Vor 70 Jahren gegründet Kaderschmiede DHfK: Spitzensportler, geheime Trainingsgeräte und Doping
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22. Oktober 2020, 15:18 Uhr
Am 22. Oktober 1950 gründete sich die Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig, die als Keimzelle des sogenannten DDR-Sportwunders galt. Mit der Sportschule, die weltweit zu den erfolgreichsten zählte, wollte der sozialistische Staat sein Ansehen stärken. Es gelang - nicht nur durch den Fleiß und Schweiß der Sportler, sondern auch dank modernen Trainingsgeräten, die unter höchster Geheimhaltung hier entwickelt wurden - und später auch mit Hilfe von verbotenem Doping.
Im Februar 1950 war der Aufbau der DHfK als "zentrale sportliche Ausbildungs- und Wissenschaftseinrichtung" durch das Jugendgesetz beschlossen worden. Bereits im Oktober bezogen die ersten 96 Sportstudenten die provisorisch hergerichteten Räume im riesigen Komplex an der Stalin-Allee. Die Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) sollte Fachleute und Sportler ausbilden, die dazu beitrugen, dass sich die DDR zu einer der führenden Sportnationen der Welt entwickeln konnte. Neben dem Standort in Leipzig richtete die DHfK auch Außenstellen in Rostock, Magdeburg, Dresden, Erfurt, Berlin und Chemnitz ein.
Die DDR will Olympiasieger sein
Durch erfolgreiche Teilnahme an internationalen Wettkämpfen, insbesondere an den Olympischen Spielen, wollte die DDR im weltweiten Vergleich glänzen und die vermeintliche Überlegenheit des Sozialismus beweisen. Und so wurde 1954 der Sportclub der DHfK ins Leben gerufen. Das Ziel: "Leistungssportler und ihre Trainer sollen in diesem Sportclub konzentriert und zu sportlichen Höchstleistungen geführt werden". Die Investition in die Sporthochschule und in den SC DHfK zahlte sich aus - die DDR stieg allmählich zu einer führenden Sportnation auf. Bei den Olympischen Spielen 1972 erreichte sie schließlich den dritten Platz in der Medaillenwertung hinter den Supermächten Sowjetunion und USA - das glanzvolle Ergebnis einer Entwicklung, die planmäßig vorangetrieben wurde.
Wir haben trotz knurrendem Magen rechtzeitig erkannt, welche Wege beschritten werden müssen, um erfolgreich zu sein.
DHfK-Studium: Der Ritterschlag für Sporttalente
Mit den großzügigen finanziellen Mitteln, die der Staat zu Verfügung stellte, baute die DHfK eigene Sportstätten und kaufte Trainingsgeräte. Dank den kostspieligen und modernen Einrichtungen, wie einem Bootshaus, Werferhaus oder Ruderkasten, konnten sich die Sportler auch im Winter auf Wettkämpfe vorbereiten. Aktiven und erfolgreichen Sportlern stellte die DDR auch andere Entlohnungen in Aussicht: Für Medaillen konnten sie Geldprämien, Reisen nach Kuba oder Unterstützung beim Hausbau und dem Erwerb eines Autos bekommen. An der berühmten Sporthochschule angenommen zu werden, galt für viele Sportler als Hauptgewinn.
Die DHfK war mir bekannt. Dass ich angesprochen wurde, dort zu studieren, war ein Höhepunkt in meinem Leben. Jeder, der Sport getrieben hatte, wusste: Die DHfK war das Aushängeschild des DDR-Sports.
Moderne Sportgeräte unter Geheimhaltung entwickelt
Im April 1969 wurde ein weitreichender Beschluss gefasst, der dafür sorgte, dass sich die staatliche Förderung künftig auf medaillenträchtige Sportarten beschränkte. Weniger erfolgreiche Sportarten, wie zum Beispiel Basketball, wurden aus dem Förderkatalog gestrichen, damit man alle Kräfte auf die aussichtsreichen Disziplinen konzentrieren kann.
Wir müssen die Orientierung geben, in den Sommersportarten immer zu den vier, fünf führenden Ländern zu gehören. Im Winter, wo unsere Möglichkeiten aufgrund der natürlichen Bedingungen geringer sind, müssen wir sehen, dass wir immer zu den acht, neun Besten gehören.
Mit dem Beschluss wurde auch die Arbeit der Entwicklungsabteilung für Sportgeräte an der DHfK intensiviert. 180 Wissenschaftler versuchten, neue Erfolgsstrategien zu entwickeln. Aus Angst, die ausländische Konkurrenz könnte entdecken, was in Leipzig entwickelt wird, wurden die Erkenntnisse der Material- und Trainingsforschung zur Geheimsache erklärt.
Neu entwickelte Anlagen, wie zum Beispiel der erste Strömungskanal, waren nur für einen kleinen Personenkreis zugänglich. Die Gegenströmung des Kanals sollte das Schwimmen erschweren und somit die Ausdauer beziehungsweise Kraft der Sportler verbessern.
Man wollte sich nicht in die Karten gucken lassen. Keiner hatte ein Bild von diesem Schwimmkanal. Das war verboten. Nur die Topschwimmer und Toptrainer durften in den Schwimmkanal und mit ihm arbeiten.
Auch für andere Sportarten hatte die DHfK moderne Trainingsgeräte entwickelt. Für Skiläufer wurde ein spezielles kippbares Laufband gebaut, das ihre Schnelligkeit trainieren sollte. Zu dieser Zeit waren höhenverstellbare Laufbänder eine Weltneuheit. Durch die innovativen Trainingsmethoden ging der Plan des Sportbundes, "zu den vier, fünf führenden Ländern zu gehören" und jedenfalls stets "eine Platzierung vor der Bundesrepublik zu erreichen", schon nach drei Jahren auf. Die DDR bestimmte seit den Olympischen Spielen von München 1972 bis 1990 in etlichen Sportarten das Weltniveau und lag im Medaillenspiegel tatsächlich immer vor der Bundesrepublik.
Internationale Trainerkurse an der DHfK
Durch die zahlreichen Medaillengewinne der Leipziger Sportler wurde die DHfK auch für ausländische Studierende immer attraktiver. Das erkannte auch der Staat.
Es war schon immer mein Wunsch, Schwimmtrainer zu werden. Und als man dann angenommen wurde, da war man schon stolz. Man hat ja über die Jahre gemerkt, was da für sportliche Erfolge rauskommen, und da wollte man vielleicht ein Teil davon werden.
Die Einladungen zu internationalen Trainerkursen in Leipzig wurden bald zu einem bedeutenden Instrument der Außenpolitik der DDR. In den Jahren bis zum Mauerfall absolvierten insgesamt 4.000 Trainer aus aller Welt Kurse an der DHfK, darunter auch heute noch einflussreiche Sportfunktionäre und Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees.
Doping und das Ende
Die Bemühungen, die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Sportler durch bessere Sportgeräte und medizinische Betreuung zu verbessern, stießen bald an natürliche Grenzen. Von 1968 bis 1972 versuchte man deshalb, im Geheimen einen neuen Weg zur Leistungssteigerung zu testen: Mit den Leistungssportlern des SC DHfK wurden erste Versuche zur Wirkung von Anabolika unternommen. Die "Wundermittel" schlugen bei einigen Athleten tatsächlich an und setzten sich als Dopingmittel in der Sportmedizin der DDR durch.
Die Einnahme solcher Substanzen wurde sowohl von der Regierung als auch von den Sportfunktionären geheim gehalten. Selbst die Athleten in Leipzig wussten nicht immer, welche Pillen ihnen Sportärzte und Trainer verabreichten. Der Einsatz von Dopingmitteln führte über die Jahre bei vielen Sportlern jedoch zu schweren Nebenwirkungen und gesundheitlichen Schädigungen. Reden durfte darüber niemand.
Erst nach dem Mauerfall begannen Nachforschungen über die Doping-Praktiken der DDR. Immer neue Vorwürfe kamen ans Licht. Die DHfK wurde von manchen sogar als "Hochburg der Anabolika" bezeichnet. Die Dopingvorwürfe führten letztlich am 11. Dezember 1990 auch zur Schließung der Hochschule. Mehr als 1.000 Mitarbeiter verloren ihren Job, darunter auch jene 20 Wissenschaftler, die sich ausschließlich mit dem Thema Doping befasst hatten.
Der Neuanfang 1993
Am 8. Dezember 1993 wurde nach langen Diskussionen die sportwissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig gegründet, die auch einige ehemalige Angestellte und die Infrastruktur der DHfK übernahm. Was aus DHfK-Tagen ebenfalls überlebt hat, sind die internationalen Trainingskurse. Das Bundesaußenministerium finanziert jährlich für etwa 100 ausländische Studenten die Teilnahme an Trainingskursen. Heute ist das Lehrangebot wesentlich breiter gefächert als zu DDR-Zeiten. Neben traditionellen Sportarten wie Rudern, Schwimmen oder Leichtathletik sind auch Cheerleading oder Floorball beim SC DHfK zu finden. Seit 1950 ist er der erfolgreichste Sportverein der Welt. Gemessen an gewonnenen Goldmedaillen zu Olympischen Spielen, ist der SC DHfK Leipzig einer der erfolgreichsten Sportvereine der Welt.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Osten - Entdecke wo du lebst | 20. Oktober 2020 | 21:00 Uhr