Streit um Festredner Bürgerrechtler und immer wieder umstrittenes CDU-Urgestein
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Der Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz kam aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung in die Politik. Lesen Sie hier, was ihn geprägt hat.
Auf der Homepage des CDU-Politikers Arnold Vaatz ist zu lesen: "Eine gute Zukunft für uns alle – deshalb mache ich Politik". Politisch aktiv wurde der gebürtige Thüringer Vaatz im Oktober 1989. Er arbeitete bei der "Gruppe der 20" in Dresden mit und wurde in dieser Zeit Mitglied des Neuen Forum, zu dessen Pressesprecher in Dresden er schnell aufstieg.
"Gruppe der 20" und "Neues Forum"
Die "Gruppe der 20" bezeichnet eine Gruppe von etwa zwanzig DresdnerInnen, die während der Montagsdemonstration am 8. Oktober 1989 ernannt und beauftragt wurden, am folgenden Tag mit Behörden in Dresden über ihre politischen Forderungen zu verhandeln.
Das Neue Forum war eine der Bürgerbewegungen, die in der Zeit der friedlichen Revolution in der DDR entstanden sind und die politische und gesellschaftliche Wende wesentlich prägten. Ein Teil des Neuen Forums ging später im Bündnis '90 und schließlich in der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf.
Der heutige Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz sprach sich als einer der ersten Bürgerrechtler für eine Wiederbelebung der Länderstrukturen in der ehemaligen DDR aus. Bereits am 13. November 1989 forderte Vaatz im Namen des Neuen Forums die Wiederherstellung der Ost-Länder. Damit setzte er sich relativ schnell durch. In den darauf folgenden Monaten wurde Vaatz zu einem der wichtigsten Wegbereiter des neuen Sachsen. Bereits im Februar 1990 tritt der bis dahin Parteilose der CDU bei.
Arnold Vaatz: Bürgerrechtler, Mathematiker, Politiker Arnold Vaatz wurde am 9. August 1955 im thüringischen Weida geboren. Er studierte an der TU Dresden Mathematik, absolvierte gleichzeitig ein theologisches Fernstudium. 1976 organisierte er eine der letzten öffentlichen Lesungen des Prosabandes "Die wunderbaren Jahre" des Dichters Reiner Kunze, in dem dieser das DDR-System scharf kritisierte. Danach eröffnete die Staatssicherheit einen sogenannten Operativvorgang. Am 1. November 1982 verweigert Vaatz den Reservewehrdienst und wird zu sechs Monaten Haft verurteilt. Arnold Vaatz war in der ersten Regierung von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf Chef der sächsischen Staatskanzlei und später Umweltminister des Freistaates. Seit 1990 ist der heutige Bundestagsabgeordnete Mitglied der CDU. Arnold Vaatz ist verheiratet und hat vier Kinder. Privat beschäftigt er sich mit Briefmarkenkunde. Er wurde im April 2015 zu einem Prüfer im Bund Philatelistischer Prüfer berufen.
Warum CDU?
Trotz einer heftigen Abneigung gegen die damals sogenannten "Blockflöten" war Arnold Vaatz im Februar 1990 gemeinsam mit fünf weiteren prominenten Dresdner Bürgerrechtlern in die CDU eingetreten. Er habe geahnt, dass ein Bedeutungsverlust von Bürgerrechtsgruppierungen wie dem Neuen Forum vorprogrammiert sei, erklärte Vaatz damals. Wirklich überzeugt war Vaatz von der ehemaligen DDR-Blockpartei CDU aber nicht. Er habe keine Aversionen gegen einfache CDU-Mitglieder, sagte Vaatz in dieser Zeit, sondern wolle lediglich "eine Reihe von Personen" nicht mehr haben. Er wolle nicht, "dass die Leute, die die Wohnungspolitik der SED über viele Jahre in der Stadt Dresden getragen haben, jetzt als Bauminister des von mir beförderten neuen Freistaates in Erscheinung treten", begründete Vaatz damals seine Haltung. Im folgenden Audio ist Vaatz' Haltung zu hören.
Von Juni bis Oktober 1990 wird Vaatz stellvertretender Regierungsbevollmächtigter für den Bezirk Dresden und Vorsitzender des Koordinierungsausschusses zur Bildung des Landes Sachsen und bestimmt damit die Geschicke des Landes früh mit. 1990 wurde er als Staatsminister in der Sächsischen Staatskanzlei in die von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf geführte sächsische Staatsregierung berufen. Nach nur einem Jahr versetzte Biedenkopf Vaatz aus der Staatskanzlei ins Umweltministerium, wo er bis 1998 Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landesentwicklung war.
Seit 1998 ist Vaatz Bundestagsabgeordneter und seit 2002 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Querdenker in der CDU
Für seine Haltungen, die immer wieder hoch umstritten sind, ist Vaatz seit vielen Jahren bekannt. Im Zuge der Berliner Corona-Demo hatte er der Polizei DDR-Methoden vorgeworfen. Warnungen vor Rechtsextremen nannte er "diffamierend". Dieser Beitrag des CDU-Politikers beim rechtskonservativen Portal "Tichys Einblick" löste Kritik von verschiedenen Seiten aus, insbesondere beim Koalitionspartner SPD.
Immer wieder fällt Vaatz mit Haltungen auf, die denen der CDU widersprechen. So befürwortet er auch nach dem Ausstiegsbeschluss der Regierung Merkel den Einsatz von Kernenergie. Erneuerbaren Energien und da vor allem der Solarenergie steht er kritisch gegenüber.
Auch spricht sich Vaatz 2014 dagegen aus, die AfD auszugrenzen. Er hielt es für fragwürdig, wenn die AfD – damals unter Bernd Lucke – an den rechten Rand gerückt würde.
Auch der 2017 im Bundestag beschlossenen eherechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen steht er kritisch gegenüber. Zusammen mit Klaus Brähmig formulierte er aus diesem Anlass: "Wir schämen uns fremd für den Umgang dieser Gesellschaft mit den Lebensauffassungen unserer Vorfahren, die sich nicht mehr verteidigen können."
Gerne greift er zu ganz großen Vergleichen: Einen "Anschlag auf die Demokratie" nannte er beispielsweise 2007 die Initiative von Dresdner Künstlern, die sich für den Erhalt des damals gefährdeten UNESCO-Welterbetitels und gegen die umstrittene Waldschlösschen-Brücke einsetzten. Fundamentalistische Kampfparolen warf Vaatz seinen Gegnern vor – woraufhin der Intendant der Dresdner Musikfestspiele, Hartmut Haenchen, aus der CDU austrat. Bekannt für seine Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sorgte Vaatz auch 2016 für Diskussionen – mit einer umstrittenen Diskussionsrunde im Haus an der Dresdner Kreuzkirche, die von Tumulten begleitet war und den Titel trug "Mit Gendergaga gegen das islamische Frauenbild?".
Vaatz - der Philatelist
Bei seinem Hobby mag es der vierfache Familienvater offenbar ruhiger. Er beschäftigt sich mit Briefmarken und ist vom Philatelistischen Bund als Prüfer bestellt worden. Auch hier ist das Gebiet, für das er zuständig ist, Sachsen.
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 04.09.2020 | ab 5:00 Uhr in den Nachrichten