#blickzurück: Kalenderblatt der Geschichte Das geschah am 6. September

06. September 2022, 05:00 Uhr

1957: Selbstmord Franz Hammer in der Strafanstalt Waldheim

Am 6. September 1957 bringt sich der 23-jähirge Franz Hammer, letztes inhaftiertes Mitglied der Jenaer Schüler-Widerstandsgruppe "Weiße Rose", in der Strafanstalt Waldheim um. Der 1933 geborene Hammer trat im Jahr 1949 in die LDPD (Liberal-Demokratische Partei Deutschlands) ein und engagierte sich aktiv in unterschiedlichen Funktionen. 1950 veranstaltete er mit anderen erste Protestaktionen bevor er Anfang 1951 mit weiteren Schülern eine Widerstandsgruppe gründete. Sie nannten sich "Weiße Rose" in Anlehnung an die Widerstandsgruppe um die Geschwister Scholl im Nationalsozialismus. Ihr Ziel war es, die Bevölkerung - durch Flugblätter -  über das politische Regime der DDR aufzuklären.

1953 nahm Hammer aktiv an den Demonstrationen am Volksaufstand des 17. Juni in Jena teil. Danach begann die Stasi gegen ihn zu ermitteln und unterstellte ihm, dass er ein französischer Spion sei. Hammer und weitere Mitglieder wurden 1954 verhaftet und als "Terroristengruppe" und wegen vermeintlicher Spionage angeklagt. Nach der dreitägigen Verhandlung im Februar 1955 wurde Hammer zu zehn Jahren Haft verurteilt. In der Nacht vom 5. zum 6. September 1957 erhängte er sich.

1961: Gründungskonferenz der Bewegung der Blockfreien Staaten beendet

Am 6. September 1961 endet die Gründungskonferenz der Bewegung der Blockfreien Staaten in Belgrad. Mitten im Kalten Krieg trafen sich Vertreter von 25 Staaten auf Initiative des jugoslawischen Präsidenten Tito. Drei Wochen nach dem Mauerbau begann die Konferenz am 1. September. Viele der Staaten, vorrangig aus Asien und Afrika, waren erst seit kurzem unabhängig. Am Ende der Konferenz stand eine 27-Punkte-Erklärung, in der die Staaten Unabhängigkeit, Abrüstung und ein Verbot von Massenvernichtungswaffen fordern. Die steigende Anzahl der Mitglieder und viele unterschiedliche Interessen erschweren jedoch eine konstruktive Zusammenarbeit. Heute zählt das Bündnis - das nach Auflösung des Warschauer Paktes an Bedeutung verlor - 120 Mitglieder.

Marschal Tito l, 1961
Tito (rechts) und Autor Bogdan Crnobrnja eröffnen die erste Gipfelkonferenz der Blockfreien Bewegung am 1. September 1961. Bildrechte: imago/ZUMA/Keystone

1962: Tod Hanns Eisler

Am 6. September 1962 stirbt der Komponist und Musiktheoretiker Hanns Eisler in Berlin. Am 6. Juli 1889 wurde er in Leipzig geboren und wuchs in Wien auf. Nach dem Ende seiner musikalischen Ausbildung 1923 verdiente Eisler sein Geld mit Kompositionen und als Musiklehrer und lebte ab 1925 in Berlin. Dort engagierte er sich in der Arbeiterbewegung und wurde Mitglied der KPD. Seit 1929 arbeitete er mit Bertolt Brecht zusammen, zwischen den beiden entwickelte sich eine enge Freundschaft. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 emigrierte er und lebte in den Folgejahren in unterschiedlichen europäischen Ländern. 1938 zog er in den USA, wo er Filmmusiken schrieb, von denen sogar zwei für den Oscar nominiert wurden. 1949 kehrte er nach Ost-Berlin zurück und lehrte bald an der Deutschen Akademie der Künste und der neu gegründeten Berliner Hochschule für Musik. Diese wurde nach seinem Tod 1964 nach ihm benannt. In der DDR war er ein erfolgreicher Komponist und schuf gemeinsam mit Johannes R. Becher die Nationalhymne der DDR.

1965: Prozessbeginn gegen SS-Männer von Sobibor

Am 6. September 1965 beginnt im westfälischen Hagen der Prozess gegen elf SS-Wachmänner aus dem Vernichtungslager Sobibor. Das Lager war von den Nationalsozialisten ausschließlich zur Ermordung von Juden bestimmt. Den etwa 400 mal 600 Meter großen Komplex errichteten die Nazis 1942 im Bezirk Lublin im besetzten Polen. Insgesamt starben dort bis zu 250.000 Menschen.

Eine Karte mit Vernichtungslagern in Polen und Weissrussland 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Zunächst wurden vor allem polnische Juden in den Gaskammern von Sobibor ermordet, später auch Juden aus Deutschland, Frankreich, Tschechien, der Slowakei und den Niederlanden. Zum Lagerpersonal gehörten etwa 30 SS-Männer. 1966 folgen die Urteile im Prozess gegen die elf ehemaligen Aufseher: Ein Angeklagter wird zu lebenslanger Haft verurteilt, fünf bekommen mehrjährige Strafen, vier werden freigesprochen. Einer begeht Selbstmord.

1990: Gesetz über Rehabilitierung und Entschädigung der SED-Opfer

Am 6. September 1989 beschließt die DDR-Volkskammer ein Rehabilitierungsgesetz, das eine Entschädigung der Opfer des SED-Regimes vorsah. Mit der Deutschen Einheit, vier Wochen später, bleibt jedoch nur der Teil in Kraft, der die strafrechtliche Rehabilitierung zum Inhalt hat. Tausende SED-Opfer gehen leer aus. Ausgleichszahlungen bei beruflicher oder verwaltungsrechtlicher Willkür finden erst mit den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen von 1992 und 1994 Eingang ins bundesdeutsche Recht.

Teilnehmer einer Demonstration zum Thema Vergessene Opfergruppen des DDR-Regimes fordern Aufarbeitung stehen mit Plakaten am vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Teilnehmer einer Demonstration zum Thema vergessene Opfergruppen des DDR-Regimes fordern Aufarbeitung (Berlin, 2. August 2014) Bildrechte: picture alliance / dpa | Jörg Carstensen

1990: Katastrophale Umweltschäden auf DDR-Gebiet

Am 6. September 1990 gibt Bundesumweltminister Töpfer bekannt, dass die DDR-Böden massiv durch das Gift Dioxin belastet sind, vor allem in der Nähe von Schwermetall verarbeitenden Betrieben. Angesichts der starken Verschmutzung kündigt Töpfer Sanierungskonzepte und Umweltschutzmaßnahmen an.

Für besonders dioxinbelastete Böden werde ein Austausch der Erde vorgeschrieben. Für Flächen, auf denen Kinder ständig spielen, darf ein Belastungswert von 100 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Boden nicht überschritten werden. In anderen Fällen soll der Grenzwert bei 1.000 Nanogramm liegen. Ein Nanogramm ist ein milliardstel Gramm.

1991: Rückbenennung Leningrads

Am 6. September 1991 wird Leningrad wieder zurück in Sankt Petersburg benannt. Zuvor stimmen Bürgerinnen und Bürger in einer Volksabstimmung mit einer knappen Mehrheit für die Rückbenennung. Die Stadt wurde ab 1703 unter Zar Peter errichtet, der sie nach seinem Schutzheiligen, dem Apostel Petrus, benannte. Als Name etablierte sich zunächst die niederländische Bezeichnung Sankt Pieterburch, der später das deutsche Sankt Petersburg folgte. Im Ersten Weltkrieg 1914 wird die Stadt in Petrograd umbenannt, damit der Name nicht mehr deutsch klingen sollte. Nach Lenins Tod 1924 wurde der Name der Stadt zu seinen Ehren in Leningrad geändert. Heute leben in der zweitgrößten Stadt Russlands, in der auch der russische Präsident Putin geboren wurde, rund 5,4 Millionen Menschen (Stand 2021).