Moritzbastei Leipzig
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Studentenleben Der Leipziger Studentenclub "mb"

04. Juni 2020, 15:19 Uhr

In Leipzig war bis 1993 die legendäre Moritzbastei - genannt "mb" - der zentrale Studentenklub. Angefangen hatte alles in den 1970er-Jahren als FDJ-Initiative - und eigentlich auch als größter Schwarzbau der DDR.

Ist der Name des Baumeisters Programm? Lotter hieß er, Hieronymus Lotter. 1551 bekam er von seinem Kurfürst Moritz den Auftrag, ein Bollwerk um Leipzig herumzubauen. Und das bis heute erhaltene Reststück dieses Bauwerks, die Moritzbastei, sollte mehr als 400 Jahre später eine Bastion des studentischen Lotterlebens werden, des gepflegten Lotterlebens, versteht sich. Denn die Moritzbastei wurde FDJ-Klub der Universität Leipzig, ausgegraben aus den Kriegstrümmern ab 1973, in Betrieb seit 1979.

Und damit ist auch schon bewiesen: So lottrig kann Herr Lotter nicht gebaut haben, immerhin hat das Bauwerk 450 Jahre bewegter Geschichte überstanden: die Erstürmung im 30-jährigen Krieg, die Nutzung als Lazarett während der Völkerschlacht bei Leipzig 1813, die Bombardements des Zweiten Weltkriegs. Beim Wiederaufbau von Leipzig wurden die fest gemauerten Gewölbe der Moritzbastei dann mit Schutt verfüllt und gerieten für einige Jahrzehnte in Vergessenheit.

Das Ende eines Dornröschenschlafs

Es war der Philosophie-Student Werner Teichmann, ehrenamtlich tätig für die FDJ-Kreisleitung, der durch einen Abzugsschacht in das verschüttete, von einem Park überformte Gemäuer einstieg und sofort völlig begeistert war: Wunderbar romantisch dieser Ort. Die Kreisleitung wollte ohnedies einen professionell geführten Jugendclub errichten – und so konnte Teichmann die Berufsjugendlichen von der Universitäts-FDJ von dem Plan überzeugen, die Moritzbastei in unmittelbarer Nähe des Uni-Riesen zu einem Klub auszubauen. Das bedeutete: Schippen und Karren schieben.

150.000 freiwillige Arbeitsstunden investierten Leipziger Studenten – unter ihnen übrigens auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, damals Physikstudentin in Leipzig. Mehr als 50 freiwillig geleistete Arbeitsstunden von ihr sind dokumentiert. Als Teichmann übrigens 2004 der Kanzlerin ein Buch mit Fotos und Dokumenten ins Kanzleramt schickte, blieb Merkel stumm. "Sie hat nicht mal eine Dankeskarte geschickt", sagte Teichmann damals der "Leipziger Volkszeitung": "Sie will damit wohl nichts mehr zu tun haben. Wahrscheinlich weiß Angela Merkel, dass sie als Ostdeutsche angreifbar ist."

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Die Bundeskanzlerin arbeitete 1989 als Physikerin in der Ost-Berliner Akademie der Wissenschaften. Mit mulmigem Gefühl ging sie, wie jeden Donnerstag, in die Sauna.

Mo 09.11.2009 22:45Uhr 00:24 min

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Finanzierung auf wackeligen Pfählen

Das Buch dokumentiert auch die Hintergründe der Baufinanzierung des FDJ-Projektes. Es tauchte zunächst in keinem Plan auf, nicht mal auf der Liste der DDR-Jugendobjekte. Bautechnisch bereitete vor allem der Mittelbereich Probleme: Im Mai und Juni 1975 sackten Teile der alten Eckbastion ab und mussten versteift werden. Die "mb" ruht auf Pfählen. Die waren ausgetrocknet, so dass sich Risse im Mauerwerk bildeten. Werner Teichmann erinnert sich: "Die Finanzierung war oft kritisch, da im Prinzip kein Budget da war. Zunächst zahlte uns die Stadt Geld und sagte: Fangt an! Später gab's dann Kompetenzgerangel."

Bis 1978/79 liefen die Bauarbeiten und der Betrieb quasi unter der Hand, ohne Bilanzen. In der Mangelwirtschaft der DDR spielte Tauschhandel auch an dieser Baustelle eine entscheidende Rolle, wie die Historikerin Ulrike Schuster herausgefunden hat: "In und um Leipzig wurde gebuddelt, ob im Tagebau oder bei den Gleisen, die wegen der Tatra-Bahnen erneuert werden mussten. Schon 1973 gab es eine Vereinbarung zwischen Uni-FDJ-Kreisleitung und Rat der Stadt: Studenten arbeiteten, sodass ein Teil des Ertrages für die Weltfestspiele abgezweigt werden konnte. Das lief weiter, dafür schickte die Stadt Lkw zum Schuttabholen an die 'mb', stellte Bagger. Stadträte kungelten mit 'mb'-Karten, wenn ein Betrieb etwas lieferte."

Studentenleben in der Moritzbastei in den 1980er-Jahren

Auftritt eines Folkloreensembles der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) in der "mb" Mitte der achtziger Jahre.
Mahmoud Dabdoub, palästinensischer Austauschstudent aus dem Libanon, fotografierte in den 80er-Jahren das Studentenleben in der Moritzbastei. Hier: Auftritt eines Folkloreensembles der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) in der "mb" Mitte der Achtziger Jahre. Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Auftritt eines Folkloreensembles der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) in der "mb" Mitte der achtziger Jahre.
Mahmoud Dabdoub, palästinensischer Austauschstudent aus dem Libanon, fotografierte in den 80er-Jahren das Studentenleben in der Moritzbastei. Hier: Auftritt eines Folkloreensembles der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) in der "mb" Mitte der Achtziger Jahre. Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Wie üblich drangvolle Enge in der "Veranstaltungstonne" der mb.
Wie üblich drangvolle Enge in der "Veranstaltungstonne" der mb. Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Eine Jazzrockband spielt in der "Veranstaltungstonne" der "mb".
Eine Jazzrockband spielt in der "Veranstaltungstonne" des zentralen Studentenklubs von Leipzig auf. Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Ausstellungseröffnung in der Moritzbastei. Links der Maler Neo Rauch, damals Student an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst.
Ausstellungseröffnung in der Moritzbastei. Links der Maler Neo Rauch, damals Student an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Während der alljährlich stattfindenden „Dokumentar- und Kurzfilmwoche“ in Leipzig war die Moritzbastei quasi das Festivallokal. Hier: Lothar Bisky, damals Rektor der Hochschule für und Fernsehen in Potsdam, im Gespräch mit einem palästinensischen Filmemacher.
Während der alljährlich stattfindenden "Dokumentar- und Kurzfilmwoche" in Leipzig war die Moritzbastei quasi das Festivallokal. Hier: Lothar Bisky, damals Rektor der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam, im Gespräch mit einem palästinensischen Filmemacher. Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Schlangestehen vor der stets überfüllten mb: Nur wenn jemand den Studentenclub verließ, durfte ein neuer Gast hinein (1987)
Schlangestehen vor der stets überfüllten mb: Nur wenn jemand den Studentenclub verließ, durfte ein neuer Gast hinein. (1987) Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Ausgezeichnete Studenten aus der Mongolei, Ende der achtziger Jahre
Ausgezeichnete Studenten aus der Mongolei feiern Ende der Achtziger Jahre in der "mb". Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Disco in der mb (Moritz Bastei) (1987)
Disco in der "mb" (1987) Bildrechte: Mahmoud Dabdoub
Jazz-Session in der Moritzbastei Mitte der 1980er-Jahre
Jazz-Session in der Moritzbastei Mitte der 1980er-Jahre.

(Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR um 2 | 30.06.2015 | 14:00 Uhr.)
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Eine Jazzrockband spielt in der "Veranstaltungstonne" der "mb".
Eine Jazzrockband spielt in der "Veranstaltungstonne" der "mb" auf. Bildrechte: Mahmoud Dabdoub

Programm zwischen Propaganda und Untergrund

Dass die Karten begehrt waren, dafür sorgte das attraktive Programm der "mb": Jazz, Kleinkunst, Lesungen, Tanzveranstaltungen. In der Wendezeit war die Moritzbastei ein wichtiger Raum für Diskussionen und Begegnungen. Politisch engagierte Studenten organisierten Foren, Runde Tische und kulturelle Veranstaltungen. Die Bezeichnung als "Europas größter Studentenclub" ist zwar nicht belegbar, hält sich aber hartnäckig bis heute.

Ein offizieller Studentenklub ist die "mb" seit 1993 nicht mehr, aber immer noch ein angesagter kultureller Ort und das mitten in bester Zentrumslage. Der Klub wird im Auftrag der Stiftung Moritzbastei betrieben. Ein Besuch in den unterirdischen Gewölbe oder auf der Terrasse ist für Studienanfänger quasi ein Pflichttermin.

(Quelle: Ulrike Schuster, Moritzbastei Leipzig. Nora-Verlag)

(zuerst veröffentlicht am 25.11.2009)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR um 2 | 30.06.2015 | 14:00 Uhr