1963 Gagarin besucht die DDR Meine Geschichte: Wie ich Juri Gagarin begegnete
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15. April 2011, 11:46 Uhr
Im Herbst 1963 herrscht Ausnahmezustand in der DDR. D e r Held der Sowjetunion - Juri Alexejewitsch Gagarin - reist durch Städte und Dörfer. Gudrun Matschaß, acht Jahre alt und begeistert von seinem Flug ins All, trifft den Weltraumpionier damals tatsächlich.
Zwei Jahre sind vergangen, seit Juri Gagarin zu seinem Jahrhundertflug aufbrach. Damals, im April 1961, wohnt Gudrun Matschaß in einem kleinen thüringischen Dorf, in Möhra. Sechs Jahre ist sie alt und von der Welt der Wostoks und Sputniks fasziniert. Wie viele Kinder zu der Zeit träumt sie schon von den Wundermaschinen, die einen bis ins All bringen - und natürlich auch wohl behalten zurück.
Für uns war klar, wenn die Sowjetunion jemanden hochschickt, dann kommt der auch wieder, ist doch ganz klar ... Dass man gezweifelt hätte an den Sojuskapseln oder der Wostok, das gab es damals nicht. Die Propaganda war ja auch so riesig, das man alles für machbar hielt.
Was die Kinder nicht ahnen: Ihrem Weltraumpionier haben sowjetische Raumfahrttechniker selbst kurz vor dem Flug wenig Überlebenschancen eingeräumt, trotz härtester Kosmonautentests. Davon ahnt die Öffentlichkeit allerdings nichts. Alles geht glatt und der Sozialismus feiert den roten Kolumbus des Alls. Mit einfachsten Mitteln eifern ihm die Kinder nach.
Wir sind zum Tischlermeister um die Ecke, da lagen die aufgestapelten Bretter vom Sägewerk, da sind wir immer hochgeklettert und runtergesprungen – heute würde man da gar nicht mehr rankommen. Es war toll.
In Berlin, Halle, Karl-Marx-Stadt entstehen wenig später Kosmonautenclubs. In Möhra mit seinen 450 Einwohner ist an so etwas nicht zu denken. Die Raumfahrt, so scheint es, muss für Gudrun Matschaß eine große, unendlich ferne Welt bleiben. Bis der erste Mann im All auf seiner DDR-Rundreise 1963 plötzlich und leibhaftig auch ganz in ihrer Nähe auftaucht. Im Kalikombinat Werra im thüringischen Merkers begegnet die inzwischen achtjährige Gudrun Matschaß den zum Helden stilisierten Gagarin. Sie erinnert sich:
Auf einmal rannten alle nach vorne. Wir wurden direkt an diese Tribüne rangeschoben. Vati sagte: 'Gib ihm doch mal das blaue Halstuch.' Ich wollte das erst nicht machen, denn ich hab' mich geschämt. Mein Vater gab aber keine Ruhe, der sagte: 'Nu mach doch das mal.' Da hab ich eben das Halstuch abgemacht, ihm zugeworfen und 'Juri, Juri!' gerufen. Da winkte er mir mal zu, griff in die Manteltasche und gab mir dann dieses Bild.
Es war eine Autogrammkarte mit den Unterschriften der ersten vier Männer im All. Nur fünf Jahre später ist einer von ihnen tot: Juri Gagarin stirbt beim Testflug mit einer MIG. Moskau und Möhra rücken noch einmal zusammen: So groß die Euphorie 1961 war, so tief sitzt 1968 der Schock - auch bei Gudrun Matschaß:
Das war so fürchterlich, als wir das erfahren haben. Wir haben in der Familie viel darüber gesprochen. Es war so, als ob eine Welt zusammenbricht. Der erste Kosmonaut steigt in eine MIG, macht einen Testflug und stürzt ab. Für mich war das einfach entsetzlich.