Die Kelly Family, Rammstein und Die Toten Hosen Die Kelly Family, Rammstein und Die Toten Hosen – vom Osten geprägt
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16. September 2022, 17:08 Uhr
Auf den ersten Blick haben die Kelly Family, Rammstein und Die Toten Hosen wohl recht wenig gemeinsam – neben ihren großen musikalischen Erfolgen. Doch die Bands eint noch etwas anderes: sie alle fühlen sich auf kaum bekannte Weise der DDR und Ostdeutschland verbunden. Eine exklusive Doku zeigt die prägendsten Stationen der Kelly Family im Osten – und warum die quirlige Folkband hier fast beliebter ist als im Westen.
Prominente Ost-Stars wie die Puhdys, Nina Hagen und City sind hinlänglich als DDR-Gewächse bekannt. Auch, dass Udo Lindenberg sich jahrelang bemühte, in der DDR aufzutreten – bis er 1983 endlich im "Palast der Republik" in Ost-Berlin singen durfte. Von der Kelly Family, Rammstein und den Toten Hosen wissen dagegen nur die wenigsten, wie eng sie mit der DDR und Ostdeutschland verbunden sind.
Musik unter staatlicher Kontrolle
In der DDR unterliegen Musikerinnen und Musiker einer strengen staatlichen Zensur. Regimekritischen Kunstschaffenden droht Auftritts-, Publikations- und Ausreiseverbot. Die stimmgewaltige Ost-Berlinerin und Stieftochter von Wolf Biermann – Nina Hagen – verlässt die DDR deshalb sogar 1977. Aber auch Künstlerinnen und Künstlern aus dem westlichen Ausland ist es lange verboten, Konzerte im sozialistischen Staat zu spielen. Erst Ende der 80er-Jahre, im Zuge allgemeiner politischer Reformen, dürfen immer mehr West-Stars in der DDR auftreten – natürlich unter strenger Aufsicht und Kontrolle der SED-Regierung. Depeche Mode, Bryan Adams, Peter Maffay, Roland Kaiser – sie alle stürmen endlich die Bühnen der DDR.
Die Kelly Family – in Ostdeutschland groß geworden
Auch die damals noch ziemlich unbekannte Kelly Family darf in der DDR auftreten – und das sogar im Fernsehen! In Westdeutschland spielt sie bislang nur auf Stadtfesten oder gibt Straßenkonzerte. 1989 wird die quirlige Folk-Band in die Samstagabendshow "Ein Kessel Buntes" eingeladen und die irische Großfamilie spielt sich sofort in die ostdeutschen Herzen. Nur wenige Tage später bekommen die Kellys sogar eine eigene Spezialsendung, die in Cottbus gedreht wird.
Das einzige Manko: Um in die DDR zu gelangen, müssen die jungen Kellys den deutsch-deutschen Grenzübergang mit seinen strengen Kontrollen passieren. Joey gibt zu: "Ich persönlich hatte immer Angst. Wir dachten immer, wenn wir was falsch machen, werden wir sofort verhaftet". Doch die DDR-Polizisten sind immer freundlich und fragen manchmal sogar nach Kassetten – obwohl Tonträger aus dem Westen in der DDR verboten sind! Selbst unter den Ordnungshütern hat die Kelly Family Fans.
Das Freiheitsgefühl, das wir den Menschen hier gegeben haben, das haben die richtig aufgesaugt.
Nach dem Fall der Berliner Mauer gibt die Kelly Family Straßenkonzerte in ganz Ostdeutschland – oft sogar ohne Gage. Ihr erster Auftritt findet in Magdeburg statt, aber viele weitere Städte folgen: Leipzig, Berlin, Chemnitz, Warnemünde, Rostock … Bis heute erinnern sich die Geschwister gerne an ihre Zeit im Osten. Im Gegenzug verhilft er ihnen zu Popularität - 1994 gelingt ihnen der Durchbruch.
Die haben uns vertraut und da ist eine Verbundenheit mit dem Osten, die wir haben. Ich und wir alle, wir lieben den Osten, der Osten ist großartig. Die haben es uns wirklich ermöglicht, diese Erfolge zu feiern.
Das Geheimkonzert der Toten Hosen
Diese westdeutsche Punkband wäre auf offiziellem Wege wohl niemals in die DDR eingeladen worden: Die Toten Hosen. Davon lassen sich die auf Krawall gebürsteten Düsseldorfer aber nicht abhalten. Kurz nach ihrer Gründung mogeln sie sich mit List und guten Kontakten in die DDR – und spielen am 28. März 1983 gemeinsam mit der ostdeutschen Punkrockband Planlos ein illegales Konzert in der Berliner Erlöserkirche. Mit einer gehörigen Portion Abenteuerlust und jugendlichem Mut führen sie die Stasi an der Nase herum und setzen ein Statement – gegen das System und für den Punk. Die "unangepasste" Jugendszene der DDR ist völlig begeistert. Für die Toten Hosen zählt das Geheimkonzert zu einem der prägendsten Momente ihrer Bandgeschichte.
Kein Rammstein ohne die DDR
1983 - im selben Jahr, in dem Udo Lindenberg und die Toten Hosen in Ost-Berlin spielen – gründet sich die Punkband Feeling B. Wie es der Zufall will, werden die Amateurmusiker für einen DEFA-Dokumentarfilm rekrutiert, interviewt und bei Konzerten begleitet. Staat und Stasi haben ihren repressiven Umgang mit Punk und Musik mit "westlichen Wurzeln" inzwischen gelockert und die Doku über alternative Szenen in der DDR freigegeben. Auch die bereits etablierte Rockband Silly wird in "flüstern & SCHREIEN – ein Rockreport" porträtiert. Der Film kommt 1988 in die Kinos und erhöht den Bekanntheitsgrad von Feeling B enorm. 1989 nimmt die Band sogar das erste offizielle DDR-Punkalbum "Hea Hoa" bei der staatlichen Plattenfirma Amiga auf.
1994 löst sich Feeling B auf. Gitarrist Paul Landers, Keyboarder Christian "Flake" Lorenz und Gast-Schlagzeuger Christoph Schneider schließen sich jedoch schnell mit drei anderen Musikern aus der ehemaligen DDR-Punkszene zusammen: Sänger Till Lindemann, Gitarrist Richard Kruspe und Bassist Oliver Riedel. Unter dem Bandnamen Rammstein sorgen sie bald für zahlreiche Skandale und ausverkaufte Konzerthallen. Mit ihrem einzigarten Musikstil der Neuen Deutschen Härte, spektakulären Bühnenshows und provokanten Texten feiert die Band bis heute große Erfolge. Eines haben sie jedoch nie vergessen: Ohne die DDR hätte es Rammstein nie gegeben.
Die Kelly Family, Rammstein und Die Toten Hosen – sie alle erleben prägende Momente in der DDR, noch vor ihrem großen Durchbruch. Sie trotzen Zensur, Repressionen und gesellschaftlichen Normen und beweisen damit: Musik kennt keine Grenzen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Die Kelly Family und der Osten | 18. September 2022 | 20:15 Uhr