Oskar Lafontaine (Deutschland/Fraktionsvorsitzender Die Linke) und Lothar Bisky (re., Deutschland/Die Linke/Parteivorsitzender) auf dem Gründungsparteitag der Linken in Berlin
Oskar Lafontaine und Lothar Bisky auf dem Gründungsparteitag der Linken 2007 Bildrechte: imago/Christian Thiel

Wie DIE LINKE gegründet wurde

17. Juni 2021, 12:06 Uhr

Am 16. Juni 2007 vereinigten sich westdeutsche WASG und ostdeutsche PDS zur Partei DIE LINKE. Ein alter Traum der Arbeiterschaft nahm Gestalt an: die Einheit der Linken. Wenn auch zunächst nur in Gestalt einer Gruppierung links der SPD. Durch das Zusammengehen mit der WASG konnte die einstige Staatspartei SED nun auch im Westen Fuß fassen.

Mit der Fusion von PDS und WASG zur Partei DIE LINKE am 16. Juni 2007, so jubelten Vertreter beider Parteien damals, nimmt ein alter Traum der deutschen Arbeiter endlich Konturen an: die Einheit aller Linken. Bereits mit der Verschmelzung von Sozialdemokraten und Kommunisten zur SED in der Sowjetischen Besatzungszone im April 1946 schien dieser Traum Wirklichkeit geworden zu sein. Doch die Sozialdemokraten waren damals zur Vereinigung gezwungen worden. Und spätestens mit dem Scheitern des Sozialismus in den Farben der DDR schien es mit der Einheit der Linken für lange Zeit vorbei zu sein. Nun stand sie aber plötzlich wieder auf der politischen Tagesordnung, wenn auch zunächst nur in Gestalt einer Gruppierung links der SPD. Und keiner hatte dabei die alten Fehler wiederholen wollen. "Das begann damit, dass wir streng auf die Parität bei der Besetzung aller Partei- und Wahlämter geachtet haben", erinnerte sich 2017 Bodo Ramelow in einer Festschrift der Linken zum Gründungsjubiläum der Partei. "Viel wichtiger war aber, dass wir uns über zwei Jahre Zeit genommen haben für diesen schwierigen Prozess. Wir mussten voneinander lernen und unsere unterschiedlichen Erfahrungen zur Kenntnis nehmen."

Ministerpräsident Bodo Ramelow und Gregor Gysi Die LINKE
Bodo Ramelow und Gregor Gysi 2019 Bildrechte: imago images/Karina Hessland

PDS kann sich im Westen Deutschlands nicht etablieren

Mit dem raschen Verfall der DDR und dem Prozess der deutschen Vereinigung 1990 hatte für die von Gregor Gysi und Hans Modrow reformierte SED der Kampf um das politische Überleben begonnen. Auf Wahlerfolge konnte sich die Partei kaum Hoffnungen machen. In der ersten freien Volkskammerwahl im März 1990 konnte sie immerhin noch 16,4 Prozent der Stimmen erzielen. Spätestens mit der Deutschen Einheit war die PDS jedoch gezwungen, schnell gesamtdeutsche Strukturen aufzubauen. Während der Umbau im Osten noch relativ problemlos verlief, misslang eine Etablierung im Westen. Weder Grüne noch SPD mochten mit der ehemaligen Staatspartei kooperieren.

Bundeskanzler Gerhard Schröder steht ungewollt Pate

Spätestens nach der Bundestagswahl 2002, bei der die PDS mit vier Prozent an der Sperrklausel scheiterte und nur noch zwei direkt gewählte Abgeordnete ins Parlament entsenden konnte, drohte den Genossen über kurz oder lang das Dasein einer ostdeutschen Regionalpartei. Dann aber half ihnen ausgerechnet der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder 2004 mit seiner angekündigten Reform des Sozialstaates aus ihrem Dilemma. Denn aus Protest gegen die Agenda 2010 verließen zahlreiche Sozialdemokraten und Gewerkschafter die SPD und schufen sich eine neue politische Heimat – in der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG).

Bundeskanzler Gerhard Schroeder , SPD , vor dem Schriftzug Wachstum . Berlin , den 17.11.2004
Bundeskanzler Gerhard Schröder 2004 Bildrechte: imago/photothek

Der Verein Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG)

Die WASG hatte sich 2004 zunächst als Verein gegründet und im Januar 2005 als Partei konstituiert. Die WASG war getragen von der "Leitidee der sozialen Gerechtigkeit", wie es in ihrem Gründungsaufruf heißt. Sie propagierte den Sozialstaat alter bundesdeutscher Prägung mit staatlichen Investitions- und Beschäftigungsprogrammen. Es war alles ein bisschen wie bei der IG Metall. Doch trotz zahlreicher Beitritte blieb die WASG eine marginale Partei, die sich kaum Chancen ausrechnen konnte, jemals in den Bundestag einzuziehen. Die Strategen der PDS hatten jedoch schnell erkannt, welch große Chance sich ihnen mit der linken westdeutschen Partei bot.

Oskar Lafontaine und die Vereinigung von PDS und WASG

Im Mai 2005 verlor die SPD die Landtagswahlen in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen. Bundeskanzler Gerhard Schröder kündigte daraufhin überraschend vorgezogene Bundestagswahlen für den 18. September 2005 an. In dieser Situation forderten Gregor Gysi und der Oskar Lafontaine, zügig eine gesamtdeutsche Linke zu formieren, die Chancen hätte, in den Bundestag einzuziehen. Der einstige SPD-Chef bot an, gemeinsam mit Gysi eine Wahlplattform aus ostdeutscher PDS und westdeutscher WASG anzuführen. Die PDS müsse sich vorher lediglich in Linkspartei umbennen. Dieses Wahlbündnis sollte die Vorstufe einer neuen Partei darstellen. Am 18. Juni 2005 trat Oskar Lafontaine schließlich der WASG bei und löste umgehend eine enorme Beitrittswelle bei beiden Parteien aus. Mit ihm verfügten die ostdeutschen Genossen nun endlich auch über eine im Westen populäre und medienwirksame Persönlichkeit.

Wer waren die Gründungsväter der Partei DIE LINKE

Die Gründungsväter der Linkspartei waren Gregor Gysi von der PDS sowie der ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine.

Wahlbündnis aus WASG und PDS für die Bundestagswahl 2005

Im Sommer 2005 stimmten sowohl die WASG als auch die PDS auf ihren Parteitagen einem Wahlbündnis unter Führung der Linkspartei.PDS zu. Kandidaten der WASG durften auf den offenen Listen der ostdeutschen Partei für die Bundestagswahl im Herbst kandidieren. Als Spitzenkandidaten traten wie angekündigt Oskar Lafontaine und Gregor Gysi an. Und die beiden hatten tatsächlich Erfolg, denn das Wahlbündnis gewann immerhin 8,7 Prozent der Wählerstimmen und konnte mit 54 Abgeordneten in den Bundestag einziehen. Es war damit sogar noch stärker als die Grünen. Unter dem Namen DIE LINKE etablierte sich eine Bundestagsfraktion, die die Fusion von WASG und PDS bereits vorwegnahm und selbstbewusst verkündete, sämtliche linken Kräfte in Deutschland zu vertreten.

V.l.n.r.: Klaus Ernst (Stellvertretender Fraktionsvorsitzender), Lothar Bisky (Bundesvorsitzender), Oskar Lafontaine (Fraktionsvorsitzender) und Gregor Gysi (Fraktionsvorsitzender) (alle GER/Linkspartei.PDS) anlässlich des WASG Bundesparteitags in Dortmund
Klaus Ernst (WASG), Lothar Bisky (PDS), Oskar Lafontaine (WASG) und Gregor Gysi (PDS) beim WASG-Bundesparteitag 2007 in Dortmund Bildrechte: imago/Rainer Unkel

Berlin, 16. Juni 2007: DIE LINKE wird gegründet

Nachdem auf parallel tagenden Bundesparteitagen in Dortmund die Delegierten beider Parteien am 25. März 2007 mit großer Mehrheit dem "Verschmelzungsvertrag" zugestimmt hatten, fand am 16. Juni 2007 in Berlin schließlich die eigentliche Gründung der Partei DIE LINKE statt. Die 800 Delegierten wählten einen paritätisch besetzten Parteivorstand und Lothar Bisky und Oskar Lafontaine zu gleichberechtigten Vorsitzenden der neuen Partei. 

Lafontaine schwor in seiner Antrittsrede die Parteimitglieder auf eine Rolle links der SPD ein. In den vergangenen Jahren seien Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie das Gesundheitssystem von der Bundesregierung zerstört worden, sagte Lafontaine. Daran trüge auch die SPD Schuld. Lothar Bisky seinerseits kritisierte, viele Arbeitnehmer verdienten nicht genug Geld, um ihre Familien zu versorgen. Zum Abschluss seiner Rede rief er die Mitglieder der neuen Partei zur Geschlossenheit auf. Der politische Gegner dürfe nicht in den eigenen Reihen gesucht werden.

V.l.n.r.: Katja Kipping (Deutschland/Die Linke/Stellvertretende Bundesvorsitzende), Lothar Bisky (Deutschland/Die Linke/Parteivorsitzender), Oskar Lafontaine (Deutschland/Fraktionsvorsitzender Die Linke) und Gregor Gysi (Deutschland/Fraktionsvorsitzender Die Linke) auf dem Gründungsparteitag der Linken in Berlin
Katja Kipping, Lothar Bisky, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi auf dem Gründungsparteitag der Linken Bildrechte: IMAGO / Christian Thiel

Linkspartei feierte Erfolge bei Wahlen

Hatte sich bereits die PDS ein weitreichendes Ziel gesteckt, so strebt auch DIE LINKE nichts weniger als die Umgestaltung der bestehenden Gesellschaft in ein "sozialistisches" Gemeinwesen an. "Ja, wir stellen die Systemfrage", hatte Lothar Bisky den Delegierten auf dem Gründungsparteitag 2007 zugerufen. Und die neue Partei fand durchaus Anklang, sowohl im Osten als auch im Westen. Es gelang ihr schnell, Wähler zu gewinnen, die die PDS nie gewählt hätten, vor allem in den alten Bundesländern. Bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen im Januar 2008 erhielt die neue Partei immerhin 5,1 beziehungsweise 7,1 Prozent der Stimmen. Sie bewies damit, dass ihr auch in westdeutschen Flächenländern der Sprung über die Fünfprozentmarke gelingt. Bei der Bundestagswahl 2009 errang die Linkspartei 12 Prozent der Stimmen und wurde viertstärkste, 2013 gar die drittstärkste Partei im Bundestag. 2017 musste sie allerdings AfD und FDP an sich vorbeiziehen lassen.

Wer waren die ersten Parteivorsitzenden der Linkspartei?

Auf dem Gründungsparteitag der Linkspartei am 16. Juni 2007 wählten die 800 Delegierten Lothar Bisky von der PDS und Oskar Lafontaine von der WASG zu gleichberechtigten Vorsitzenden der neuen Partei. 

Linkspartei veränderte das politische Koordinatensystem in der Bundesrepublik

DIE LINKE ist heute nicht mehr wegzudenken aus dem politischen Alltag. "Wir stellen mit mir den Ministerpräsidenten in Thüringen, wir sind in Landesregierungen, wir sind eine starke Oppositionskraft im Bundestag, stellen Landrätinnen und Landräte, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sind kommunalpolitisch und in vielen Gewerkschaften, Vereinen und Initiativen präsent", konstatierte Bodo Ramelow 2017. "Dass es möglich wurde, eine Partei links von der SPD dauerhaft zu etablieren, das ist für mich der eigentliche Erfolg der Vereinigung."

Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell | 29. Mai 2018 | 21:45 Uhr