DDR-Schifffahrt Revolution auf See: Frauen an Bord
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23. Juli 2018, 08:12 Uhr
Alles, was nicht im Stehen über die Reling pinkeln kann, hat an Bord nichts zu suchen! Matrosen-Sprüche. Seemanns-Aberglaube. In der DDR pfiff man drauf. Mitte der 1970er-Jahre gehörte das Land zu den wichtigsten Seefahrernationen der Welt. In dieser Zeit durften zum ersten Mal auch Frauen an Bord. Ihre Rolle blieb allerdings auch auf sozialistischen Frachtern traditionell: Kittelschürze statt Seemannsuniform.
Den Seemännern der DDR-Marine gilt es als Revolution, als Mitte der 1970er-Jahre zum ersten Mal Frauen mit an Bord kommen. Damals gehört die DDR zu den wichtigsten Seefahrernationen der Welt. Mehr als 10.000 Seeleute sind auf insgesamt 203 Schiffen der Deutschen Seereederei unterwegs. Sie laufen Häfen in über 100 Ländern an. Kein anderes europäisches Land hat ein so weitverzweigtes Netz von Routen.
Kittelschürze statt Seemannsuniform
Zu Spitzenzeiten gehören über 1.000 Frauen allein zur Handelsflotte. Mit der Einstellung von Stewardessen sollen die Personalprobleme im sogenannten Wirtschaftsbereich gelöst werden. "An sich war das eine gewaltige Bereicherung. Ich muss sagen, das Niveau hat sich zum positiven gewendet", erinnert sich der ehemalige DDR-Seefahrer Wolfgang Schneider. Doch die Rollenverteilung bleibt klar: Kittelschürze statt Seemannsuniform. Kapitän bleibt auch in der DDR ein Männerberuf.
Was vom Mythos Seemann übrig blieb
Während sich die Männer an Bord nun öfter waschen, kämmen und rasieren, verliert der Mythos vom Seemann bei alltäglicher Betrachtung deutlich:
"Damals hieß es: Männer aus Stahl, Boote aus Holz. Doch als ich da war, war es umgekehrt", so die ehemalige Seefahrerin Sybille Knobloch. Dass sie es als Frau nicht immer einfach an Bord hatte und den Männern immer mal klare Kante zeigen musste, auch daran kann sie sich noch erinnern: "Ich habe manche Nacht Besuch bekommen - unaufgefordert und ungewollt. Und habe da aber keine schlechten Erfahrungen gemacht. Also ich bin wirklich mit allen gut ausgekommen."
Ein Ausnahme: Regina Schmid
In der Hochseefischerei werden Frauen wegen der harten Arbeitsbedingungen nach einigen Jahren aus der Produktion genommen. Nur eine bleibt: Regina Schmidt. Sie war die einzige Frau, die von einer Produktionsarbeiterin zur Produktionsleiterin aufstieg - und damit in den Rang eines Offiziers.
"Es war eine harte Schule. Ich kann mich erinnern, einmal habe ich ein Datum verwechselt. Das ging noch ein Jahr durch die Flotte: 'Die Alte ist zu blöd, sie weiß nicht mal das Datum'. Man darf dann nicht verzagen. Egal, wo man als Frau Karriere macht, die Bilder gleichen sich immer, und das war zu DDR-Zeiten nicht anders", so die mittlerweile verstorbene Schmidt. Unter ihrem Kommando werden damals im Durchschnitt 20 Prozent mehr Fisch verarbeitet als auf anderen Schiffen.
Am 3. Oktober 1990 wird auf allen Schiffen die DDR-Flagge eingeholt und die der Bundesrepublik gehisst. Es ist das Ende der DDR-Seefahrtsflotte.
Über dieses Thema berichtete das ZEITREISE MAGAZIN im: TV | 17.07.2018 | 21:15 Uhr