Reformationstag Die Ereignisse rund um Luthers Thesenanschlag
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30. Oktober 2022, 05:00 Uhr
"Mich wundert, daß bei solchem unermeßlichem Wucher die Welt noch steht." Meinte Martin Luther und setzte am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablass in Umlauf. Ihre Veröffentlichung leitet eine Epoche voller Umbrüche ein. Ohne seinen Beschützer, Kurfürst Friedrich, wäre Luther allerdings wohl auf dem Scheiterhaufen gelandet. Der Reformationstag erinnert an die Ereignisse.
Inhalt des Artikels:
- Die Geschichte beginnt beim gierigen Albrecht von Hohenzollern
- Ein Mord = vier Dukaten - Tetzels "Tarife" für die Vergebung
- Luther: Jedem wahrhaft Reuigen gebührt Vergebung auch ohne Ablass
- Luthers Thesen verbreiteten sich rasend schnell
- Veröffentlichung einer volkstümlichen Fassung
- Machtprobe mit der Kurie
Hammerschläge hallen weithin über den morgendlich leeren Markt von Wittenberg. Hastig entfernt sich der Theologieprofessor und Augustinermönch Martin Luther aus der Nähe der Schlosskirche, an deren Tür er seine Schrift "Über die Kraft der Ablässe" geschlagen hat. Hört man vom Thesenanschlag Luthers am 31. Oktober 1517, so erscheint unwillkürlich diese Szene vor dem inneren Auge. Doch in dieser Weise ist der so genannte Thesenanschlag mit großer Wahrscheinlichkeit nicht abgelaufen.
Die Geschichte beginnt beim gierigen Albrecht von Hohenzollern
Fest steht, dass Luther seine Thesen an jenem Tage an zwei hohe geistliche Würdenträger versandte. Einer von ihnen, Albrecht von Hohenzollern, war schon im Alter von 23 Jahren Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt geworden. Ein Jahr später übernahm er das Erzbistum Mainz und die damit verbundene Kurwürde. Diese einmalige Konzentration geistlicher und weltlicher Macht in der Hand einer einzigen Person, die eigentlich gegen das Kirchenrecht verstieß, war das Ergebnis umfangreicher finanzieller Transaktionen.
Die stolze Summe von 10.000 Gulden zahlte Albrecht an die römische Kurie, um die päpstliche Zustimmung zu seiner Wahl zum Erzbischof von Mainz zu erreichen. Weitere 14.000 Gulden, das so genannte "Pallium", wurden bei der Verleihung der bischöflichen Insignien fällig. Eigentlich wollte der Papst durch diese außergewöhnlichen finanziellen Forderungen verhindern, dass Albrecht "doppelter Erzbischof" werden konnte. Doch Albrecht verschuldete sich stattdessen bei dem berühmten Bankhaus Fugger in der Hoffnung, den Kredit mit Einnahmen aus dem Ablasshandel begleichen zu können.
Ein Mord = vier Dukaten - Tetzels "Tarife" für die Vergebung
Zur Förderung des lukrativen Geschäfts mit der Vergebung der Sünden bediente sich Erzbischof Albrecht so genannter Ablassprediger. Der "Dominikanermönch mit der Donnerstimme" Johannes Tetzel (1465-1519) war einer von ihnen. Er predigte seit 1517 in Magdeburg, der reichsten und bedeutendsten Stadt in Albrechts mitteldeutschem Machtbereich. Tetzel führte feste "Tarife" für die Vergebung bestimmter Vergehen ein. So konnte ein Mord mit vier und ein Kirchenraub mit neun Dukaten gesühnt werden. Luther beklagte daher, dass die Menschen glaubten, keine Sünde sei so groß, dass sie nicht durch Ablassbriefe erlassen werden könnte.
Luther: Jedem wahrhaft Reuigen gebührt Vergebung auch ohne Ablass
Nachdem Kurfürst Friedrich von Sachsen den Ablasshandel Tetzels in Wittenberg verboten hatte, erwarben die sündigen Landeskinder die Ablassbriefe auf brandenburgischem Gebiet, vor allem in Jüterbog. Das brachte das Fass zum Überlaufen und provozierte Luthers Protest in Form der 95 Thesen: "Man soll die Christen lehren", so schrieb er, "den Armen etwas zu schenken und den Bedürftigen zu leihen, als Ablaß zu kaufen", denn jedem wahrhaft Reuigen gebühre die Vergebung von Strafe und Schuld auch ohne den Kauf eines Ablassbriefes. Luther verlangte, das Volk solle lieber "das Evangelium und die Liebe Christi" lernen und danach leben.
Luthers Thesen verbreiteten sich rasend schnell
Die geistlichen Empfänger der Thesen reagierten zunächst zurückhaltend auf Luthers Streitschrift. Erzbischof Albrecht informierte Papst Leo X. im Dezember des Jahres und bat um eine Zurechtweisung des Wittenbergers. Um die Jahreswende 1517/18 gelangten die Thesen an die Öffentlichkeit. Sie wurden in Leipzig, Nürnberg und Basel gedruckt. Binnen zwei Wochen verbreiteten sie sich in ganz Deutschland und über die Landesgrenzen hinaus. Obwohl Luthers Thesen ursprünglich nicht für das Volk bestimmt waren, stießen sie hier und auch bei einigen Gelehrten auf große Zustimmung. Denn der Bevölkerung stieß es bitter auf, wie die Kirche ihren Geldbedarf mit immer neuen Gebühren und Abgaben zu decken gedachte.
Veröffentlichung einer volkstümlichen Fassung
Im März 1518 veröffentlichte Luther mit dem "Sermon von dem Ablass und der Gnade" eine volkstümliche Fassung seiner Schrift, die sechzehn Auflagen erreichte. Eine ausführliche theologische Begründung seiner Ablassthesen, die dem Volk seine Gedanken verständlicher machen sollte, schloss er daran an.
Machtprobe mit der Kurie
Was Luther ursprünglich als Anregung zur Diskussion innerhalb der Kirche gedacht hatte, wurde zur Machtprobe zwischen Kritikern und Kurie. Luthers Thesen wurden zum Ausgangspunkt der Reformation und führten zu einer - von ihm nie angestrebten - Spaltung der katholischen Kirche und der Entstehung einer neuen, der protestantischen Konfession, die 1555 im Augsburger Religionsfrieden reichsrechtlich besiegelt wurde.
Dieser Artikel wurde 2011 erstmals veröffentlicht.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 15. Juni 2020 | 21:45 Uhr