Datenauswertung Redeanteile und Themen ostdeutscher Abgeordneter im Deutschen Bundestag

12. Mai 2020, 10:54 Uhr

Vielerorts wird kritisiert, dass sich ostdeutsche Interessen in der Bundespolitik nicht wiederfinden. Diese Kritik entzündet sich häufig auch an der Frage, wie Ostdeutsche auf Bundesebene repräsentiert sind. Wie steht es tatsächlich um die Beteiligung Ostdeutscher im Bundestag und an den Plenardebatten? Und zu welchen Themen sprechen ostdeutsche Bundestagsabgeordnete?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, wurden die Plenarprotokolle des Bundestages der letzten Legislaturperiode ausgewertet. Rein zahlenmäßig sind die Ostdeutschen im deutschen Parlament leicht unterrepräsentiert. Obwohl sie 17,2 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung ausmachen, stammen nur 14,6 Prozent der Abgeordneten aus Ostdeutschland. Die ostdeutschen Abgeordneten halten insgesamt auch etwas weniger Reden als es ihrem Anteil im Parlament entsprechen würde: 14,2 Prozent.

Ostdeutsche Abgeordnete: "Rede-Abo" auf "weiche" Themen

Auffälliger ist, dass sich dieser Anteil nicht gleichmäßig auf die politischen Sachthemen verteilt. Die Fraktionen selbst entscheiden in der Regel, welche Politiker mit ihrem Wissen zu einem bestimmten Thema an das Mikrofon des Bundestages treten dürfen. Es gibt allerdings Themen, bei denen ostdeutsche Parlamentarier selten gefragt sind. Kaum zu Wort kommen sie, wenn es um sogenannte "harte" Themen geht. So halten ostdeutsche Abgeordnete nur sieben Prozent der Reden zur Verteidigungs- und Entwicklungspolitik und nur zwölf Prozent der Reden zur Außenpolitik. Und obwohl Verkehrspolitik seit 1990 ein besonders wichtiges Thema für den wirtschaftlichen und infrastrukturellen Aufbau im Osten ist, liegt auch hier der Redeanteil ostdeutscher Parlamentarier nur bei zwölf Prozent. Auch die Redeanteile zu den Themen Wirtschaft, Umwelt und Energie liegen unter dem Anteil der Sitze im Parlament.

Ostdeutsche Bundestagsabgeordnete sprechen vor allem zu "weichen" Themen überproportional häufig, zum Beispiel zur Kultur (34 Prozent) oder zum Themenkomplex "Sport, Freizeit, Tourismus" (33 Prozent). Auf Platz 1 ist das Thema "Neue Bundesländer" – doch auch zu diesem Schlagwort wird etwa jede zweite Rede von einem Ostdeutschen gehalten (53 Prozent).

Methodik Für die Datenauswertung wurden die 245 Plenarprotokolle des 18. Deutschen Bundestages maschinell ausgewertet. Plenarprotokolle werden vom Bundestag frei zugänglich unter www.bundestag.de/service/opendata bereitgestellt. Der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. hat auf der Internetseite www.offenesparlament.de die Plenarprotokolle nach Rednerinnen und Rednern sowie nach Themengebiet des Redebeitrags verschlagwortet. Dadurch konnte nach 28 Sachthemen unterschieden werden. Die maschinelle Auswertung erfolgte durch ein Skript, das die Daten der Internetseite in eine eigene Datenbank überführt und systematisch für eine Auswertung aufbereitet hat.

Die 14.710 Redebeiträge der Legislaturperiode wurden (teilweise mehreren) Themen sowie den 630 gewählten Mitgliedern des Bundestages zugeordnet. Das alphabetische Verzeichnis der gewählten Bundestagsabgeordneten der Bundestagswahl 2013 liegt beim Bundeswahlleiter. Nachrücker wurden dabei nicht berücksichtigt. Präsidenten und Vizepräsidenten des Bundestages werden bei der thematischen Zuordnung der Reden ebenfalls nicht berücksichtigt. Namenswechsel durch Heirat während der Legislaturperiode wurden beachtet.

Mithilfe der Lebensläufe aller Abgeordneten auf den Internetseiten des Bundestages konnte für jeden die Herkunft ermittelt werden. Als "ostdeutsch" werden hier jene Abgeordnete bezeichnet, die bis 1990 in der DDR aufgewachsen sind oder dort mehr Lebenszeit verbracht haben als in der Bundesrepublik. Dies gilt außerdem für jüngere Abgeordnete, die nach 1990 in den neuen Bundesländern geboren wurden und die meiste Zeit dort lebten und durch ihr Umfeld entsprechend "ostdeutsch" sozialisiert wurden.

Datenauswertung im Rahmen des MDR-Projekts "Wer braucht den Osten?", im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks: Hoferichter & Jacobs Film- und Fernsehproduktion, Kantstraße 43, 04275 Leipzig, info@hoferichterjacobs.de.

Artikel wurde zuerst veröffentlicht am 28.05.2018.


Über dieses Thema berichtet der MDR auch in: "Wer braucht den Osten?" | 12.05.2020 | 22:05 Uhr