Hollywood in Ostdeutschland
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18. November 2021, 14:53 Uhr
George Clooney in Halberstadt, Kate Winslet in Görlitz und Quentin Tarantino in der Sächsischen Schweiz – Hollywood-Stars geben sich seit einigen Jahren in Mitteldeutschland die Klinke in die Hand. Was reizt die Amerikaner an der Filmkulisse Ostdeutschland?
Anfang des Jahres 2013 drehte Jurassic-Park-Star Jeff Goldblum an der Seite von Tilda Swinton, Bill Murray und Ralph Fiennes "The Grand Budapest Hotel" in Görlitz. Der Hollywood-Schauspieler schwärmte von der Stadt an der Neiße: "Görlitz hat eine wunderschöne Altstadt und die Leute sind großartig. Es ist wunderbar ruhig und ich kann mich ganz auf meine Arbeit konzentrieren." Und damit hat er gleich die wichtigsten drei Gründe genannt, mit denen Ostdeutschland bei den Amerikanern punkten kann:
Geschichte zum Anfassen
Erstens: Gut erhaltene historische Städte - ohne die üblichen Verschandlungen durch Leuchtreklamen und Bausünden aus den 1970er-Jahren wie etwa in Westdeutschland. "Das Alte ist im Osten alles echt. Das merkt man auch im Kino", schwärmt Markus Bensch, Location Scout für die Babelsberger Filmstudios. Und auch als Star-Regisseur Quentin Tarantino 2009 für seinen Film "Inglourious Basterds" in Görlitz auf Kulissensuche war, konnte der damalige Oberbürgermeister Joachim Paulick mit seinen historischen Gebäuden protzen: "Da stehen die da und gucken ... das ist Geschichte pur zum Anfassen und vor allen Dingen auch nutzbar." Viel historische Kulisse für wenig Geld – das schätzen die Filmemacher an Drehorten wie Görlitz oder Quedlinburg. Und historische Kulisse wurde bislang in den meisten Hollywoodstreifen, die in Mitteldeutschland gedreht wurden, gebraucht - vornehmlich Deutschland vor 1945. Denn nach wie vor sind es Filme über Konflikte in der Nazi-Zeit, mit denen die Amerikaner auf Oscars hoffen. Allein fünf der Hollywood-Produktionen in Mitteldeutschland spielen in der Nazi-Zeit.
Kaum Kreischalarm
Zweitens: Fehlender Starrummel. In Görlitz, Quedlinburg, Halberstadt oder Naumburg gibt es einfach viel weniger Neugierige als in Großstädten – ein nicht unwichtiger Grund für die meist menschenscheuen Hollywoodstars. So konnte Schauspielerin Kate Winslet in Görlitz ohne Kreisch-Alarm in Ruhe Schuhe kaufen und US-Regisseur Quentin Tarantino unerkannt den Görlitzer Stadtturm besteigen. "Als ich die Herrschaften geführt habe, wusste ich ja nicht, dass so eine Berühmtheit dabei ist. Ich hab ja erst am nächsten Tag erfahren, wer das war. Meine Kolleginnen haben mich fast verhauen, weil ich sie nicht zur Führung mitgenommen hatte", erinnert sich Frank Schulze, Hausmeister des städtischen Museums in Görlitz im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Auch George Clooney genoss es, während seiner Dreharbeiten für "The Monuments Men" im Harz auf dem Spielplatz der Ilsenburger Grundschule unbemerkt von Paparazzi Basketball zu spielen.
Das erste Haus am Platz
Drittens: Ruhe und Platz – schließlich zählen die Region um Görlitz an der polnischen Grenze und der Harz mangels Jobperspektiven nicht gerade zu den am dichtesten besiedelten Gegenden. Auch der sonst bemängelte Leerstand von vielen Häusern und Geschäften kommt der Filmbranche gerade recht. So war es für "The Grand Budapest Hotel" ein Glücksfall, dass "Deutschlands schönstes Kaufhaus" – das Görlitzer Jugendstil-Kaufhaus - seit vier Jahren leer steht und kurzerhand zum Filmhotel umgebaut werden konnte. Der örtliche Denkmalschützer freute sich, dass das Haus im letzten Winter endlich mal wieder geheizt wurde, und die Filmcrew konnte ohne lange Räumarbeiten mit dem Dreh beginnen. Wo steht schon das erste Haus am Platz komplett leer?
Kurzum ideale Bedingungen, unter denen Superstars entspannt arbeiten. Man kann es natürlich auch so krass wie Zeit-Autor Burkhard Müller formulieren: „ (…) historische Kulissen, die man nicht extra bauen muss, die man einfach so, wie sie herumstehen, verwenden kann, und wo einem die Einwohner, die sonst immer lästigerweise überall herumwuseln und ins Bild laufen, den Gefallen tun, im Wesentlichen nicht vorhanden zu sein. Was in der Realität einigermaßen tot wirkt, liefert die idealen Bedingungen dafür, verschollenes Leben nachzustellen.“
Der Hollywood-Effekt
Und was bleibt, wenn die Filmcrews wieder weg sind? So herrliche Versprecher wie der von Helen Mirren. Die britische Schauspielerin drehte 2009 in Sachsen-Anhalt den Film "Ein russischer Sommer" und sprach in einer Pressekonferenz immer wieder von von "Sexy Anhalt" statt von Saxony-Anhalt. Und natürlich der Hollywood-Effekt für die Tourismus- und Gastro-Branche. Die Hotels und Restaurants in der Görlitzer Altstadt leben ganz gut vom Geschäft mit Stars und Filmleuten und die Star-Dichte in der Stadt lockt natürlich Autogrammjäger und damit mehr Gäste an. Auch Sachsen-Anhalts einziges Fünf-Sterne-Hotel "Zu den Rothen Forellen" in Ilsenburg dürfte gut gebucht sein, schließlich übernachtete dort Superstar George Clooney während des Drehs für "The Monuments Men"im Harz. Ebenso verhalf Clooney dem asiatischen Spezialitäten-Restaurant "Orchidea Huong" in Wernigerode zu Starrummel: Dort feierte "the sexiest man alive" seinen 52. Geburtstag und außerdem war es das Lieblingsrestaurant der Filmcrew während der Dreharbeiten. Inzwischen hängt ein Bild des Filmteams im Restaurant – gleich neben dem Bild von Angela Merkel. Und die Stadt Halberstadt schrieb nach Clooneys Besuch auf ihrer Homepage: "Nichts ist, wie es war".