Mehr als "Dr. Heilmann" Thomas Rühmann: Leben vor und nach 1989
Hauptinhalt
01. Oktober 2019, 09:08 Uhr
Eigentlich will Thomas Rühmann Journalist werden - doch während des Studiums an der damaligen Karl-Marx-Universität kommen ihm Zweifel an dem System, über das er berichten soll. Auf die Schauspielbühne gelangt er eher spontan, wird dann aber Ensemblemitglied am Maxim Gorki Theater. Doch nach der Wiedervereinigung geht es ihm so wie vielen: Thomas Rühmann wird arbeitslos.
Ein Millionenpublikum kennt den Schauspieler Thomas Rühmann im weißen Kittel als Chefarzt Dr. Roland Heilmann aus der "Sachsenklinik". Seit der ersten Folge verkörpert er den charismatischen Arzt in der ARD-Serie "In aller Freundschaft", die wöchentlich ausgestrahlt wird. Die bislang erfolgreichste Krankenhausserie heimste schon etliche Preise ein: 2008 und 2018 die Goldene Henne sowie 2014 den Bambi. "Ich hätte zu Kinderzeiten nie gedacht, dass ich mal fürs Doktorspielen einen Preis erhalte", sagte Rühmann, als er mit seinen Kollegen das goldene Reh entgegennahm.
Kindheit in Magdeburg
Geboren ist Rühmann 1955 in der Altmark. Seine Kindheit verbringt er in Magdeburg, in einer Großfamilie mit sechs Geschwistern. Als er sechs Jahre alt ist, stirbt seine Mutter. Eine frühe Verlusterfahrung, die ihn prägt. Doch der Vater findet eine Frau, die die Kinder akzeptiert, ihnen Liebe und eine glückliche Kindheit schenkt. Auch in der DDR, einem Land, dass für alle sorgen wollte, fühlt sich Thomas Rühmann zunächst aufgehoben.
Unser Vater war Historiker, er hat Geschichtslehrer ausgebildet. Das heißt, er war jemand, der das System als sein System genommen hat und das hat er auch auf uns Kinder übertragen. Ich war wie viele Thälmannpionier. Aber ich war auch begeisterter Thälmannpionier und ich war auch Freundschaftsratsvorsitzender in der Schule. Dass es dann später anders wurde, steht auf einem anderen Blatt. Aber das gehört auch zu dieser glücklichen Kindheit dazu.
Schauspieler statt Journalist
Mit 18 Jahren geht Rühmann zur Armee. Gleich am ersten Tag werden ihm seine langen Haare abgeschoren, auf dem Kasernenflur. Die Zeit übersteht er, indem er unter dem Kasernenbett versteckt Bücher liest. Nach der Armeezeit beginnt er sein Journalistik-Studium in Leipzig, will das Leben in der DDR beschreiben. Doch während des Studiums wachsen die Zweifel. Rühmann kämpft mit den ideologischen, wenig kreativen Inhalten. Zum ersten Mal steht er bei einer Amarteurtheateraufführung auf der Bühne, ein Freund hatte ihn mitgenommen. Thomas Rühmann springt spontan für einen erkrankten Schauspieler ein. Eine Initialzündung: Thomas Rühmann gibt das Journalistikstudium auf. Entscheidet sich für den frecheren, wilderen Schauspielerberuf, "in dem man nicht so von Außen geprägt ist". Er studiert an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Wird 1982 festes Ensemblemitglied am Maxim Gorki Theater.
Vom Theater auf den freien Markt
Als es anfängt, in der DDR spannend zu werden, ist Thomas Rühmann dabei. Zum einen im Theater, zum anderen aber auch bei dem Demonstrationen auf der Straße. Als die Wende kommt, bleibt er am Maxim Gorki Theater. Zuvor hatten alle Schauspieler niedrige Gagen. Plötzlich gelten die Westtarifverträge. Alle bekommen doppelt so viel Geld, können sich größere Wohnungen leisten. Langsam beginnt bei Thomas Rühmann der Prozess, mit den neuen Verhältnissen umzugehen. Doch dann kommt Mitte der 1990er-Jahre der Bruch: Thomas Rühmann wird entlassen, hineingeworfen ins Gerangel um Rollen und Rampenlicht. "Und da wusste ich nicht, was mache ich jetzt."
Rolle in der "Sachsenklinik"
Mit der ersten Zeit als Freischaffender setzt aber auch die Zufriedenheit ein. Rühmann beweist schauspielerische Vielseitigkeit, unter anderem in Filmen und Serien wie "Tatort", "Polizeiruf 110", "Praxis Bülowbogen", "Freunde fürs Leben", "Plötzlich Millionär" und "Post Mortem". Von Anfang an ist er Chefarzt in der Serie "In aller Freundschaft". 2002 wird er als beliebtester Serienschauspieler mit dem Medienpreis "Goldener Wuschel" ausgezeichnet. Für "Geschichte Mitteldeutschlands - Das Magazin" schlüpft Thomas Rühmann im Sommer 2014 in die Rolle des DDR-Anwalts Wolfgang Vogel.
Musiker und Kreativer
Doch Thomas Rühmann ist und kann viel mehr. Er betreibt ein eigenes Theater in Zollbrücke am Oderbruch. Im "Theater am Rand" gibt es keinen festen Eintritt, sondern jeder Zuschauer entscheidet am Ende des Abends, was ihm die Theateraufführung wert war.
Außerdem singt der dreifache Vater Lieder und tourt seit vielen Jahren mit den Texten der ostdeutschen Liedermacher Wenzel und Gundermann durch mittelgroße Säle. Unter dem Titel "Falsche Lieder" interpretiert er die Stücke mit der Musik von Neil Young, Mumford & Sons, Bon Iver oder Lambchop neu. Nach seinem Tapetenwechsel ist Thomas Rühmann nicht mehr "nur" Theaterschauspieler, sondern Musiker, Kreativer, Träumer - und ein Fernsehstar mit Bodenhaftung.
Eigentlich gibt’s ein östliches Prinzip, das Prinzip „den Ball flachhalten“. Und das hat unsere Mutter uns Kindern, uns sieben Kindern, beigebracht und ich bin auch heute damit gut gefahren. Natürlich braucht man als Schauspieler diese Eitelkeit und wenn man auf der Bühne stehen will, muss man auch schon eine große Klappe haben. Aber im täglichen Umgang mit Kollegen, zum Beispiel beim Drehen oder so, da hilft es mir einfach, dass ich aus Sachsen-Anhalt komme und dass die Sachsen-Anhaltiner den Ball flach halten.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 24. Juli 2019 | 16:00 Uhr