Vermittler Peter Schimmelpfennig: Der Importeur der Ost-Stars
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22. Dezember 2009, 13:06 Uhr
Peter Schimmelpfennig hat mehr als zehn Jahre lang DDR-Musiker im Westen vermarktet - und lebenslange Freundschaften geschlossen. Er lobt noch heute den Ost-Rock.
Die westdeutsche Karriere der Puhdys begann mit einem Sendeloch. In dem Augenblick nämlich, als ein westdeutscher Musikmanager mit seinem Auto auf der Transit-Strecke zwischen Hamburg und Berlin unterwegs war und sein Autoradio keinen Westsender mehr empfangen konnte. Also drehte er den DDR-Rundfunk rein. Und was er hörte, gefiel ihm sofort: Die Puhdys sangen ihren Kulthit "Geh zu ihr". Der Musikfachmann aus dem Westen war Peter Schimmelpfennig. Er hat den Beginn seiner Leidenschaft für den Ost-Rock bis heute nicht vergessen.
Musikalische Ursprünge in Hamburg
Schimmelpfennig ist noch immer ein gewiefter Musikkenner und Produzent. Er wurde in Wien geboren und ist, wie er selbst sagt "groß geworden in Hamburg, aber erwachsen geworden in Westberlin", wo er noch heute in einer gemütlichen Altbauwohnung lebt. Schon seine Eltern waren äußerst musikalisch - der Vater Horst Schimmelpfennig spielte als renommierter Organist unter anderem bei der UFA. Und auch das Aufwachsen in der "Rockstadt Hamburg", erzählt der 65-jährige Peter Schimmelpfennig heute, habe ihn so musikverrückt gemacht.
Doch auch wenn er seit den 60er Jahren in der Bundesrepublik und Westberlin für die renommierte Plattenfirma Metronome unterwegs war und sogar einen eigenen kleinen Musikverlag besaß, hatte er doch mit DDR-Musik zunächst wenig am Hut. Das Land jenseits der deutsch-deutschen Grenze fand er grau und abschreckend, die Musikszene war ihm wenig geläufig. Doch nachdem ihm der Puhdys-Hit nicht mehr aus dem Kopf ging, reifte in ihm die Idee, sich der DDR-Rockmusik zu widmen.
Er, der zu diesem Zeitpunkt schon Künstler wie Mike Krüger, Demis Roussos, Vicky Leandros und Status Quo unter seinen Fittichen hatte, wollte etwas Neues wagen. Und als er schließlich den Puhdys-Bassisten Harry Jeske in Ost-Berlin kennenlernte, wusste er: Er musste den Ost-Rock in Westdeutschland bekanntmachen. Jeske versorgte ihn mit Material der Band: Platten, Poster, Souvenirs. Und was Schimmelpfennig von der DDR-Band hörte, überraschte ihn: "Das war nicht nur ‚nicht schlecht’ oder ‚ganz gut’, sondern richtig toll - so, wie es war, mit den wunderschönen Texten und dieser sonderbaren ‚Farbe’ in der Musik". Diese "Farbe", sagt er heute, habe er außer in der DDR nie wieder irgendwo in der Musik gefunden.
Mutige Investition in ostdeutsche Musik
Mitte der 70er Jahre also startete Schimmelpfennig das Unternehmen "Ost-Rock". Zunächst mit Besuchen bei den zuständigen DDR-Institutionen: "Harry Jeske klärte mich auf, wer alles anzulaufen sei - nämlich die Künstler-Agentur, der VEB Deutsche Schallplatten und der VEB Lied der Zeit." Gesagt, getan. Und irgendwann traf sich der Musikmanager auch mit der AMIGA-Chefetage. Für 25.000 West-Mark konnte er die Puhdys-Lizenz für Westdeutschland erwerben. Er kratzte das Geld selbst zusammen, denn er war sicher: Die Investition lohnt sich.
Mit der ersten Puhdys-LP im Gepäck tingelte er im Westen von Plattenfirma zu Plattenfirma. Doch seine Euphorie für die ostdeutsche Rockmusik teilte zunächst niemand. "Alle sagten mir: Das finden sie gut? Ach, sie Armer!" Ohne Live-Auftritte der Band war die Musik nicht an den Mann zu bringen. Und so kam es am 9. November 1976 zum ersten Auftritt einer ostdeutschen Rockband im Westen: Die Puhdys spielten in der Hamburger "Fabrik". Gage: 1000 Mark. Die vorherigen Verhandlungen hat Schimmelpfennig als unkompliziert in Erinnerung.
Die Ost-Klienten lernten schnell "laufen"
Schon bald kam er mit einer weiteren DDR-Rockband in Berührung, als er in Halle zum ersten Mal Karat live erlebte. Auch für diese ostdeutschen Rocker rührte er bald im Westen die Werbetrommel, genau wie für "City". Der Lohn: goldene Schallplatten. Dabei, so sagt er, hätte er sich immer für die Künstler verantwortlich gefühlt und nicht nur das Produkt gesehen. "Für mich sind das immer leibhaftige Menschen gewesen, die verletzlich und neben dem ganzen Krawall und Krabumm eben auch sensibel sind und denen man auch mal helfen muss", erzählt er. "Wir sprachen schließlich dieselbe Sprache und hatten ähnliche Gedanken. Uns trennte nicht viel."
Überhaupt hätten seine Ost-Klienten im Westen recht schnell "laufen gelernt." Unkompliziert seien sie gewesen. Und zupackend. Als einmal vor einem Auftritt in Hof die Achse des W 50 der Puhdys brach, gab es kein großes Gejammer oder Katastrophenstimmung. "Die waren alle ganz entspannt. Und Harry, der für die Technik zuständig war, wusste, was zu tun ist. Er setzte sich ins Auto, ist nach Ostberlin gebrettert, und am nächsten Tag war die Achse da." Wenn Schimmelpfennig sich an die bewegten Zeiten mit den Ost-Rockern erinnert, erkennt man Schalk und Freude in seinen Augen.
Der Entdecker kommt aufs Abstellgleis
Der Erfolg "seiner" Ost-Bands gab ihm Recht. Die Puhdys erspielten sich in Westdeutschland eine eigene Fangemeinde, Karat wurden 1986 in Saarbrücken mit der "Goldenen Europa" ausgezeichnet, Peter Maffay coverte später sogar ihren erfolgreichsten Titel "Über sieben Brücken musst du gehn". In der Folge klopften viele Künstler und Bands an Schimmelpfennigs Tür - Berluc, Electra, Stern Meißen. Doch er wollte seine Klientel übersichtlich halten. "Es musste etwas Besonderes bleiben", erklärt er. Er nahm unter anderem noch Reinhard Lakomy und Gerhard Schöne unter seine Fittiche. "Mit ihren Kinderliedern wuchsen meine Sprösslinge auf".
Bis 1986 dauerte die fruchtbare Zusammenarbeit von Schimmelpfennig mit den Ost-Stars. Dann, so nennt er es heute, "opferte" ihn AMIGA und schloss Verträge mit der großen westdeutschen Plattenfirma Teldec. Schimmelpfennig, der ein Wegbereiter für viele Oststars im Westen war, wurde aufs Abstellgleis gestellt.
Doch er erinnert sich gern an die Zeit mit "seinen" DDR-Stars. Mit den meisten seiner ehemaligen Klienten ist er bis heute befreundet. Und er lobt noch immer die Qualität der ostdeutschen Musikszene: "Die Puhdys haben den Deutschen Rock gehörig angeschoben - auch im Westen". Umso mehr freut es ihn, dass sie und viele andere es nach der Wende geschafft haben, sich auf dem gesamtdeutschen Markt durchzusetzen. Er sei im Herbst 1989 nach dem ersten Schock für die Bands zuversichtlich gewesen, denn schließlich wusste er: "Auch im Westen kocht man nur mit Wasser!"