18. Mai 1965 | Die Queen in Deutschland
Staatsbesuch 1965 Als der Osten die Queen entdeckte
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08. September 2022, 20:53 Uhr
Im Mai 1965 ist ganz Westberlin aus dem Häuschen: Queen Elizabeth II. ist da! Zum allerersten Mal in Deutschland. Doch nicht nur in Westberlin, sondern auch auf der anderen Seite der Mauer freuen sich die Menschen über den royalen Besuch - wenn auch nur als Zaungäste.
Ein royales Statement am Brandenburger Tor
1965 ist die Queen die "Prominente" überhaupt: Eine hübsche Frau mit Hut, elegant und modisch gekleidet, umgeben von einer Aura aus Glanz und Gloria. Als sie am 18. Mai 1965 auf dem Flughafen Köln/Bonn landet, wird Queen Elizabeth II. mit 21 Salutschüssen begrüßt. Vor ihr liegen mehr als 3.000 Kilometer Wegstrecke durch Deutschland - durch Westdeutschland. Hunderttausende Menschen wollen die junge schöne Königin sehen. Ganze elf Tage reist Queen Elizabeth II. mit ihrem Ehemann Prinz Philip durch die Bundesrepublik, bis die königliche Jacht von Hamburg Richtung England ablegt.
In die DDR reist die Queen nicht, aber sie fährt bis fast an die Mauer ran. Aus dem offenen Wagen wirft sie einen Blick auf sie andere Seite. Ihr Mann, Prinz Philipp, winkt rüber.
Queen-Fan Gisela Tatsch verfolgt den Besuch vor dem Fernseher
In Westberlin sind viele auf den Straßen, um der Queen zuzujubeln. Aber auch Gisela Tatsch, die 1965 jenseits der Mauer lebt, ist begeistert. Die damals 15-Jährige will den Besuch der britischen Königin um keinen Preis verpassen. Nach den Beatles ist die Queen für sie das Tollste weit und breit.
Doch zum Brandenburger Tor pilgern, nur um einen Blick auf die Königin zu erhaschen - so weit reicht die royale Liebe bei Gisela Tatsch dann doch nicht. Deswegen bezirzt die Jugendliche ihren Vater so lange, bis der einen Fernseher kauft. Tag für Tag sitzt die Familie dann vor der Flimmerkiste und verfolgt jeden Schritt der Monarchin, die plötzlich so nah zu sein scheint.
Man hat sich für die Queen interessiert, weil es war ein Stück aus einer anderen Welt, die nicht zugänglich war. Und ja, da kommt dann so eine Frau, die ein Land repräsentiert, so dass man am Liebsten hingehen würde und sagen: 'Nimm mich mit als Au-Pair-Mädchen oder was auch immer.' Geht natürlich nicht, aber man will es sich wenigstens angucken.
Der Queen-Besuch schürt Konkurrenz
Die Erstvitsite der Queen steht 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Zeichen der Versöhnung. In Berlin ist Willy Brandt als regierender Bürgermeister ihr Gastgeber, er will alte Vorbehalte abbauen und neue Verbindungen festigen.
In der DDR wird dies mit Häme bedacht: Karl Eduard von Schnitzler, Chefideologe des DDR-Fernsehens und Moderator des "Schwarzen Kanals", zieht über den Besuch der Queen beim Klassenfeind her. Doch die Polemik richtet sich weniger gegen ihre Majestät, als gegen die Bundesrepublik. 1965 will die DDR Großbritannien nicht verärgern, sondern an einer guten Beziehung arbeiten. So eröffnet der Schwermaschinenbau 1965 in London eine Filiale und eine ostdeutsch-britische Gesellschaft umgarnt an der Themse die angelsächsischen Linken.
Ostdeutschland entdeckt die Queen 27 Jahre später
Die andere Seite des Brandenburger Tors und damit ihre ostdeutschen Fans lernt die Queen erst 1992 kennen - 27 Jahre nach ihrem ersten Besuch in Deutschland. Bei ihrem ersten Besuch nach dem Fall der Mauer besuchte die Queen Berlin, aber auch Leipzig, Dresden, Potsdam und Köln. Ein weiterer Staatsbesuch folgte im Jahr 2004, zuletzt war Queen Elisabeth II. im Sommer 2015 in Deutschland zu Besuch.
(Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Fernsehen am 23.06.2015. Dieser Text erschien ebenfalls erstmals 2015.)