16. November 1632: Schlacht bei Lützen Das Massengrab der Schlacht bei Lützen
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15. September 2015, 14:58 Uhr
Es war eine der grausamsten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges: Am 16. November 1632 starben bei Lützen in nur sechs Stunden des Gemetzels tausende Soldaten. Der Heerführer der Protestanten, Gustav Adolf II., fiel. Von den vielen anderen Opfern ohne Rang und Namen erzählt ein Massengrab, das Archäologen in Halle erkunden.
Ohne Rüstung stürzt sich der schwedische König in die Schlacht bei Lützen. Nicht aus Tollkühnheit, sondern weil Gustav Adolf wegen einer alten Wunde an der Schulter keinen Schutz tragen kann. Ein Umstand mit tödlichen Folgen, wie sich wenige Stunden später zeigen wird ...
Tausende Tote in sechs Stunden
Am 16. November 1632 treffen östlich von Lützen zwei gewaltige Heere aufeinander, befehligt von den beiden berühmtesten Feldherren des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648): Gustav Adolf führt die Truppen der protestantischen Union gegen Graf Albrecht von Wallenstein und dessen kaiserlich-katholische Liga. Nachdem sich der Morgennebel aufgelöst hat, schlagen sie gegen Mittag los.
Etwa 40.000 Mann kämpfen in der sechs Stunden währenden Schlacht, mit 6.500 Gefallenen geht sie als verlustreichstes Gefecht des ersten großen europäischen Krieges in die Geschichte ein. Auch für die Anführer wird die Schlacht zum Desaster, einen Sieger gibt es nicht: Gustav Adolf gerät in die vorderste Kampflinie, wird erneut schwer verwundet und findet vor Lützen den Tod, die Union zerfällt. Wallenstein flieht gen Böhmen, wo er 1634 ermordet wird.
(Es war) eine der längsten und blutigsten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges .... 6.000 bis 9.000 Tote blieben auf dem Schlachtfeld. Das ist eine sehr große Anzahl (von Opfern), die hier auf dem Lützner Feld auch bestattet worden sind.
Mit Metalldetektoren übers Schlachtfeld
Doch was passiert genau in jenen sechs blutigen Stunden vor 380 Jahren? Zwischen 2006 und 2009 forscht ein international besetztes Team aus Schweden, Briten und Deutschen vor Ort. Mit Metallsonden ausgerüstet schreiten die Archäologen dazu etwa ein Drittel des einstigen Schlachtfelds ab. Auf einer Fläche von etwa 100 Hektar fördern sie schließlich rund 3.500 Fundstücke, die auf die Kämpfe verweisen, ans Licht: Knöpfe und Beschläge von Rüstungen, Gewehrkugeln ...
Wir wissen, was das für Kaliber sind, man kann das ausmessen. Die Kugeln sind zwischen sieben bis 19 Millimeter groß. Damit wissen wir, aus welchem Objekt sie geladen und verschossen wurden. Wir wissen auch, wie weit solche Kugeln fliegen können. Und damit können wir rückwirkend die Truppen aufstellen.
Erkenntnisse über Truppenaufstellung und -stärke helfen den Verlauf der Schlacht zu rekonstruieren. Denn an einer überzeugenden Darstellung derselben fehlt es nach Meinung der Historiker bis heute, bisher stützen sie sich v.a. auf einander widersprechende Zeitzeugenberichte, die immer auch von den politischen Interessen der verfeindeten Parteien überlagert sind.
Sensationelle Entdeckung
Im August 2011 machen die Archäologen eine sensationelle Entdeckung. Anhand historischer Quellen aus dem 17. und 18. Jahrhundert stoßen sie auf dem Schlachtfeld bei Lützen auf ein Massengrab. Dutzende Tote sind darin eng beieinander liegend in mehreren Schichten bestattet. Die Knochen lagern in bis zu einem Meter Tiefe, die Grabstätte nimmt eine Fläche von etwa sechs mal sieben Metern ein. Im November 2011 wird der Fund von einer Spezialfirma geborgen.
In zwei großen Blöcken wird die 50 Tonnen schwere Fracht zur näheren Untersuchung nach Halle gebracht. Im Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie macht sich ein sechsköpfiges Expertenteam daran, die menschlichen Überreste in den folgenden zwölf Monaten freizulegen.
Geplündert und verscharrt? - Die Spuren aus der Vergangenheit
Dabei stellen die Forscher fest, dass die Toten ohne Kleidung, Waffen und persönliche Gegenstände bestattet wurden. Die Archäologen gehen davon aus, dass sie vor der Beerdigung noch ihrer Habseligkeiten beraubt worden sind. Vielleicht durch Plünderer aus dem nahen Lützen. Damit fehlen wichtige Spuren. Doch Projektleiterin Susanne Friederich erklärt, "mit Hilfe anthropologischer Methoden" könnten Erkenntnisse über "Alter, Verwundung und Todesursache" der Opfer gewonnen werden. Deren Schädel werden mit einem Tomographen durchleuchtet, um festzustellen, was sie tödlich verletzte: ein runder oder ein spitzer Gegenstand, eine Kugel aus der Ferne oder eine Stichwaffe im Nahkampf ...
Darüber hinaus kann eine sogenannte Isotopenanalyse helfen, die geografische Herkunft der Menschen zu klären, die auf dem Schlachtfeld bei Lützen blieben. Denn: Wo ein Gefallener seine ersten Lebensjahre verbracht hat, das lässt sich an seinen Zähnen feststellen. Die Nahrung in der Kindheit hinterlässt bestimmte biochemische Spuren im Zahnschmelz, die darin für den Rest des Lebens erhalten bleiben. Historisch belegt ist, dass in Lützen neben Deutschen und Schweden auch Finnen und Schotten kämpften.
Geschichte als mühsames Puzzle
Wie Puzzleteile fügen die Archäologen des Schlachtfeldes ihre Erkenntnisse zusammen: "Das ist natürlich auch eins der Ziele, sagt Grabungsleiter Olaf Schröder, die Geschichte dieser Menschen zu erzählen. Von ihrer Geburt bis hin zu ihrem gewaltsamen Tod."
In den zwölf Monaten der Bergung des Massengrabes von Lützen kommen die Archäologen u.a. zu dem Schluss, dass die 47 Opfer im Nahkampf gefallen sind. Darauf weisen ihre Verwundungen durch kleinere Schusswaffen, Pistolen oder Karabiner, hin. Möglich, so nimmt Grabungsleiter Olaf Schröder an, dass sie in einem Gefecht zwischen Reitern und Fußtruppen starben. Wer von ihnen für Gustav Adolf oder als Söldner für Wallenstein kämpfte, konnten die Forscher bislang nicht klären.
Wie Gustav Adolf fiel ...
Dafür rekonstruierten die Archäologen nun genauer, wie der Schwedenkönig in der Schlacht bei Lützen ums Leben kam. Und das erstaunlich konkret:
So ließ sich archäologisch belegen, dass die Flügel der Armee Wallensteins bei Beginn der Schlacht um 45 Grad nach hinten abgewinkelt waren. Auch ließ sich die Lücke im Zentrum des schwedischen Angriffs nachweisen, die durch die Bewegung der schwedischen Kavallerie nach außen verursacht worden war.
Ihr folgte die Infanterie Gustav II. Adolfs, so dass die gegnerische, kaiserliche Kavalleriereserve in die entstehende Lücke stoßen und die schwedische Infanterie von der Flanke angreifen konnte - mit verheerenden Folgen. 1.300 schwedische Soldaten verloren ihr Leben und mit ihnen ihr König: Gustav II. Adolf kam seiner Infanterie zur Hilfe, geriet in die vorderste Kampflinie, wurde im dichten Nebel von einer Kugel in den linken Arm getroffen, im Nahkampf verwundet und nach einem Sturz vom Pferd von einem kaiserlichen Reiter durch Kopfschuss getötet.
Ein Fund in Lützen
"Dazu gehört insbesondere die Darstellung eines Löwenkopfes aus Kupfer, in dessen Maul sich eine Schlange windet, ein Stück von propagandistischem Aussagegehalt, wurde doch Gustav II. Adolf entsprechend einer protestantischen Prophezeiung aus dem 16. Jahrhundert, die einen 'Löwen aus Mitternacht', aus dem Norden also, ankündigte, als Löwe, seine katholischen Feinde aber als Schlangen dargestellt. Zudem wurde das Stück nahe jener Stelle des Schlachtfeldes entdeckt, an der der König vermutlich seinen Tod fand. Finder war der schwedische Schlachtfeldarchäologe Dr. Bo Knarrström, der das Team Schlachtfeldarchäologie am Swedish National Heritage Board in Lund leitet und ebenso wie Timothy Sutherland MSc BSc (Bradford/Glasgow, UK), Dr. Glenn Foard (Huddersfield, UK) und Dr. Tony Pollard (Glasgow, UK) dem internationalen Spezialistenteam angehört, das an der Erforschung des Lützener Schlachtfeldes beteiligt ist und in regelmäßigen Abständen zum Austausch über methodische Fragen und Ansätze in Lützen zusammenkommt."
Stichwort: Schlachtfeld-Archäologie
Da sich die meisten Fundstücke auf dem Schlachtfeld relativ nah an der Oberfläche befinden, können sie mit Hilfe von Metalldetektoren erkannt und ausgegraben werden. Wissenschaftler - Archäologen, Bodenkundler, Anthropologen, Chemiker, Historiker - können so mit vereinten Kräften mehr zum Verlauf einer Schlacht rekonstruieren. Die Erkundung des Schlachtfeldes bei Lützen erfolgt durch ein internationales Team von Archäologen, auch aus Schweden und Schottland, in Kooperation mit der Stadt Lützen und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Finanzielle Unterstützung leistet die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG).