Käthe Kruse - Selbst ist die Frau
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11. Oktober 2010, 17:32 Uhr
Als Max Kruse sich weigerte, seiner ältesten Tochter eine Puppe zu kaufen, begann die zweite Karriere der Katharina Simon. Ein Porträt der erfolgreichen Unternehmerin Käthe Kruse.
Aus armen Verhältnissen ...
Am 17. September 1883 kam Käthe Kruse als Katharina Simon in Breslau auf die Welt. Ihre Kinder- und Jugendjahre verbrachte sie in bescheidenen Verhältnissen. Ihre alleinstehende Mutter war Näherin in Heimarbeit und hatte Mühe, sich und ihre Tochter durchzubringen. Dennoch ermöglichte sie ihr schulische Bildung. Der verheiratete Vater der kleinen Katharina - ein Mann, der sich selbst zum Dichter berufen fühlte - kümmerte sich von Zeit zu Zeit um seine außereheliche Tochter.
Die schönsten Abwechslungen bestanden für das junge Mädchen jedoch in gelegentlichen Theaterbesuchen mit ihrer Tante. Früh reifte ihr Entschluss, Schauspielerin zu werden. Nach ihrem Schulabschluss 1899 nahm sie Schauspielunterricht bei Otto Gerlach und bereits ein Jahr später bekam sie, gerade 17 Jahre alt, ihr erstes Engagement in Berlin. Wenige Monate später debütierte sie dort am Lessingtheater.
... auf die Bretter, die die Welt bedeuten
Unter dem Künstlernamen Hedda Somin verbrachte sie die folgenden Monate auf den "Brettern, die die Welt bedeuten". Bald war es ihr finanziell möglich, die Mutter zu sich nach Berlin zu holen. Neben dem Rollenstudium, Proben und Aufführungen lernte sie Italienisch. In dieser Zeit traf sie den schon berühmten Bildhauer Max Kruse. Seine Bronzeplastik "Der Siegesbote von Marathon" hatte ihn berühmt gemacht. Der Künstler modellierte darüber hinaus die Großen seiner Zeit: Gerhart Hauptmann oder Friedrich Nietzsche saßen ihm Modell. Schnell wurde aus dem erfahrenen Mann und der jungen Frau ein Paar. 1903 brachte die 20-Jährige ihr erstes von sieben Kindern zur Welt. Doch Käthe war nicht die einzige an der Seite des umschwärmten Künstlers. An Heirat dachte Max Kruse noch lange nicht, er proklamierte freie Liebe als sein Ideal.
"Macht Euch selber welche!"
Als das zweite Kind unterwegs war, zog die junge Frau gemeinsam mit ihrer Mutter 1904 auf Anregung von Max Kruse nach Ascona in der italienischen Schweiz, während der Vater die meiste Zeit in Berlin verbrachte. Seit 1900 existierte in Ascona eine Künstlerkolonie, in die Lebensreformer aus ganz Europa strömten: Revolutionäre, Vegetarier, Nacktbader, Pazifisten. Sie sog die Einflüsse auf, fing an zu zeichnen, malte Aquarelle, fotografierte ihre Kinder.
In Ascona begann Käthe außerdem, die ersten eigenen Puppen herzustellen. Eigentlich nur deswegen, weil Max Kruse in Berlin keine seinen Ansprüchen genügende Puppe für die älteste Tochter als Weihnachtsgeschenk fand. Er war überzeugt davon, dass Kinder geprägt werden von dem, was sie umgibt. Und das, was ihm die Spielzeugverkäufer präsentierten, wollte er seinen Kindern nicht anbieten. Der Legende nach schrieb er nach Ascona, mit einem solchen "harten, kalten und steifen Dings" könne man keine mütterlichen Gefühle wecken. Er werde so eine Puppe nicht kaufen und empfahl Käthe kurzum: "Macht Euch selber welche!" Er meinte: "Eine bessere Gelegenheit, Dich künstlerisch zu entwickeln, kannst Du Dir gar nicht wünschen." Käthe begann daraufhin, Puppen für ihre eigenen Kinder herzustellen, zunächst einfach aus einer Kartoffel und einem Handtuch. Max Kruse bewunderte Käthes schöpferische Kraft und prägte sie gleichermaßen. So brach das Paar 1906 gemeinsam zu einer Italien-Rundreise auf, für Käthe wurde das ein Crash-Kurs in Kunstgeschichte voller Anregungen für ihre gestalterische Arbeit.
Im Jahr 1910 entschloss sich das Paar doch zu heiraten. Ein Schicksalsschlag war dafür wohl mit ausschlaggebend: So musste Käthe nach dem Tod der Mutter 1908 auch noch die Totgeburt ihres dritten Kindes durchstehen. Anschließend verbrachte die Familie den Sommer mit ihren inzwischen drei Töchtern auf Hiddensee. Im Herbst kehrten sie in das Künstlerhaus in der Berliner Fasanenstraße zurück, wo Käthe nun auch mit ihren Kindern eine Wohnung bezog.
Die ungeahnte Karriere als Puppen-Unternehmerin beginnt
Inzwischen hatte es sich herumgesprochen, dass die junge Frau des berühmten Bildhauers für ihre Kinder Puppen herstellte, die zudem den reformpädagogischen Ansprüchen der Zeit entsprachen. Zur jährlichen Weihnachtsausstellung des Warenhauses "Tietz" in Berlin fragte man Käthe, ob sie ihre Puppen in der Schau "Spielzeug aus eigener Hand" präsentieren wolle. Dafür entstanden die ersten, nicht für die eigenen Kinder entworfenen "Käthe-Kruse-Puppen".
"Ich hatte mir gar nichts Böses dabei gedacht, und niemand war wohl überraschter als ich, dass ich durch diese Ausstellung, buchstäblich über Nacht, eine berühmte Frau wurde. Mein Erfolg war verblüffend, besonders für mich, der ja etwas ganz anderes, viel Vollkommeneres vorschwebte als Puppen, die ich auf der Ausstellung zeigen konnte. [...] Und was nun kam, war ebenso erfreulich wie komisch und erschreckend. Man lief mir, wie man so sagt, das Haus ein. Alle Welt wollte plötzlich 'solche Puppen haben, wie ich sie auf der Ausstellung gesehen habe'. Zu mir kamen die Puppenhändler, die Detaillisten und die Grossisten, und schließlich auch die Puppenfabrikanten."
Max Kruse unterstützte ihre Arbeit. Der Bildhauer half ihr, die bisher zu weichen Nasen der Puppen zu versteifen - mit einer versteckten Metallplatte im Inneren. Er verbesserte auch Mund und Ohren. Zuguterletzt baute er gleich noch eine Maschine zum Pressen des Kopfes. Die ließ er sich später patentieren. Ein paar Jahre später führte dieses Engagement allerdings zu heftigen finanziellen Auseinandersetzungen zwischen den beiden ...