osten das Geschäft ihres Lebens, denn aus wirtschaftlicher Sicht war Ostdeutschland eine gigantische Marktlücke. Einer, der damals den Grundstock für ein kleines Imperium geschaffen hat, ist Kurt Krieger (70), der Besitzer von Möbel Höffner. 1990 hatte er ein einziges Möbelhaus und das stand kurz vor der Pleite. Dann fiel die Mauer. Kurt Krieger erkannte und ergriff die Chance und expandiert. Aus einem Möbelhaus wurden 20. Aus 300 Mitarbeitern 10.000. Kriegers Firma gehörte zu den Handelsketten, die den Osten unter sich aufteilen. Doch er bleibt eine Ausnahme. Krieger gefällt sich nicht in der Rolle des bloßen Profiteurs. Er ist einer der wenigen westdeutschen Unternehmer, die ihren Firmensitz nach Ostdeutschland verlegt haben. Ein Glücksfall für Waltersdorf, eine kleine Gemeinde bei Berlin. Bürgermeisterin Renate Pillat erninnert sich noch gut an den etwas hemdsärmeligen Deal:
Krieger sagte: Aber ich brauche das Hochregal-Lager, ich muss das auch hier an der Stelle haben. Wir wollen den Osten beliefern. Wir brauchen das. Dann haben wir gesagt: Herr Krieger, wir müssen uns Ihr Hochregal-Lager schön gucken. Holen Sie Ihren Firmensitz hierher. Dann reden wir über das Hochregal-Lager. Dann sagte er: Darüber muss ich nachdenken, ich habe viele Mitarbeiter, die aus Berlin kommen. Dann kam er wieder und sagte: Okay, ich hole die Firma hierher und Sie machen einen niedrigen Gewerbesteuersatz. Dann haben wir uns die Hand gegeben. Irgendwie kurios. Handschlag - nix Vertrag. Und bis heute halten sich beide Seiten daran.
Allianz
Zu den Profiteuren der Wiedervereinigung gehören auch bereits erfolgreiche Unternehmen. Denn Anfang der 1990er-Jahre sind es die großen Konzerne, die Stabilität und Hoffnung ausstrahlen. Und genau das wird gesucht. So gelingt dem Allianz-Konzern ein glänzendes Geschäft. Damals stehen alle großen Versicherer im Osten Schlange. Über 100 Unternehmen wollen etwas abhaben vom großen Kuchen. Es herrscht Goldgräberstimmung.
Der Allianz gelingt ein Coup: Sie schlägt der staatlichen Versicherung der DDR eine Gesamtübernahme vor. Und schnell herrscht Einvernehmen. Natürlich wird Kritik laut. Die anderen Interessenten wollen das Feld nicht kampflos räumen. Doch im Juni 1990 schließen die Allianz und die Staatliche Versicherung den Exklusiv-Vertrag. Alle DDR-Versicherungsverträge werden 1:1 übernommen. Die Allianz wird über Nacht im Osten zum unumstrittenen Marktführer. Dass der große Deal der Allianz nicht nur Vorteile gebracht hat, zeigt sich 2002 und 2013. Nach den Hochwasserkatastrophen an Elbe und Oder, bei dem viele Häuser beschädigt wurden, musste der Versicherer tief in die Tasche greifen. Elementarschäden waren in den DDR-Policen mit abgedeckt.
Dieser Artikel erschien zuerst am 02.06.2018.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch in "Wer braucht den Osten": TV | 12.05.2020 | 22:00 Uhr