Sächsische Schweiz Sturm auf die Bastei
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06. Juli 2009, 13:41 Uhr
Sie ist das Wahrzeichen der Sächsischen Schweiz und der Aussichtspunkt schlechthin – 1969 sollte die Bastei mit einem Hochhaushotel verschandelt werden.
Die Basteibrücke in der Sächsischen Schweiz: Feines Mauerwerk aus Sandstein spannt hier filigrane Bögen von Fels zu Fels. Eigens für Touristen wurde dieses Bauwerk errichtet und ist seither die Hauptattraktion in einer Landschaft, die an sich schon Attraktion ist. Von hier schweift der Blick hinab zur Elbe und hinaus über die Tafelberge des Elbsandsteingebirges bis zu den Vulkankegeln Böhmens und den langgestreckten, von hier aus sanft wirkenden Höhenzügen des Erzgebirges. Seit der Romantik ist dieser Aussichtspunkt berühmt - und durch den Menschenansturm ein lukrativer Ort für Gastwirte. Im Schweizer Landhausstil errichteten findige Hotelbetreiber im 19. Jahrhundert Übernachtungsmöglichkeiten auf den Terrassen im Hinterland der Aussichtspunkte – und zu DDR-Zeiten sollte gar ein Hotelhochhaus hier errichtet werden.
Ein Oberförster protestiert
Dietrich Graf verschlug es fast die Sprache, als er im Juni 1969 aus der Zeitung von dem Prestigeprojekt erfuhr. Die Bastei fiel in das Revier des Oberförsters aus Hohnstein – entsprechend überrascht war er von der Notiz, die etwas von 400 Betten und 1600 Gaststättenplätzen schrieb. Gigantismus in einer einzigartigen Landschaft – das konnte der parteilose Naturschützer aus der sächsischen Kleinstadt im Herzen des Elbsandsteingebirges nicht hinnehmen. Er schrieb Eingaben, führte die Ästhetik der Landschaft ins Feld, argumentierte mit Naturschutzbedenken - und stieß auf taube Ohren.
Walter Ulbricht hatte bei einem Besuch in Dresden die neuen Hochhausbauten in der Prager Straße gefeiert und forderte, "das Neue in unserer sozialistischen Gesellschaft im weiteren Gebiet (Dresdens) zum Ausdruck zu bringen". Und wie hätte in den Augen der fortschrittsgläubigen Genossen das Neue besser zum Ausdruck gebracht werden können als durch einen imposanten Turm auf der Bastei? Bei schönem Wetter wäre er bis nach Dresden hinein sichtbar gewesen. 28,8 Millionen DDR-Mark hätte der Bau gekostet, mit allen Neben- und Folgekosten hätte das Projekt mit 89,7 Millionen DDR-Mark zu Buche geschlagen. Die Planungen wurden 1969 einem kleinen Kreis beim Bezirkstag vorgestellt – 90 Meter hoch sollte der Turm werden, die V-Form eine optimale Aussicht bieten, auf dem Dach ein Schwimmbad den modernen Hotelbau krönen. Doch trotz aller Planungsvorleistung notiert ein Sitzungsprotokoll von damals nüchtern: "Die erforderlichen Mittel stehen nicht zur Verfügung."
Von der Sowjetunion lernen …
Dietrich Graf konnte von den geheimen Protokollen nichts wissen. Ihm war die sozialistische Großmannssucht zuwider, weil sie für ihn nicht in die Landschaft passte. Bei seinen Protesten half ihm damals eine neue sowjetische Richtlinie zur Sicherheit von Hochbauten. 1963 hatte es ein kleines Erdbeben gegeben - die alte Stadtkirche in Hohnstein bekam einen Riss. Unter dem Elbsandsteingebirge verläuft eine geologische Störung, die kleine Erdstöße verursachen kann.
Dieser Hinweis an die Statiker führte zusammen mit den ungeheuer großen erwarteten Baukosten schließlich zum Scheitern des Vorhabens. 1991 wurde (nach zwölfjähriger Bauzeit) ein Vier-Sterne-Hotel auf der Bastei errichtet – deutlich kleiner, auch nicht sonderlich schön, und für Dietrich Graf eine Art unvermeidbarer Tribut an den Tourismus in der Region. Wenn der sich auf die Bastei konzentriert, hofft der Naturschützer, bleiben wenigstens die abgelegeneren Gebiete seiner sächsischen Felsenheimat ruhiger. Dietrich Graf hat 2008 das Bundesverdienstkreuz bekommen.