So verließ Manfred Krug die DDR Im Mercedes in den Westen
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28. Januar 2022, 11:45 Uhr
Nachdem Krug die Petition gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann unterschrieben hatte, fiel er in Ungnade - Rollenangebote blieben aus. Daraufhin fasste Krug den Entschluss, die DDR zu verlassen.
"Wir brauchen viele Krüge", soll Erich Honecker 1972 geschwärmt haben. Doch nachdem Manfred Krug wie viele seiner Künstlerfreunde im November 1976 eine Petition gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann unterzeichnet hatte, fiel der beim Publikum äußerst beliebte Schauspieler und Sänger in Ungnade. Er wurde beruflich isoliert: Konzerte wurden ohne Angabe von Gründen abgesagt, Rollenangebote blieben aus. Im März 1977 stand für Krug fest: Er wird die DDR verlassen. "Er dachte: Was soll's hier noch? Und das hat dann dazu geführt, dass er einen Ausreiseantrag gestellt hat", erinnert sich der Regisseur Frank Beyer.
"Sie werden reisen"
Nachdem Krug am 19. April 1977 offiziell einen Ausreiseantrag gestellt hatte, bemühte sich die Staatsführung plötzlich und in quasi letzter Minute, ihren Star zum Bleiben zu bewegen. Spitzenfunktionäre trafen sich mit Krug und unterbreiteten ihm großartige Angebote: "Wir machen eine Tournee durch die ČSSR, durch die DDR, durch die Sowjetunion", bot ihm der Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann beispielsweise an. "Sagen Sie mir, wo Sie privat hinwollen, in jedes Land der Erde, Sie werden reisen." Krug ließ sich aber nicht mehr umstimmen. "Ohne Rücksicht auf Verluste", wie er selbst formulierte, wollte er das Land nun verlassen. Er war mit der DDR fertig.
Das Tagebuch als Faustpfand
Als Faustpfand für seine Ausreise sollte ihm dabei sein Tagebuch dienen, dass er seit Dezember 1976 führte. In ihm dokumentierte Krug seine Gespräche mit SED-Politikern und Freunden. Und noch etwas anderes hatte der gewitzte Volksschauspieler in der Hand, um sich abzusichern für den Fall, dass er sich statt im Westen im Zuchthaus Bautzen wiederfinden sollte, wie er seinem Duzfreund, dem Politbüromitglied Werner Lamberz, unverblümt mitteilte. Falls man ihn inhaftieren sollte, würden die Dokumente im Westen veröffentlicht werden, drohte Krug. Bei diesem Dokument handelt es sich um den heimlichen Mitschnitt eines Treffens zwischen Parteifunktionären und Biermann-Protestlern im November 1976 in Krugs Pankower Villa – ein einzigartiges Ton-Dokument, dass die ganze Trostlosigkeit der Argumentation der Parteifunktionäre schonungslos bloßlegt.
Eine Abschrift des Tagebuchs für das Politbüro
Gleichzeitig versprach Krug Lamberz, dass er ihm eine Abschrift seines Tagebuchs übergeben werde, wenn die Ausreise aus der DDR zügig genehmigt werden würde. "Damit du eine Chance hast, andere vorsichtiger und klüger zu behandeln", will Krug seinem Duzfreund aus dem Politbüro gesagt haben. Und tatsächlich übergab Krug, nachdem seine Ausreise genehmigt worden war, Lamberz die sehr privaten Aufzeichnungen über sich und seine Freunde. Möglicherweise tat er dies auch, um sich einen Umzug "1. Klasse" zu verschaffen. So vermuten es wenigstens einige von Krugs damaligen Freunden. Denn Krug war sehr daran gelegen, seine große Antiquitätensammlung und seine Oldtimer mitnehmen zu dürfen.
Im Mercedes in den Westen
Am 20. Juni 1977 reiste Manfred Krug gemeinsam mit seiner Frau Ottilie und den drei Kindern im silbergrauen Mercedes nach Westberlin aus. Krug wählte den Weg über die Glienicker Brücke, wie ein Agent. Im Westen warteten bereits zahlreiche Journalisten auf den prominenten Übersiedler vor seiner bereits vorher angemieteten neuen Bleibe in Berlin-Schöneberg. In einem ersten Interview mit der ARD sagte ein sichtlich bewegter Manfred Krug, dass er sein Publikum und seine Freunde vermissen werde.
Ausreise "1. Klasse"
Seine Sammlung von Antiquitäten und Oldtimer hatte Krug tatsächlich samt und sonders in die Bundesrepublik mitnehmen dürfen. Viele Gegenstände hatte er ab dem Frühjahr 1977 schon heimlich von seinem Bruder Roger, einem westdeutschen Antiquitätenhändler, in den Westen schaffen lassen. Für seine Frau Ottilie konnte Krug mit den DDR-Oberen vor seiner Ausreise aushandeln, dass sie jederzeit wieder in die DDR besuchsweise einreisen dürfe. Die mondäne Villa Manfred Krugs in Berlin-Pankow verblieb auch weiterhin im Besitz der Familie. Erst nach dem Ende der DDR verkaufte Krug das Anwesen.
Dieser Artikel wurde erstmals 2012 veröffentlicht.