Kalter Krieg und "heiße" Briefe: Der deutsch-deutsche Postkrieg
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Mit Ärmelschonern, Klebemarken und bunten Stempeln
11. Januar 2018, 09:30 Uhr
Schon im 19. Jahrhundert wurde der Brief mit seinen Marken und Stempeln als Mittel der Propaganda bzw. Provokation entdeckt. Aber zu Zeiten des Kalten Krieges im 20. Jahrhundert, als jeder Anlass recht war, um den Konflikt zwischen den Systemen auszutragen, nahm die Auseinandersetzung bizarre Züge an.
Eigentlich galt seit Mitte des 19. Jahrhunderts das Gebot der Zustellung. Was ausreichend frankiert war, wurde auch versendet – egal wo es herkam oder wohin es gehen sollte. In den Zeiten der Berliner Blockade 1948/49 wurde dieses Gebot demonstrativ ausgesetzt.
Briefmarken und Krieg, Briefmarken als Waffe – wie geht das zusammen? Wenn man drüber nachdenkt, kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass die Briefmarke und der Brief als Massenware natürlich ein bestens geeignetes Medium sind, um Botschaften zu transportieren.
Die Berliner Briefblockade
Nachdem die Sowjets im März 1948 aus dem Alliierten Kontrollrat ausziehen und die Westmächte Ende Juni auch in Berlin eine Währungs- samt Briefmarkenreform umsetzen, boykottiert die sowjetische Führung die westdeutschen Marken. Das heißt: Stempel drauf und zurück an den Absender. Die Westallierten verzichten zunächst auf Gegenmaßnahmen, noch hofft man auf ein Groß-Berlin mit ungehindertem Postverkehr. Doch im Januar 1949 verlieren die Ostmark, und mit ihr die Ostbriefmarken, im Westsektor ihren Wert. Auch die Westberliner Postämter schicken fortan alle Briefe aus dem Osten zurück – oder verlangen eine deftige Nachgebühr. Findige Privatleute frankieren deshalb doppelt: Eine Marke für den Transport im Westen, eine für den Osten.
Viele Leute verstanden natürlich nicht, was dieser Quatsch eigentlich soll: Man will Tante Erna einen Brief schicken und das funktioniert nicht, weil sich irgendjemand in den Kopf gesetzt hat, dass es mit dieser Marke oder der Marke aus dieser Region nicht funktioniert.
Der Osten hatte damit angefangen, der Westen zog nach. Aber so ideell gefestigt man sich auf der Ostseite auch zeigte, so wenig war man es finanziell. Die Konsequenzen einer andauernden Blockade traute man sich wirtschaftlich denn doch nicht zu. Und so endete zumindest dieser Briefmarkenkonflikt mit Gesprächen zwischen der Ostberliner und Westberliner Post im September 1949.
Propagandaschlacht in den 1950ern
In der sowjetischen Besatzungszone gab es schon seit 1946 Propaganda auf dem Brief. 1950 beschloss die Volkskammer der DDR die Ausweitung der Stempelkampagnen und versorgte selbst die kleinsten Postämter der jungen Republik mit Propagandastempeln. So warb die DDR 1952 auf den Briefen gen Westen: "Lernt vom Sowjetvolk, lernt vom großen Stalin, wie man den Sozialismus aufbaut." Der Westen ließ sich nicht lumpen und stempelte fleißig, gern in rot, darunter: "... und was dabei herausgekommen ist".
Der Volksaufstand vom 17. Juni war gerade erst niedergeschlagen, die Deutsche Post Berlin druckte schon im Sommer 1953 zwei Gedenkmarken, die in der DDR postwendend zurückgeschickt werden. So wurden die Briefe an die Liebsten in einer Zeit, in der nicht jeder ein Telefon hatte und die Grenzen immer undurchlässiger wurden, zum Spiegel des Kalten Krieges.
Bis in die 1960er-Jahre lief die Propaganda heiß. Auf beiden Seiten der Mauer wurde geklebt, gestempelt, geschwärzt und zurückgeschickt - mit Sprüchen und Marken zu den Themen Deutsche Einheit, Vertriebene, Vietnamkrieg. Als die Bundespost 1966 eine Briefmarkenserie mit berühmten deutschen Bauwerken herausgab – Bauwerken, die sowohl in der DDR als auch in Polen lagen – zog sie sich nicht nur den Unmut der DDR, sondern auch Polens, der ČSSR und der Sowjetunion zu.
Immer neue Kampagnen dachten sich die Politspitzen aus. In der DDR warf in jedem größeren Postamt ein Stasi-Mitarbeiter ein Auge auf eigentlich private Briefumschläge. Die Schreiber selbst waren schlicht genervt oder sie nahmen es mit Humor.
Bezogen auf Briefmarken gab’s einen Witz, den man wahlweise auf die Pieck- und Ulbricht-Marken anwenden konnte: 'Warum kleben die meisten Pieck-/Ulbricht-Marken nicht auf den Briefen? Die Antwort ist: Weil die Ostdeutschen die falsche Seite bespucken.' Das war ein ziemlich weit verbreiteter Witz, der die politische Dimension zeigte und dass sich viele Leute nicht darüber freuten, dass sie die Propaganda-Marken verwenden mussten.
Der Mauerbrief 1986
Erst in den 1970er-Jahren entspannte sich die Lage, die Propagandastempel wurden größtenteils eingemottet. 1972 beschlossen DDR und Bundesrepublik in einem gemeinsamen Postabkommen, die Sendungen des jeweils anderen unabhängig von der Umschlaggestaltung zu transportieren. So sparte sich die Bundespost 1978 im Sinne der Entspannung eine bereits vorgeplante Gedenk-Edition zum Volksaufstand vom 17. Juni 1953.
Erst 1986 kam es wieder zu einem größeren Eklat: 25 Jahre "Antifaschistischer Schutzwall" feierte die DDR mit einem Schmuckumschlag. Die BRD stellte die entsprechenden Briefe nicht zu. Drei Jahre später war es sowieso vorbei mit der Mauer und somit auch mit dem deutsch-deutschen Postkrieg. Wer weiß, was sonst noch alles geklebt worden wäre ...
Am 8. Februar 1990 wäre ja das Ministerium für Staatssicherheit 40 Jahre alt geworden. Da waren eine ganze Reihe von Dingen geplant: Eine Schallplatte sollte produziert werden, es sollten Bücher erscheinen und eben auch eine Sonderbriefmarke. Dazu ist es nicht gekommen. Gott sei Dank.
(Zuerst veröffentlicht am 25.01.2011
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV, am: 25.01.2011 | 21:15 Uhr