Schönheitsköniginnen Miss-Wahlen in der DDR: "Die Ossis sollen auch mal was Schönes sehen"

Die erste und einzige Wahl zur "Miss DDR" wurde zwei Wochen vor dem Ende des sozialistischen Staates abgehalten. 15 Schönheiten, die aus immerhin 3.512 Bewerberinnen ausgewählt worden waren, präsentierten sich einer Jury in Schwerin. "Kurz nach Mitternacht erreichte die Spannung dann ihren Höhepunkt - Bekanntgabe der Frau des Jahres", berichtete ein atemloser Reporter der "Aktuellen Kamera". "Sie ist nicht Politikerin, sondern Studentin: die 19-jährige Leticia Koffke aus Brandenburg. Koffke war nicht nur "Miss DDR" und "Vize-Miss Brandenburg", sondern wurde im Dezember 1990 auch zur schönsten Frau des wiedervereinigten Deutschlands gewählt.

Schönheitswettbewerbe galten in der DDR - ein ausdrückliches Verbot hatte es nie gegeben - als wenigstens unerwünscht. "Miss-Wahlen" wie im Westen waren von den SED-Oberen stets als kapitalistische Ausbeutung und Erniedrigung der Frau geächtet worden. Dergleichen wolle man im Sozialismus keineswegs dulden, hieß es. Ab Mitte der 80er Jahre freilich schauten die Parteifunktionäre nicht mehr so genau hin. Immerhin gab es drängendere Probleme, als mehr oder weniger leicht bekleidete Frauen, die sich auf den Bühnen irgendwelcher Provinzkulturhäuser einer Jury stellten.

Und so gab es hier und da in der Republik, im Rahmen von Faschingsveranstaltungen etwa, bereits die eine oder andere "Miss-Wahl". In einer Disco namens "Feuerwache" im Berliner Stadtbezirk Marzahn gab es im April 1986 dann eine Premiere im Arbeiter- und Bauernstaat. 26 junge Frauen wetteiferten in dem als "Kulturveranstaltung" deklarierten Wettbewerb um den Titel "Miss Frühling". Zweimal mussten sie sich an diesem Abend auf der Bühne präsentieren: einmal im "Tagesoutfit" (wie es damals hieß) und das zweite Mal im Badeanzug. Zwischendrin hatten die Veranstalter eine Fragerunde platziert, in der sich die Kandidatinnen möglichst originell vorzustellen hatten. Schließlich - das war der tiefere Grund der Runde - sollte jeder Anschein vermieden werden, dass in der "Feuerwache" eine Art "Fleischbeschauung" stattfinde.

In der Jury saßen durchaus prominente und ausgesprochen gut gelaunte Zeitgenossen - Tamara Danz etwa, Frank Schöbel und Wolfgang Lippert. Sie kürten schließlich die 24-jährige Schriftgestalterin Katrin Gawenda (heute Güttler) zur "Miss Frühling" und somit zur ersten Schönheitskönigin der DDR. Die blonde junge Frau gab nach der Ehrung pflichtschuldig zu Protokoll: "Ich überzeugte wohl die Jury, weil ich bei der Fragerunde ganz gut abschnitt." Erst zwei Wochen später schreiben auch die DDR-Zeitungen über Miss Frühling. Katrin Gawenda darf sogar bei Jürgen Karney im Fernsehen auftreten. Auf die "Miss Frühling" folgte die "Miss Sommer", die "Miss Eberswalde" und ein Jahr später, 1987, die "Miss Berlin", die anlässlich der 750-Jahr-Feierlichkeiten der Hauptstadt während des großen Festumzugs sogar an Erich Honecker vorbei defilierten durfte.

Ab 1990 gab es kaum eine Stadt in der untergehenden Republik, die sich nicht eine eigene Schönheitskönigin leistete. Die "Miss-Wahlen" entwickelten sich zu einem regelrechten Geschäftszweig, der freilich von westdeutschen Agenturen dominiert wurde. Sie sahen sich als mildtätige Botschafter, die den gebeutelten Ossis gute Laune schenkten: "Die Ostler hier", sagte einer der Agenturchefs damals, "sollen doch auch noch was Schönes sehen in ihrem Leben." 

(hd)