#blickzurück: Kalenderblatt der Geschichte Das geschah am 29. September
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29. September 2022, 05:00 Uhr
1922: Erstes "Philosophenschiff"
1922 läuft das deutsche Passagierschiff "Oberbürgermeister Haken" von Sankt Petersburg aus. An Bord: dreißig russische Intellektuelle, Ärzte und Wissenschaftler mit ihren Familien. Allesamt Personen, die der neu etablierten Sowjetmacht im Wege stehen. Sie werden auf direkte Anweisung Lenins und ohne Gerichtsverfahren aus dem Land ausgewiesen. Jegliche Wertgegenstände müssen zurückgelassen werden.
Insgesamt werden 225 Menschen des Landes verwiesen. Deutschland erklärt sich bereit, sie nach der Ankunft in Stettin zunächst aufzunehmen. Russland verliert so eine ganze Generation unabhängiger Intellektueller. Später werden die wenigen Intellektuellen, die noch im Land geblieben sind, verfolgt, verhaftet und hingerichtet. Diejenigen, die 1922 außer Landes geschickt wurden, bleiben vor diesem Schicksal bewahrt.
1941: Massaker von "Babi Jar" bei Kiew
1941 ermordet ein SS-Sonderkommando mehr als 33.000 ukrainische Juden. Unter dem Vorwand einer Umsiedlung werden die Menschen zur Schlucht "Babi Jar" (ukrainisch: Babyn Jar) nahe Kiew getrieben und dort nach und nach erschossen. Das grausame Massaker dauert zwei Tage. An der Planung sind neben dem Ortskommandeur von Kiew auch Wehrmachtsoffiziere, Angehörige der Sicherheitspolizei, der Geheimen Feldpolizei und der Einsatzgruppe C beteiligt. Nach ihrer Niederlage in Stalingrad 1943 zwingen die Nationalsozialisten jüdische Arbeitskommandos, die Massengräber von Babi Jar zu beseitigen. Nach Abschluss der Arbeiten werden auch sie erschossen. Die entsetzlichen Geschehnisse bleiben der Öffentlichkeit lange verborgen. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion werden die Umstände des Massakers aufgearbeitet. Heute ist Babi Jar ein Ort des Gedenkens.
1957: Atomunfall in Kyschtym
1957 ereignet sich der drittschwerste Atomunfall der Geschichte in Kyschtym im südlichen Ural. Wegen einer ausgefallenen Kühlleitung kommt es zu einer riesigen Explosion radioaktiven Abfallmaterials, das unterirdisch gelagert wurde. Die Partikel werden dabei bis zu 1.000 Meter hoch in die Luft geschleudert. Selbst in hunderten Kilometer Entfernung kann die Explosion als heller Schein wahrgenommen werden.
Das Material ist in seiner Radioaktivität vergleichbar mit den beim Unglück von Tschernobyl freigesetzten Stoffen. Es verteilt sich allerdings im Gegensatz zu Tschernobyl nur lokal und regional. Obwohl insgesamt 10.700 Menschen umgesiedelt werden müssen, kann der Vorfall wegen seiner örtlichen Begrenzung so bis in die 1970er Jahre vertuscht werden.
1957: Walter Ulbricht fordert Jugendweihe für alle
1957 fordert SED-Chef Walter Ulbricht die Teilnahme aller Jugendlichen an der Jugendweihe. Sie erfülle einen Bildungsauftrag, dem sich Kinder und Jugendliche nicht entziehen dürften. Die Jugendweihe verliert damit ihren freiwilligen Charakter. Bei Verweigerung der Teilnahme müssen die Schülerinnen und Schüler mit Nachteilen in ihrer weiteren schulischen und beruflichen Laufbahn rechnen. In den 1970er- und 1980er-Jahren nehmen etwa 90 Prozent aller Kinder in der DDR an der Jugendweihe teil. Heute ist die Jugendweihe auf freiwilliger Basis festes Ritual in vielen ostdeutschen Familien.
1992: Massengräber bei Bautzen entdeckt
1992 finden Bundeswehrsoldaten Massengräber in Bautzen. Bei den Toten handelt es sich um Häftlinge des ehemaligen Sowjetischen Speziallagers Nr. 4 aus den Jahren 1945-1950. Rund 3.000 Gefangene sterben dort an Hunger, Krankheit oder Misshandlungen. Unter den Inhaftierten befinden sich vor allem NS-Kriegsverbrecher, ehemalige NSDAP-Funktionäre und Wehrmachtsoffiziere. Doch auch Gegner der Besatzungsmacht, angebliche Spione und willkürlich Verhaftete werden eingesperrt. Eine individuelle Schuld wird nie festgestellt.