20. Juli 1944: Attentat auf Hitler Gegner der Nazis: Carl Friedrich Goerdeler
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(1884-1945)
22. April 2020, 16:04 Uhr
Er galt als einer der wenigen zur Tat entschlossenen bürgerlichen Opponenten der Nazis: Carl Friedrich Goerdeler. Als Mitverschwörer wurde er nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 hingerichtet.
Der am 31. Juli 1884 im westpreußischen Schneidemühl geborene Sohn eines Richters trat wie seine drei Brüder in die Fußstapfen des Vaters und studierte von 1902 bis 1905 Jura in Tübingen und Königsberg. Den angehenden Juristen Goerdeler hatte seine Kindheit in einer gutbürgerlichen und konservativen Familie geprägt. Seine Treue zur Monarchie ließ ihn während der Weimarer Republik zur Opposition gehören. Bis 1931 war er Mitglied der antidemokratischen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP).
Hoch angesehener Finanzfachmann - und äußerst konservativ
Dennoch entschied sich Goerdeler, dessen Interessenschwerpunkt auf der kommunalen Verwaltung lag, für den Staatsdienst. Seit seiner Wahl am 2. Februar 1920 übte er zehn Jahre lang das Amt des 2. Bürgermeisters in Königsberg aus. Dabei erwarb er sich Ansehen weit über die ostpreußische Hauptstadt hinaus, was sich 1930 in seiner Ernennung zum Leipziger Oberbürgermeister niederschlug. Mit ihren etwa 700.000 Einwohnern gehörte die Messestadt zu den fünf größten und wichtigsten Kommunen des Deutschen Reiches. Goerdeler galt als der am weitesten rechtsgerichtete Oberbürgermeister Leipzigs seit Errichtung der Republik. Seine Politik stützte sich auf die sichere Zustimmung der bürgerlich-konservativen Kräfte der Stadt.
Durch eine rigide Sparpolitik gelang es ihm bis 1933 den Finanzhaushalt Leipzigs weitgehend zu sanieren und eine Reihe von Verbesserungen in der Stadtverwaltung durchzusetzen, so etwa bei der Müllabfuhr und im öffentlichen Verkehrswesen. Vor allem aber nahm Goerdeler von Leipzig aus Einfluss auf die Reichspolitik. In der Endphase der Republik wirkte er als Mitglied des Vorstandes des Deutschen Städtetages nachhaltig bei den Diskussionen um eine Reichsreform mit dem Ziel einer autoritären Verfassungsumformung mit.
Zwiespältige Haltung
Schwer lässt sich Goerdelers Verhalten zu den nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber jüdischen Mitbürgern einordnen. Einerseits wurde im März und April 1933 Juden das Studium und die Lehrtätigkeit an der Leipziger Universität untersagt, ohne dass Goerdeler ein offizielles Wort des Protestes sprach. Auch trugen die meisten Verordnungen, die Juden vom gesellschaftlichen Leben ausschlossen, ihnen den Besuch von Theatern, Konzerten, Museen, Bibliotheken, Kinos und Hallenbädern verboten, Goerdelers Unterschrift.
Andererseits besuchte er einen Tag nach dem von den Nationalsozialisten inszenierten Boykott am 1. April 1933 demonstrativ jüdische Geschäfte "im schwarzen Anzug ... mit Zylinder auf dem Leipziger Brühl ..., um damit seine Abscheu auszudrücken", wie sich ein ehemaliger Leipziger Jude erinnert.
Und schließlich war der Denkmalssturz des "Vollblutjuden Mendelssohn-Bartoldie", so das wörtliche Zitat eines Schreibens der NSDAP-Kreisleitung, der Tropfen, der für Goerdeler das Fass zum Überlaufen brachte. Nach seiner Rückkehr von einer Reise mit diesem Gewaltakt konfrontiert, zog er daraus seine Konsequenz: Er erklärte im April 1937 seinen Rücktritt und beendete damit seine bisher bestens verlaufene Karriere als einer der bedeutendsten Kommunalpolitiker seiner Zeit. Goerdeler trat in offene Opposition gegen den Nationalsozialismus.
Führender Kopf des Widerstands
Mit Unterstützung des Stuttgarter Industriellen Robert Bosch, für den er als Berater tätig war, unternahm er bis 1939 ausgedehnte Auslandsreisen, besonders nach England, um dort Kontakte zu knüpfen und vor der nationalsozialistischen Politik zu warnen. Diese Kontakte blieben jedoch ergebnislos - vor allem aufgrund Goerdelers eigener Vorstellungen von einer alternativen deutschen Politik: Sein Beharren auf einer Revision des Versailler Vertrages, auf der Wiederherstellung der Reichsgrenzen von 1914 und seine Forderung nach freier Hand für Deutschland im Osten erregten in London den Verdacht, dass er lediglich eine Variante der durch Hitler vorgetragenen deutschen Hegemonialansprüche vertrat.
Neuordnungspläne für die Zeit nach Hitler
Um ihn begann sich ein oppositioneller Personenkreis zu bilden, der heute unter dem Begriff der Goerdeler-Gruppe bekannt ist. Die Gruppe strebte den Sturz Hitlers an und entwarf Neuordnungspläne für die Zeit nach einem Staatsstreich. Goerdelers Vorstellungen für ein Deutschland nach Hitler spiegeln sich in zahlreichen programmatischen Denkschriften wider. Das Bismarcksche Reich besaß für ihn Modellcharakter. Entsprechend seiner konservativen Haltung befürwortete er die Wiedereinführung der Monarchie. Parteien stand er ausgesprochen misstrauisch gegenüber. Die Einführung demokratischer Verhältnisse machte die Goerdeler-Gruppe abhängig von der politischen Reife der Deutschen nach Beseitigung und Überwindung der nationalsozialistischen Diktatur. Die Planungen liefen also auf ein autoritäres Notstandsprovisorium hinaus.
Denunziert, verhaftet, hingerichtet
Am 17. Juli 1944 - vier Tage vor Stauffenbergs Attentat auf Hitler - erließ die Gestapo Haftbefehl gegen Goerdeler, und seit dem 1. August wurde er steckbrieflich unter Aussetzung einer Prämie von einer Million Reichsmark gesucht. Seine rastlose Flucht in Richtung Westpreußen führte ihn zu zahlreichen Freunden und Bekannten, bis er am 12. August denunziert und verhaftet wurde. Einen Monat später verurteilte der Volksgerichtshof unter Roland Freisler Carl Goerdeler "wegen Landes- und Hochverrats sowie als Kriegsspion für den Feind" zum Tode. In Berlin-Plötzensee richteten ihn die Nationalsozialisten nach mehrmonatigen Verhören am 2. Februar 1945 hin.