Lexikon Reisen ins sozialistische Ausland
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04. Januar 2022, 11:32 Uhr
Reisen ins sozialistische Ausland - das war für die meisten DDR-Bürger die einzige Urlaubsmöglichkeit außerhalb des eigenen Landes. Das Angebot an Waren, vor allem an Konsumgütern, die unkomplizierte Art des Zusammenlebens machten Ungarn, Polen oder die CSSR zu beliebten Urlaubszielen. Die Reisen nach Polen und in die CSSR waren seit dem 1. Januar 1972 visafrei. Doch 1980, nach den großen Streiks der Solidarność-Bewegung und ungefähr ein Jahr vor Ausrufung des Kriegsrechts in Polen, wurde dies für die Volksrepublik Polen wieder rückgängig gemacht. Die Entwicklungen im Bruderland gefielen der DDR-Regierung nicht. Auf Drängen der Ost-Berliner Regierung wurde ein Abkommen mit Polen unterzeichnet, das private Reisen nur möglich machte, wenn persönliche Einladungen vorlagen. Diese mussten von der örtlichen Polizei und von der Miliz in Polen bestätigt werden.
In Polen war das Leben ungezwungener
Erst 1984 vereinbarten die Jugendverbände und die Gewerkschaftsorganisationen einen begrenzten und organisierten Austausch von Besuchergruppen. 1985 verbrachten insgesamt 300.000 Kinder und Jugendliche aus der DDR und Polen gemeinsame Ferien in beiden Ländern. Trotz der Einschränkungen war Polen ein beliebtes Reiseland: Die Ostseestrände waren nicht so überlaufen wie im eigenen Land, die Gebirge boten gute Gelegenheit zum Wintersport, das Leben in Polen war ungezwungener.
Zudem war die Mark hier mehr wert als in den meisten anderen Ostblockländern. So wurden begehrte und in der DDR teure Produkte eingekauft wie Gläser, Lederwaren und Pelze, Elektroartikel - vor allem Radiatoren - und Haushaltsgeräte. Hier konnten Jugendliche trampen, ohne Angst vor der Polizei zu haben, in Studentenwohnheimen übernachten ohne die übliche Anmeldeprozedur, in jeder polnischen Stadt gab es Buchhandlungen mit westlichen Titeln, in "Presseklubs" konnte man westdeutsche Zeitungen lesen und in den Kinos liefen die neuesten Hollywood-Filme.
Ein Großteil der Auslandsreisen ging in die CSSR
Die CSSR gehörte zu den am häufigsten besuchten sozialistischen Ländern. 1978 gingen schon 60 Prozent aller Auslandsreisen dorthin. Meist wurden Tagesfahrten unternommen, um die teuren Übernachtungen zu sparen. Beliebte Ziele waren Karlovy Vary und Cheb. Hier traf man sich auch mit Westverwandten und -freunden, die nicht in die DDR einreisen durften. Als internationaler Treffpunkt galt Prag. Die "Goldene Stadt" hatte eine weltstädtische Atmosphäre, anders als das etwas provinzielle Berlin. Kaum ein CSSR-Reisender kam ohne die heißbegehrten Waren wie Schuhe, Taschen und Fotoapparate nach Hause.
"Deutsche zweiter Klasse“ im Ausland
Bulgarien, die SU, Ungarn, Rumänien oder Jugoslawien waren ebenso beliebte Reiseziele, doch benötigte man hier einen weitaus dickeren Geldbeutel. Es ging das geflügelte Wort vom DDR-Bürger als "Deutschem zweiter Klasse" um: Sie wurden in Hotels minderer Güte einquartiert und schlechter verpflegt - die harte Mark zählte in den sozialistischen Bruderländern mehr als die DDR-"Aluchips". So nahm man sich zum Zelten am ungarischen Balaton immer soviel wie möglich Verpflegung mit. Trotz allem genoss man aber auch die gemütlichen Restaurants und Cafes in Budapest, in denen man als Gast noch wie ein König behandelt wurde.