Der Geldumtausch D-Mark für alle
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25. September 2020, 10:46 Uhr
Mit dem Tag der Währungsunion - dem 1. Juli 1990, einem Sonntag - konnten alle DDR Bürger ihr Bargeld und ihre Spareinlagen von Ostmark in D-Mark umtauschen. Der Umtauschkurs hing auch vom jeweiligen Alter ab.
Umtauschkurse und Stichtage
Löhne, Gehälter, Renten, Mieten und andere sogenannten "wiederkehrende Zahlungen" werden 1:1 umgestellt. Bargeld konnte man nicht direkt umtauschen es musste auf Konten eingezahlt werden. Kinder unter 14 Jahren können bis zu 2.000 DDR-Mark im Verhältnis 1:1 umtauschen, 15- bis 59-Jährige bis zu 4.000 DDR-Mark, wer älter ist, 6.000 DDR-Mark. Beträge darüber werden im Verhältnis 2:1 umgestellt. Die Frist dafür lief am 1. Juli 1990 ab. Münzen in Form von Pfennigen waren ein Jähr länger gültig bis zum 30.6.91.
Guthaben, die nach dem 31. Dezember 1989 entstanden waren, werden zu einem Kurs von 3:1 umgetauscht. Das führt zu Unmut, immerhin wird so das Ersparte, die finanzielle Lebensleistung der DDR-Bürger, dadurch meistens fast halbiert. Viele schichten eilig Geld auf Kinder oder Verwandte um, aber das kann den Verlust und die damit verbundene Ernüchterung über die ersehnte Währungsunion meist nicht ausgleichen.
Platz schaffen für das neue Geld
Bevor sich die ersten Geldtransporte der Bundesbank aus Frankfurt am Main auf den Weg gen Osten machten, erkundeten Bedienstete des Geldinstituts die Tresorsituation in der DDR. Immerhin galt es, ca. 460 Tonnen Geldscheine im Wert von 27,5 Milliarden D-Mark so auf die DDR zu verteilen, dass die neue Währung mit dem Stichtag 1. Juli in allen Bezirken vorrätig war.
Zu ihrem Erstaunen fanden die Bundesbanker in den Tresoren und Bunkern der DDR tonnenweise Altgeld, zum Teil in Scheinen zu 200 und 500 Mark, die nie ausgegeben worden waren. Jetzt tat Eile Not. Hastig wurden die Geldsäcke verladen und in einen leeren Sandsteinstollen in der Nähe von Halberstadt gebracht. Das DDR-Münzgeld, die oft belächelten "Alu-Chips", wurde größtenteils eingeschmolzen, daraus wurden dann Aluminiumbarren für die Autoindustrie. Erst als genügend Platz in den Tresoren war, rollten die Transporte mit der begehrten D-Mark gen Osten. Mal ganz offen in einem Geldtransporter unter Polizeischutz, mal – wie etwa in Chemnitz – in Lieferwagen, die als Biertransporter getarnt waren.
Zur gleichen Zeit bereiteten sich auch bundesdeutsche Großbanken auf die Währungsunion vor, indem sie überall in der DDR eigene Niederlassungen gründeten. Oft waren es einfache Container, die auf den Marktplätzen platziert wurden, um erste Kunden zu gewinnen. Da man aber von Seiten der Bundesbank und der DDR-Regierung mit einem Massenansturm auf die Bankschalter rechnete, richtete man vielerorts auch in Schulen, Betrieben und Volkspolizeidienststellen Auszahlungsschalter ein.
Die D-Mark kommt
Berlin-Alexanderplatz: Gegen Mitternacht drängten sich vor den Türen der erst vor kurzem eröffneten Filiale der Deutschen Bank erwartungsvoll um die 10.000 Menschen. Sie wollten am 1. Juli 1990 als erste DDR-Bürger die begehrte D-Mark in Händen halten. Wer das neue Geld ausgezahlt bekommen wollte, musste in den Wochen zuvor einen Antrag auf Umstellung des Kontos von DDR-Mark auf D-Mark stellen. Zugleich konnte er dann sogenannte Auszahlungsquittungen bei den Banken erhalten, die aber nur bis zum 6. Juli 1990 gültig waren. Diese Auszahlungsquittungen berechtigten zur Auszahlung von 2.000 D-Mark pro Person. Damit sollte vermieden werden, dass beim erwarteten ersten Ansturm auf die Banken nicht genügend Bargeld vorhanden war. Ab der zweiten Woche sollte der Zahlungsverkehr dann wieder ohne Begrenzungen bei den Auszahlungen laufen.
Alle Sparkassen und Banken in der DDR öffneten ihre Türen am Sonntag, dem 1. Juli, um 8 oder 9 Uhr. Nur die Banker vom Alex hatten sich die Öffnung um Mitternacht als kleinen "Werbegag" einfallen lassen, waren dann aber wegen des Ansturms völlig überfordert. Lediglich vier Volkspolizisten versuchten anfangs, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Erst als das Gedränge immer größer wurde und es erste Verletzte gab, wurden die Polizeikräfte verstärkt. Unter die ungeduldig Wartenden drängten sich zu vorgerückter Stunde auch vermehrt Betrunkene und Taschendiebe.
Champagner und 100 DM für den ersten Kunden
Punkt 0 Uhr wurden am Alexanderplatz die Glastüren geöffnet. Der erste DDR-Bürger, der seine Ostmark in D-Mark tauschte, war der 41-jährige Kohlefahrer Joachim Corsalli. Er hatte sich um 17 Uhr mit Thermosflasche und Pass vor dem Eingang zur Bank postiert. Um Mitternacht wurden ihm nach Vorlage seines Auszahlungsscheines im Blitzlichtgewitter der Fotografen 3.000 D-Mark ausgezahlt, die er für sich und seine Frau abhob. Der Rummel war ihm sichtlich unangenehm. Die Bank überreichte ihm einen großen Präsentkorb mit West-Produkten - Champagner inklusive. Zudem bekam er ein Sparbuch im Wert von 100 D-Mark als Willkommensgeschenk.
Das Ende der DDR-Mark
Nach der Währungsunion wurden in der DDR insgesamt 100 Milliarden Ost-Mark eingesammelt. Die Scheine wanderten erst in den Tresor der ehemaligen Reichsbank in Berlin und dann - wie zuvor das Altgeld der DDR - in zwei Sandsteinstollen bei Halberstadt. Unter einer Kiesschicht sollten sie dort dank der großen Feuchtigkeit im Stollen schnell verrotten. Ein Trugschluss. 1999 fanden Jugendliche einen unverbauten Zugang zum Stollen und entwendeten zahlreiche Geldscheine. Als die Sache bekannt wurde, entschloss sich die Kreditanstalt für Wiederaufbau - der Nachfolger der Staatsbank der DDR - das Geld doch noch zu vernichten. In insgesamt 298 Containern wurden die Scheine zur Verbrennung ins Kohlekraftwerk Buschhaus bei Hannover gebracht.
Der allgemeine Umstellungssatz zur Währungsunion am 1. Juli 1990 betrug:
1:1
- für Personen bis 14 Jahre für bis zu 2.000 Mark der DDR Kontoguthaben
- für Personen bis 60 Jahre für bis zu 4.000 Mark der DDR Kontoguthaben
- für Personen ab 60 Jahre für bis zu 6.000 Mark der DDR Kontoguthaben
- Soweit die Guthaben die bevorzugt umzustellenden Beträge überstiegen, erfolgte die Umstellung im Verhältnis 2:1.
- Guthaben, die nach dem 31. Dezember 1989 entstanden waren, wurden zu einem Umtauschkurs von 3:1 umgetauscht.
- Löhne, Gehälter, Renten, Mieten und Pachtkosten wurden im Verhältnis 1:1 umgestellt.
- Bankguthaben von natürlichen und juristischen Personen mit Wohnsitz außerhalb der DDR, die vor dem 31. Dezember 1989 entstanden, wurden im Verhältnis 2:1 umgestellt. Für Bankguthaben, die nach dem 31. Dezember 1989 entstanden, galt ein Umstellungsverhältnis von 3:1.
- Im Durchschnitt belief sich der Konversionssatz, bezogen auf alle bilanziell erfassten Forderungen und Verbindlichkeiten des Geld- und Kreditsystems der DDR, auf 1,8:1.
- Die Guthaben juristischer Personen oder sonstiger Stellen wurden ausschließlich im Verhältnis 2:1 umgestellt.
(Quelle: Bundesbank Faktenblatt)
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: MDR Zeitreise: Ersehnt und verflucht – die Westmark erobert den Osten | 28. Juni 2020 | 22:10 Uhr