Jagdzeit in der DDR Erich Honecker: Der Jäger
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04. Januar 2010, 11:31 Uhr
Der Herbst ist da und damit beginnt auch vierlerorts die Jagdsaison. Auch für den SED-Parteichef Erich Honecker war die Jagd die größte Leidenschaft. Hunderte Tiere erlegte er jedes Jahr im "Staatsjagdgebiet" in der Schorfheide. Und als es mit der DDR zu Ende ging, zog sich Honecker auf seinen Hochstand zurück.
Erich Honecker hatte dem Vernehmen nach nur wenige kleine Freuden neben seiner zeitraubenden Arbeit als Partei- und Staatsratsvorsitzender. Er aß gerne einfache Gerichte, Makkaroni mit Schinken etwa, interessierte sich für Tier-Dokumentationen und ergötzte sich an einsamen Abenden an harmlosen Filmchen, "so bisschen was sexmäßiges", wie sich sein Diener Schmidt erinnert. Sein einziges wirkliches Hobby war die Jagd.
Dem frönte der mächtigste Mann der DDR allerdings mit einer fast pathologischen Hingabe. Jedes Jahr erlegte er an die 100 Hirsche, dazu noch Hunderte Rehe und Hasen. Belegt ist in den "Abschussbüchern", dass er an einem Septemberabend in den 80er-Jahren einmal wie im Rausch fünf Hirsche hintereinander erschoss.
Jede Trophäe wurde fotografiert und beurkundet
Jedes erlegte Tier musste von seinem Personenschutzkommando an Ort und Stelle "waidgerecht behandelt, also aufgebrochen, und anschließend auf einem Anhänger in die sogenannte "Wildhalle" gefahren werden", erinnert sich Honeckers Leibwächter Bernd Brückner. In der "Wildhalle" wurden die Trophäen dann im Beisein des Generalsekretärs vermessen, fotografiert und beurkundet. "Das war ein Ritual", sagt Brückner, "wo eine richtige Freude, ja sogar Ausgelassenheit bei Honecker zu spüren war." Bemerkenswert war für die Männer des Personenschutzkommandos in all den Jahren aber vor allem, dass Honecker "nichts, aber auch gar nichts aus dem Wald aß. Er aß keine Pilze und er aß erst recht kein Wild."
Erstmal lernen, wie man mit einem Gewehr umgeht
Angefangen hatte Honeckers Jagdleidenschaft Anfang der 50er-Jahre, als der damalige FDJ-Chef vom tschechoslowakischen Präsidenten Klement Gottwald ein teures Gewehr geschenkt bekam. "Und da hat es mich natürlich interessiert, auch mal mit dem Gewehr zur Jagd zu gehen", erzählte Honecker später. "Aber ich musste erstmal lernen, wie man mit so einem Gewehr umgeht. Es ist ja nun nicht so, dass man ein Gewehr hat und dann trifft man auch etwas. Das musste ich erstmal lernen. Und dann wurde das mit der Zeit zu einem richtigen Hobby."
Männerfreundschaften entstehen bei der Jagd
Da nicht nur Honecker, sondern auch die anderen Männer des SED-Politbüros Entspannung beim Erlegen von Tieren suchten, etablierte Honecker im Mai 1962 die von Wandlitz aus gut zu erreichende Schorfheide als "Staatsjagdgebiet". Vor allem mit Willi Stoph und Günter Mittag zog es ihn jetzt häufig ins neugeschaffene Jagdrevier. Bei der Jagd entstanden auch Männerfreundschaften zwischen den staatstragenden Herren - und es wurden Allianzen geschmiedet. Das musste vor allem Walter Ulbricht Ende der 60er-Jahre bemerken. Ulbricht nämlich ging bis dahin lieber Skifahren.
Erst als er bemerkte, dass Honecker mit dem sowjetischen KP-Chef Leonid Breschnew während seiner Staatsbesuche in der DDR ständig zur Jagd verschwand, ließ sich der hoch betagte Staatschef an der Waffe ausbilden. Aber im Gegensatz zu Honecker war Ulbricht ein miserabler Schütze. Breschnew belächelte ihn und ging weiterhin lieber mit Honecker jagen. Wenig später war der in Moskau nur noch wenig gelittene Ulbricht sämtliche Ämter los, sein Nachfolger hieß: Erich Honecker.
Keine Kosten und Mühen gescheut
Um die Jagdleidenschaft von Honecker und Genossen zu befriedigen, wurden hinfort weder Kosten noch Mühen gescheut. Damit das Wild nicht fliehen konnte, wurde die gesamte Schorfheide umzäunt. Dutzende Forstmeister waren mit der Pflege des Wildbestandes befasst und ständig mussten neue Tiere in der Schorfheide ausgesetzt werden, damit die SED-Granden auch stets genügend Wild vor der Flinte hatten. "Die Jagdleidenschaft, oder sagt man besser: Erlegungssucht Honeckers führte sogar dazu, dass er die Forderung stellte, den Wildbestand durch Importe zu verbessern", erinnert sich der Forstmeister Horst Mildner. "Und so wurden halt Tiere importiert, etwa Rothirsche aus Ungarn."
Größter Jagderfolg im Sommer 1989
Vom Jagen ließ sich Honecker auch durch die immer komplizierter werdende Lage im Sommer 1989 nicht abhalten – jeden Dienstag nach der Politbürositzung fuhr er wie gewohnt in das Jagdrevier in der Schorfheide. Und auch als bereits tausende DDR-Bürger ihrem Land den Rücken kehrten und die bundesdeutschen Botschaften in Prag und Budapest besetzten, um ihre Ausreise zu erzwingen, schoss Honecker unbekümmert von seinem behaglich eingerichteten Hochstand auf Hasen, Rehe und ungarische Rothirsche. Im August 1989 konnte er sogar den größten Erfolg seiner Jägerlaufbahn verbuchen: Er brachte den kapitalsten Hirsch zur Strecke, der in der Schorfheide seit 1945 niedergestreckt wurde.
Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in MDR um 2 08.02.2017, 14.00 Uhr
(Zitate aus: Die Honeckers privat, von Thomas Grimm und Ed Stuhler, MDR 2003; Das letzte Halali des Erich Honecker, MDR 2004)