"Herzklopfen kostenlos" Quermanns große Talentshow
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12. Juni 2020, 13:48 Uhr
Talente aus dem Volk entdecken und mit deren Auftritten die Werktätigen erfreuen – das war die Mission von "Herzklopfen kostenlos", der langlebigsten Talentshow des deutschen Fernsehens.
"'Herzklopfen kostenlos' war in der Bevölkerung richtig verankert, es war eine Sendung für ein Millionenpublikum. Es war interessant, weil aus Werktätigen plötzlich Stars wurden, die auf der Bühne standen und tolle Darbietungen brachten", erinnert sich Ekkehard Göpelt, selbst ein "Werktätiger", der 1969 in der Talentshow des DDR-Fernsehens als Schlagersänger auf der Bühne gestanden hatte. "Ich war ganz stolz gewesen. Meine Mutter war da und auch die Mutter von Frank Schöbel, meine Gesangslehrerin. Und die beiden haben mir die Daumen gedrückt."
Neue Gesichter fürs Fernsehpublikum
1958 war "Herzklopfen kostenlos" von Heinz Quermann erfunden worden. Im Westfernsehen gab es allerdings bereits seit 1953 eine ähnliche Sendung: Peter Frankenfelds "Wer will, der kann. Die große Talentprobe für jedermann", von der sich Quermann durchaus inspirieren ließ. Heinz Quermann galt als der "Unterhaltungspate" der DDR - im Radio präsentierte er jeden Montag die legendäre "Schlagerrevue" und im Fernsehen lief damals schon seine erfolgreiche Show "Da lacht der Bär".
Eigentlich hatte Quermann mit seiner neuen Sendung nur ein paar neue Gesichter für das Fernsehpublikum entdecken wollen, doch die Parade der jungen Talente wurde schnell populärer als alle anderen Unterhaltungssendungen des DDR-Fernsehens und bekam alsbald einen der begehrten Sendeplätze am Samstagabend. Quermann, der sich in seiner Rolle als leutseliger Talentvater sehr gefiel, gab in seiner neuen Show Laienkünstlern aller Art eine Bühne – Schlagersängern, Kabarettisten, Rezitatoren, Instrumentalisten und Schauspielern. Hauptsache, sie hatten etwas Unterhaltsames zu bieten. Und das Publikum fieberte mit, wenn zwei Schlosser waghalsige artistische Nummern boten, ein Siebenjähriger Brahms spielte, eine Kellnerin sich als Kabarettistin versuchte, Soldaten im Chor sangen und Lehrlinge einer LPG mit Gartengeräten jonglierten.
Auf dem "Bitterfelder Weg"
Kulturpolitisch wandelte Quermann mit seinem "Herzklopfen kostenlos" auf dem "Bitterfelder Weg". 1959 hatte SED-Chef Walter Ulbricht auf einer Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlags in Bitterfeld die Werktätigen der DDR dazu aufgefordert, die Höhen der Kultur zu stürmen. Das Motto der Konferenz gab der Schriftsteller Werner Bräunig vor: "Greif zur Feder, Kumpel, die sozialistische Nationalkultur braucht dich!" Ulbricht, selbst ein großer Freund der heiteren Muße, hatte sich Heinz Quermann als Hauptredner gewünscht. Und der glänzte prompt mit seiner Talentshow.
"Ein schöner Schritt nach vorn"
Heinz Quermann stieg nach der Konferenz in Bitterfeld gewissermaßen zum obersten Talentförderer in Sachen Unterhaltung auf. In allen Bezirken und Kreisen der DDR suchten hauptamtliche Kulturarbeiter nach geeigneten Kandidaten für seine Sendung. In den mehr als 1.000 Kulturhäusern der Republik trafen sie gemeinsam mit Vertretern von FDJ, Kulturbehörden und dem FDGB eine Vorauswahl. Quermann selbst tourte mit seinem Stab rastlos durch's Land und sichtete – nur die Besten sollten schließlich eine Chance in "Herzklopfen kostenlos" bekommen.
Viele junge Talente beweisen heute, dass sie den gestiegenen Ansprüchen gerecht werden. Wenn ich an die ersten Leistungsvergleiche denke, dann kann man wirklich sagen, eijeijeij, ein schöner Schritt nach vorn.
Selbst Nina Hagen war bei Quermann
Und tatsächlich: Quermann entging in diesen Jahren kaum ein junges Talent. Fast alle, die in den 1970er- und 1980er-Jahren zur Prominenz der DDR-Unterhaltung gehören sollten, waren von ihm entdeckt worden: Frank Schöbel, Chris Doerk, Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler, Regina Thoss, Monika Herz, Roland Neudert, Wolfgang Ziegler, Michael Hansen oder Dagmar Frederic. Auch Veronika Fischer hatte ihren ersten Fernsehauftritt in "Herzklopfen kostenlos". Und selbst Punklady Nina Hagen pries im Jahr 2000 den Talentvater Heinz Quermann als ihren "Entdecker".
Quermann bestimmt, wer auf die Bühne darf
1973 wurde "Herzklopfen kostenlos" einer Modernisierung unterzogen: Die Sendung hieß fortan "Heitere Premiere" und Heinz Quermann war nicht mehr der Moderator. Im Hintergrund hielt er aber bis zur letzten Sendung 1990 alle Fäden in der Hand – er schrieb die Drehbücher und bestimmte, wer auf die Bühne durfte. Turnende Schlosser und jonglierende LPG-Lehrlinge galten nun allerdings auch nicht mehr als der letzte Schrei – der "Bitterfelder Weg" war längst Geschichte. In der DDR gab es jetzt genügend junge, talentierte Sangeskünstler, die das Publikum mit mehr oder weniger professionellen Darbietungen fesseln konnten.
Traumhafte Arbeitsbedingungen
Ekkehard Göpelt, der 1969 bei "Herzklopfen kostenlos" als junges Talent einen Schlager hatte trällern dürfen, war zu dieser Zeit bereits Schlagersänger mit "Berufsausweis". Für ihn war "Herzklopfen kostenlos" ein Sprungbrett gewesen, um sich seinen Traum von einem Sängerdasein erfüllen zu können - auch wenn es letztlich nicht zur ganz großen Karriere gereicht hatte. Göpelt tingelte mit seinem Programm durch Kulturhäuser, Ferienheime und Betriebskantinen. Das allerdings zu Traumbedingungen: Der Kalender war das ganze Jahr voll und pro Auftritt gab es 400 Mark. Von solchen Gehältern konnten selbst Generaldirektoren und Ärzte nur träumen.
(Zitat Ekkehard Göpelt aus: Knut Benzner, Herzklopfen kostenlos, Deutschlandradio 2009)
Dieses Thema im Programm: MDR Zeitreise | 14. Juni 2020 | 22:25 Uhr