Biografie Wer war Gottfried Semper?
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05. Dezember 2005, 16:23 Uhr
Gottfried Semper hat das Antlitz Dresdens entscheidend mitgeprägt. Gemäldegalerie, Synagoge und Hoftheater: Seine Bauwerke gehörten und gehören zu den schönsten der Elbestadt.
Geboren wurde Semper am 29. November 1803 als Däne, da sein Geburtsort Altona im damals dänischen Schleswig-Holstein lag. Zur Schule ging Semper in Hamburg, wo er 1823 am Johanneum sein Abitur ablegte. Noch bevor er sein Studium antrat, wurde er Mitglied der Hamburger Freimaurer-Loge seines Vaters.
Im Oktober 1823 begann er an der Universität zunächst als Student der Mathematik, hörte aber auch Vorlesungen in Geschichte, Archäologie und Kunstgeschichte. In den ersten beiden Studienjahren legte er erfolgreich die Prüfung zum Artillerieoffizier ab und spielte mit dem Gedanken, in die niederländische oder preußische Armee einzutreten.
Schließlich entschied er sich für einen Studienortwechsel nach München, um dort einen "thätigen Beruf" zu erlernen. Er schrieb sich an der Münchner Kunstakademie ein, wo er begann, sich für Architektur zu interessieren. Bereits hier endete das erste Mal ein Lebensabschnitt Sempers durch eine Flucht. Weil er aktiv an einem Duell in Regensburg teilgenommen hatte, war er gezwungen nach Paris zu fliehen.
Einfluss der antiken Kunst auf Semper
Hier traf er auf Christian Gau, durch den Semper Zutritt zum Salon der Bankierswitwe Valentin erhielt. Dieser Kontakt führte Semper in die damals aktuelle Diskussion ein, ob die Architektur und Plastik des Altertums bunt bemalt waren oder nicht. Das Thema sollte ihm seine ersten akademischen Ehren einbringen und beschäftigte ihn unablässig während der folgenden Reisejahre.
1832 nahm er in Athen über vier Monate hinweg an intensiven archäologischen Untersuchungen auf der Akropolis teil, um in dem "Polychromiestreit" eine Klärung herbeiführen zu können. Seine Forschungsergebnis gab Semper 1834 nach der Rückkehr unter dem Titel "Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten" heraus. Über die erdbebenartige Wirkung seiner Forschung war Semper selbst überrascht.
Jahrelang hatten die für marmorweiß gehaltenen antiken Bauten und Plastiken das Credo des Klassizismus bestimmt, von Winckelmann beschworen und von Goethe gerühmt. Für Sempers akademische Karriere war dieses Büchlein der Grundstein: sein Name war nun in Europa bekannt.
Seit den 30er-Jahren an der Elbe sesshaft
Es verwundert nicht, dass ihm 1834 der Lehrstuhl für Architektur an der Kunstakademie Dresden angeboten wurde. Am 25. September traf er in Dresden ein, es folgte die Vorstellung beim König und am 30. September leistete er seinen Untertaneneid. Damit war aus dem Dänen ein Sachse geworden. Sempers neuer Wirkungsort war eine wachsende Stadt, deren Infrastruktur ausgebaut und deren Schmuck vermehrt werden sollte. Dresden erholte sich noch von seiner Isolation nach dem Wiener Kongress und war dabei, wieder ein kulturelles Zentrum Mitteleuropas zu werden. Damit war ein ideales Arbeitsfeld für einen Architekten gegeben.
Vom neuen Zwingerforum blieb nur der Opernbau
1836 gestaltete Semper die Königlichen Antikensäle des Japanischen Palais und stellte in den folgenden zwei Jahren seine Fähigkeiten als praktischer Architekt mit dem Bau des Frauenaltersheims und des Maternispitals unter Beweis. Bald begannen die Planungen zum Zwingerforum. Von dem ursprünglichen Forumsprojekt am Zwinger gelangte ab 1838 nur das Hoftheater zur Ausführung, weil man den Umbau des alten Pöppelmannschen Opernhauses am Zwinger nun endgültig für undurchführbar hielt. Die Eröffnung des Hoftheaters fand nach nur drei Jahren Bauzeit am 12. April 1841 statt.
Schöpfer der Dresdner Synagoge
Für den jüdischen Bankier Martin Wilhelm Oppenheim entwarf und baute Semper die "Villa Rosa", ein im Zweiten Weltkrieg zerstörtes Sommerhaus vor der Stadt, im Stil der italienischen Renaissance. Wohl durch Oppenheims Fürsprache erhielt Semper 1840 auch den Auftrag für den Bau der Dresdner Synagoge, die zu einer Art Prototyp des emanzipierten Judentums der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden sollte. Von den Bauwerken für Oppenheim ist nur das Sempersche Grabmal der Familie auf dem Trinitatisfriedhof erhalten geblieben.
Rege Teilnahme am geistigen Leben Dresdens
So war Semper Mitte der Vierziger Jahre ein viel beschäftigter Dresdner Architekt und zählte als solcher zu den ersten im deutschsprachigen Raum. Auch im gesellschaftlichen Leben Dresdens fasste der Norddeutsche Fuß. Am 1. September 1835 heiratete er Bertha Thimmig, Tochter eines sächsischen Majors. Die Familie vergrößerte sich schnell, denn zwischen 1836 und 1848 wurden dem Ehepaar sechs Kinder geboren. Bertha Semper war der ruhende Pol der Familie und der duldende und verzeihende Part gegenüber ihrem oft ungerechten und aufbrausenden Gatten. Enger befreundet war das Ehepaar Semper mit Richard und Minna Wagner und August Röckel. Rege beteiligte sich Semper auch am geistigen Leben der Stadt. Er war Mitglied im "Verein der sächsischen Alterthumsfreunde", weiterhin im sächsischen Kunstverein und der "Montagsgesellschaft", in der sich Künstler, Staatsbeamte und Wissenschaftler trafen.
Aktiv am Dresdner Maiaufstand 1849 beteiligt
Diesen Lebensabschnitt hohen gesellschaftlichen Ansehens sowie beruflicher und privater Erfüllung beendeten jäh die Ereignisse der Jahre 1848/49. In den vorerst nur politischen Auseinandersetzungen trat Semper auf die Seite der konsequenten Republikaner und gehörte später der Scharfschützenkompanie der Kommunalgarde an. Im April 1849 nahm er gemeinsam mit Richard Wagner und August Röckel an der Vorbereitung der allgemeinen Volksbewaffnung teil. Als am 3. Mai Straßenkämpfe begannen, erhielt Sempers Scharfschützenkompanie den Befehl zur Verteidigung der Hauptbarrikade in der Wilsdruffer Gasse. Aufgrund des schlechten Barrikadenzustandes veranlasste Semper einen "fachgerechten" Umbau der Barrikade, den er selbst leitete und nach dessen Vorbild dann auch andere Barrikaden umgebaut wurden. Ab dem 6. Mai war er Kommandant der Barrikade Nr. 13 in der Waisenhausstraße. Aufgrund seines Engagements setzte die neuen erzkonservativen Regierung Semper nach Beendigung der Kämpfe auf die Liste der zu verfolgenden Personen. Semper blieb nur die Flucht.
Nach der Revolution steckbrieflich verfolgt
In den folgenden Jahren suchte man Semper in allen Gebieten des Deutschen Bundes steckbrieflich. Gnadengesuche an den sächsischen König stellte Semper selbst nie. Seine Frau tat dies zwar 1850 und 1852 gegen den Willen ihres Mannes, beide Gesuche wurden jedoch abgelehnt. Stationen des Semperschen Exils waren Paris und London, wo Semper zwar kleinere Aufträge erhielt aber keine gut dotierte Festanstellung. Endlich 1855 kam das durch Wagner vermittelte Angebot, am neu gegründeten Polytechnikum in Zürich die Professur für Architektur zu übernehmen. Semper trat den Posten am 11. Juni 1855 an, erhielt mit 5.000 Franken Jahresgehalt die höchstdotierte Professur des Polytechnikums und konnte seine Familie nach Zürich holen. Ende 1858 begann Semper mit Planung und Bau des neuen Gebäudes des Polytechnikums, das 1864 fertig gestellt wurde. Sein zweites Großbauprojekt in der Schweiz war 1870 das Stadthaus von Winterthur.
Vereinsamung in der Emigration
Mitte der Sechziger Jahre nahmen Sempers Klagen über Vereinsamung, seine Frau war 1859 gestorben, und Verkanntsein in der Schweiz immer mehr zu. Er trauerte wohl ewig der Dresdner Zeit nach, an der er alle folgenden Wirkungsstätten gemessen haben wird. So nahm er 1869 freudig den Auftrag an, die "Museumsfrage" in Wien zu lösen. Auf der Grundlage seiner Planungen entstanden das 1889 fertig gestellte Kunsthistorische Museum und das 1891 eingeweihte Naturhistorische Museum. Gleichzeitig arbeitete er an Plänen für das Wiener Burgtheater, zu dem 1874 der erste Spatenstich erfolgte. 1871 war der 68jährige dann endgültig von Zürich nach Wien übergesiedelt, bevor Dresden noch einmal in sein Leben trat.
Bauleitung der zweiten Oper aus der Ferne
Die sächsische Regierung hatte 1863 den Steckbrief gegen Semper aufgehoben und beauftragte ihn nun sogar mit dem Neubau des 1869 abgebrannten, von ihm errichteten Hoftheaters. Es mag Semper geschmeichelt haben, dass sich die Dresdner Bürger in einer Unterschriftensammlung für die Beauftragung Sempers mit dem Neubau eingesetzt hatten. Die Bauleitung in Dresden übernahm allerdings Sempers Sohn Manfred, der sich aber streng an die Anweisungen des Vaters zu halten hatte. Gottfried Semper selbst war in Wien mit den Hofmuseen und dem ihm gleichberechtigt an die Seite gestellten Wiener Architekten Carl Hasenauer beschäftigt. Zwischen den beiden kam es in einem Klima der Missgunst zu ständigen Querelen über die Bauausführung. Deshalb zog sich Semper 1876 völlig entnervt aus der praktischen Bautätigkeit zurück Im Jahr darauf erkrankte er schwer.
Am 15. Mai 1879 starb Semper während einer Erholungsreise in Rom, wo er auf dem dortigen protestantischen Friedhof begraben wurde. Seine Grabstätte blieb bis in die Gegenwart erhalten und ist noch heute zu besichtigen.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Entdecke den Osten | Drama, Macht und Rausch - Die Semperoper | 04.02.2020 | 21:00 Uhr