Das mitteldeutsche Chemiedreieck Buna, Leuna-Werke & Co. – Das Chemiedreieck der DDR
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25. November 2021, 14:15 Uhr
Die Leuna-Werke zählten zu den größten Rüstungsbetrieben im Dritten Reich. Später wurden sie zum größten chemischen Betrieb der DDR, mit verheerenden Folgen für die Umwelt. Bereits im Jahr 1916 wurde mit dem Bau der Leuna-Werke begonnen.
Krieg ist der Vater aller Dinge
Angefangen hatte alles mit dem Krieg – wie so oft in der Technik-Geschichte. Im Ersten Weltkrieg war Deutschland abgeschnitten vom Salpeter-Import aus Chile. Findige Ingenieure erfanden die Ammoniak-Synthese – fortan konnte auch ohne Salpeter der Grundstoff für Sprengstoff und Düngemittel hergestellt werden. Die Firma BASF aus Ludwigshafen legte am 25. Mai 1916 in Leuna den Grundstein und zog binnen eines Jahres ein riesiges Ammoniakwerk hoch – die Badische Anilin- und Sodafabrik Merseburg.
Die Lage war ideal: Mitteldeutschland liegt verkehrsgünstig, die Tagebaue der Region bieten große Mengen an Braunkohle. Sie liefert die Energie – und den typischen Geruch, der schon seit dem Beginn des Industriezeitalters aus Essen und Schornsteinen quillt. Die Bevölkerung lebt mit den Nebenwirkungen - Asthma- und Bronchitis-Erkrankungen. Ausreichend Wasser kommt von der Saale, Kalk aus dem Harz, Kali- und Steinsalz aus dem Staßfurter und Merseburger, Tonvorkommen aus dem Bitterfelder Raum. Schnell wird die Region um Merseburg zu einem Industriezentrum, das zu der Zeit in Europa seinesgleichen sucht.
Das Chemiedreieck der DDR
Später in der DDR waren in der Region neben Leuna in Bitterfeld, Merseburg und Schkopau die wichtigsten Chemiestandorte angesiedelt. "Plaste und Elaste aus Schkopau", "Agfa" und später "Orwo" - Markenzeichen der DDR. Was die Chemieproduktion für die Umwelt und die Bevölkerung bedeutete, war offiziell kein Thema. Statttdessen wurde munter mit dem Slogan "Chemie bringt Brot, Wohlstand und Schönheit" geworben. Der Volksmund reimte dagegen unverblümt:
Bitterfeld, Bitterfeld, wo der Dreck vom Himmel fällt.
Das sogenannte Chemiedreieck war einerseits ein hoch technisiertes Gebiet, andererseits eine der am stärksten belasteten Regionen der DDR. Die Umweltschäden waren beträchtlicht. Alte Fotos zeigen den Grauschleier, der über der Region hing. Zeitzeugen erinnern sich bis heute an den "sprichwörtlichen englischen Nebel", der in dunklen Schwaden oft durch die Stadt Halle kroch.
Das Chemiedreieck - Warum eigentlich genau hier?
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Region eher wirtschaftlich geprägt von Ackerbau, Handwerk und Tuchherstellung. Entscheidend für die Geschichte der Region ist jedoch das enorme Braunkohlevorkommen. Erste Abbauversuche gab es bereits ab Anfang des 19. Jahrhunderts, mit Hacke Schaufel und Pferdefuhrwerken. Nach der Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecken Leipzig-Dessau und Halle-Wittenberg 1858 wurde der Abbau gesteigert. Ab 1893 siedelten sich chemische Industriebetriebe an, die Abfallprodukte der Kohleverarbeitung zu wertvollen Chemikalien verarbeiteten.
Fossile Rohstoffe, fossile Produktionsmethoden
Zu DDR-Zeiten wird die Braunkohlenchemie teilweise umgestellt auf Erdöl. Die "Drushba-Pipeline" liefert das "Schwarze Gold" aus der Sowjetunion über Schwedt/Oder in den Chemiebezirk Halle. Hier wird der Rohstoff veredelt: "Plaste und Elaste aus Schkopau" bilden die Basis für eine Industrieproduktion, die oft auf Anlagen aus der Zwischenkriegszeit angewiesen ist.
Umweltstandards spielen kaum eine Rolle und die Umweltbelastung der gesamten Region ist mit Händen zu greifen: Saale, Mulde und Elbe verwandeln sich in Kloaken, die Luft ist beißend, im Boden lagern sich Schwermetalle und Giftstoffe ab. Besonders ätzend ist das Schwefeldioxid. Das giftige Gas aus der Braunkohlenverbrennung verpestet die Luft und sorgt für den "sauren Regen" – er gilt in den 1980er-Jahren als Hauptursache des Waldsterbens.
Saurer Regen
Schon 1970 hatte sich die DDR mit dem Landeskulturgesetz ein sehr fortschrittliches Umweltrecht gegeben, als zweites europäisches Land nach Schweden. Und aus dem Umweltministerium kam die Order, der Schwefeldioxid-Belastung etwas entgegenzusetzen. Wie auch im Westen meinte man, durch höhere Schornsteine dem Problem Herr werden zu können. Bis zu 300 Meter hoch ragten die Schlote in den Himmel – das entlastete zwar die Städte Halle, Merseburg und Bitterfeld, verteilte die giftige Last so aber nur an andere Stellen.
Wendezeit – als sich der Rauch verzog
In der Wendezeit war Umweltschutz dann ein Thema. Ein Reflex auf die Geheimhaltungspolitik der SED, die jahrzehntelang Umweltdaten unter Verschluss hielt. Das "Chemiedreieck" galt nun als Musterbeispiel für die Umweltverschmutzung in der DDR. Kein Fernsehsender, der nicht Bilder vom "Silbersee" gezeigt hätte oder von der "Säurekreuzung".
Drei Prozesse schufen Abhilfe: die Abwicklung der maroden Industrie, staatlich finanzierte Sanierungsmaßnahmen auf den mit Altlasten verdorbenen Flächen und nicht zuletzt die Durchsetzung neuer Umweltstandards für die sich neu ansiedelnde Industrie im Chemiedreieck. Heute ist das "Chemiedreieck" ein hochmoderner Industriestandort und weiter der größte Arbeitgeber der Region: Hier sind inzwischen wieder Tausende Menschen beschäftigt.
Das ehemalige Kohle-Abbaugebiet Goitzsche, das 1990 eher einer Mondlandschaft glich, ist inzwischen ein beliebtes Erholungs- und Naturschutzgebiet.
Dieses Thema im Programm: Die Bunker um Leuna - Von der Naziruine zum Chemiepark | 23. Februar 2021 | 21:00 Uhr