Christen im Osten Zur Geschichte der Evangelischen Kirchentage in der DDR
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31. Mai 2011, 17:25 Uhr
Trotz der Teilung Deutschlands hielt die Evangelische Kirche an ihrem Selbstverständnis als gesamtdeutscher Zusammenschluss von Christen fest, solange es möglich war.
Die Kirchentage seit 1949 dienten als Orte der Begegnung von Christen aus Ost und West. Der einzige gesamtdeutsche Kirchentag in der DDR fand 1954 in Leipzig statt. Damals kamen 650.000 Gläubige in der Messestadt zusammen. Und das trotz massiver Behinderungen durch die SED, die alle Veranstaltungen von staatlichen Genehmigungen abhängig gemacht hatte. Aus der Bundesrepublik reisten 11.000 Kirchentagsbesucher an.
Nach dem Mauerbau - Kirchentage in der DDR?
Auch Kirchentage in der Bundesrepublik und in West-Berlin sahen sehr häufig Besucher aus dem Osten Deutschlands. Noch im Sommer 1961 kamen 19.700 Gläubige zum Kirchentag nach West-Berlin. Doch der Mauerbau im August machte diesen Austausch unmöglich. Die Evangelische Kirche in Deutschland hielt weiter an ihrer organisatorischen Einheit fest.
Doch die evangelischen Christen in der DDR wollten auf die Laientreffen nicht verzichten. So konnten sie nur versuchen, gegen allen staatlichen Druck eigene Kirchentage zu organisieren. Die SED verweigerte sich großen zentralen Veranstaltungen. Die Landeskirchen beschränkten sich fortan darauf, regionale Kirchentage zu organisieren, was mit enormen Problemen verbunden war, meist ganz praktischen Fragen. Wo außerhalb der Kirchen konnte man sich versammeln, wie war die Versorgung der Kirchentagsbesucher zu sichern? Immer war man dabei auf Genehmigungen oder zumindest die Unterstützung staatlicher Stellen angewiesen. Diese nutzen ihre Machtposition aus, um die ungeliebten Veranstaltungen zu behindern oder gar unmöglich zu machen. So scheiterten Versuche, 1962 einen regionalen Kirchentag in Ost-Berlin zu veranstalten ebenso wie sieben Jahre später entsprechende Bemühungen in Dresden. Aber selbst wenn es gelang, gegen Widerstände doch ein Treffen der Christen zu organisieren, bedeutete dies noch kein Ende der Schikanen.
An den Rand gedrängt
Ein Einschnitt war die Selbstverbrennung des Zeitzer Pfarrers Oskar Brüsewitz im August 1976.
Innerhalb der Kirche sah man die Anklage gegen den Kommunismus, aber auch die Kritik an den Führung sehr deutlich. Die SED reagierte hingegen auf den Selbstmord mit einer groß angelegten medialen Verleumdungskampagne. Die Kirchenleitungen der DDR verwahrten sich dagegen. Sie bemühten sich, Brüsewitz' Tat als die eines Verzweifelten darzustellen, die nicht zum Fanal für das eigene schwierige Verhältnis zum SED-Staat werden sollte.
Knapp zwei Monate nach der Selbstverbrennung fand in Halle ein Kirchentag statt, der unter besonders strenger Beobachtung der DDR-Staatssicherheit stand. Wenn das Laientreffen schon nicht zu verhindern war, so wollte man es wenigstens wie üblich nach Kräften behindern.
So wurde der Kirchenleitung als Versammlungsort für den Schlussgottesdienst das Stadion von Lok Halle zugewiesen, das nur unter großen Mühen zu erreichen war.
Friedrich Schorlemmer, damals junger Pfarrer in Wittenberg, erinnerte sich 2009 in einem Beitrag der Zeitschrift "Publik-Forum": "Wir mussten kilometerweit durch Schrebergärten laufen". Trotz aller Pressionen gelang es den Teilnehmern, gesellschaftliche Fragen zu diskutieren. In Halle bauten junge Christen sogar aus Holzkisten, die sie, mit Tapeten umwickelt, zu Bausteinen umfunktioniert hatten, eine Mauer. Diese wurde symbolisch von beiden Seiten eingerissen - und das unter den Augen der allgegenwärtigen Staatssicherheit.