Hintergrund Vertriebenen-Treffen im Zoo
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01. November 2010, 11:14 Uhr
Sie galten als Staatsfeinde, Revanchisten, Volksverhetzer - Vertriebene in der DDR. Um Erinnerungen an die Heimat auszutauschen, trafen sie sich ganz unverdächtig in Zoos.
Wollten sich ehemalige Schüler einer Schule aus Schlesien oder Sudentenland treffen, um Erinnerungen auszutauschen, wurden sie bereits argwöhnisch von der Staatssicherheit beobachtet. Selbst das gemeinsame Singen von Volksliedern aus ihrer alten Heimat war verdächtig und in der Öffentlichkeit verboten. Die offizielle Linie der DDR lautete ab Mitte der fünfziger Jahre: "Wer sich jetzt noch als Vertriebener bekennt, macht sich der Volksverhetzung schuldig."
Die Vertreibung aus dem Zoo von Halle
1950 strömten erstmals Hunderte in den Zoo von Halle. Aber nicht etwa, um sich an Wölfen und Bären zu erfreuen, sondern um der alten Heimat zu gedenken, Freunde aus Jugendtagen wiederzusehen, Erinnerungen auszutauschen, durch die Vertreibung verlorene Kontakte wieder zu knüpfen.
Der Zoo war ein idealer Treffpunkt. Ganz unverdächtig konnte man zwischen Tierkäfigen und Gehegen umherschlendern, sich unterhalten und sich schließlich zu einem Umtrunk unter freiem Himmel im Zoo-Restaurant treffen. Die sogenannten "ehemaligen Umsiedler" wurden allerdings von der Volkspolizei observiert. Als sich diese Treffen im Zoo wiederholten, schritt die Staatsmacht 1953 ein - sie nahm 598 "Vertriebene" beim Besuch des Zoos fest. Das war das Ende dieser Treffen. Das Thema Heimat und Erinnerung wurde in die Wohnzimmer verbannt.
Im Schutz der Leipziger Löwen
Wie im benachbarten Halle trafen sich Anfang der 50er-Jahre auch im Leipziger Zoo alljährlich Tausende Vertriebener aus Schlesien und Sudetenland, um gemeinsam der alten Heimat zu gedenken. Meist geschah dies am 10. Mai, dem von den westdeutschen Vertriebenenverbänden gefeierten "Tag der Heimat". Es waren aber nicht nur die Alten, die zwischen den Gehegen ihren Jugenderinnerungen nachhingen, wie sich Horst Müller erinnert: "Das waren also auch Vertriebene, die damals so 16 ,17 Jahre alt waren. Und sie haben also sehr lustig über ihre Schulzeit gesprochen wie auch über die einstigen Heimatfeste."
"Die Heimat ist nicht verloren"
Zwar konnten sie nicht wie die Vertriebenen in der Bundesrepublik in ihren alten Trachten auftreten oder gemeinsame heimatliche Volkslieder singen, aber zumindest der zwanglose Plausch im Gartenrestaurant des Zoos war möglich. Unter den argwöhnischen Augen der Stasi und ihrer Spitzel wurden dann aber auch Sätze laut wie: "Die alte Heimat ist nicht verloren, wir stehen unter dem Schutz der freiheitlichen USA."
Genau solche Gedanken fürchtete die DDR Führung. Sie wollte unter keinen Umständen eine offene Diskussion zum Thema Heimat und Vertreibung zulassen. Die starke Repression vor und nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 beendete auch diese Zoo-Treffen in Leipzig. Viele gerade der älteren Vertriebenen machten sich stattdessen bis zum Mauerbau 1961 Jahr für Jahr auf den Weg, um an den großen Treffen der Schlesier, Sudentendeutschen und Ostpreußen in Westdeutschland teilzunehmen und tarnten das Ganze als Verwandtenbesuch.