Der Feriendienst des FDGB
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23. November 2021, 18:03 Uhr
Sie waren heiß begehrt und umkämpft - die FDGB-Plätze an der Ostsee und in den anderen Urlaubsgebieten der DDR. - Nach 1989 aber verlor die Einheitsgewerkschaft ihre Vormachtstellung und versuchte vergeblich, sich zu reformieren. Am 14. September 1989 beschloss der FDGB seine Auflösung.
Auf Beschluss des Bundesvorstandes des FDGB wurde am 20.03.1947 der Feriendienst als gewerkschaftliche Sozialeinrichtung zur Vermittlung von Urlaubsreisen und -plätzen gegründet. Dadurch sollten die Urlaubsmöglichkeiten der Werktätigen schrittweise verbessert und die Attraktivität der Gewerkschaften gesteigert werden. Nach einem festgelegten Verteilerschlüssel, der sich auch an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Betriebe und Einrichtungen orientierte, erhielten die jeweiligen Grundorganisationen von den FDGB-Kreisvorständen die Reisen zugeteilt.
Mehr FDGB-Heime
War das Kontingent zunächst recht begrenzt (1947 wurden 17.500 Urlaubsreisen vermittelt), versuchte die SED durch eine erhebliche Steigerung der staatlichen Zuschüsse nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 bei den Arbeitern verlorenes Ansehen zurückzugewinnen. Der FDGB konnte als nunmehr aufgewertete sozialpolitische Verteilungsagentur im Jahr 1956 bereits 600.000 Urlaubsreisen vermitteln, was Subventionen in Höhe von ca. 33 Millionen Mark erforderte. Gleichzeitig wurde der Bestand an Erholungsheimen kontinuierlich ausgebaut, sodass der FDGB 1988 etwa 695 Erholungsheime besaß und weitere 428 Einrichtungen nutzte, darunter auch Interhotels und das Urlauberschiff "Arkona" (früher "Völkerfreundschaft").
Vergabe an "besonders verdiente Mitglieder“
Allerdings wurden die Schiffsreisen und zumeist auch die Interhotel-Plätze nur als Auszeichnung an "besonders verdiente FDGB-Mitglieder" vergeben, wozu offensichtlich auch die gewerkschaftliche Führungsschicht gehörte. Über die Belegung der 1988 etwa 76.000 betrieblichen Erholungseinrichtungen (einschließlich Bungalows, Wohnwagen und Zelte), die nicht im Besitz der Gewerkschaft, sondern Eigentum der entsprechenden Betriebe waren, entschieden ebenfalls die zuständigen gewerkschaftlichen Leitungen.
Nachdem die im jeweiligen Betrieb zu vergebenden FDGB-Urlaubsreisen den Gewerkschaftsgruppen mitgeteilt worden waren, konnten sich die FDGB-Mitglieder für einen Urlaubsplatz bei der "Ferienkommission" der Betriebsgenossenschaftsleitung bewerben, die über die Vergabe entschied. Vor allem die Ostseeplätze waren begehrt. Lagen mehr Bewerbungen vor, als zu vergebende Plätze, versuchte die BGL soziale Gesichtspunkte, die Anzahl schon früher gewährter FDGB-Urlaubsreisen, Arbeitsleistungen sowie die "gesellschaftliche Aktivität" des Bewerbers zu berücksichtigen.
Urlaub im FDGB-Heim: einfach, aber preiswert
Obwohl die Gewerkschaftsleitungen angehalten waren, Urlaubsanträge von Schichtarbeitern, Familien mit mehreren Kindern sowie Werktätigen, die körperlich schwere und gesundheitsgefährdende Arbeiten verrichteten, vorrangig zu behandeln (was bei geringem Angebot mitunter schon schwierig genug war), kam es immer wieder zu rätselhaften Entscheidungen: So erhielten staatliche und politische Funktionäre überproportional viele Reisen zugesprochen und auch sonstige Beziehungen scheinen eine große Rolle gespielt zu haben.
Denjenigen, deren Anträge positiv beschieden wurden, boten sich nun zumindest Urlaubsmöglichkeiten zu ausgesprochen preisgünstigen Bedingungen: Der FDGB-Urlauber musste einen "Ferienscheck" erwerben, der für einen bestimmten Zeitraum auf eine bestimmte Erholungseinrichtung ausgestellt und nicht übertragbar war; dafür zahlte er einen an seinem Einkommen orientierten Preis, so dass zumindest Angehörige niedriger Einkommensgruppen lediglich 25 bis 33 Prozent der tatsächlichen Kosten für Unterbringung und Verpflegung selbst aufzubringen hatten. Für Kinder bis zur 10. Klasse (zu Schule/Erziehung) kostete der 13-tägige Aufenthalt 30 Mark. Außerdem erhielt jedes Gewerkschaftsmitglied einmal jährlich für die Reise mit der Eisenbahn zum Urlaubsort und zurück eine Fahrpreisermäßigung von 33 Prozent.
Gewerkschaftlicher Feriendienst verdrängte privaten Fremdenverkehr
Da der Urlaubs- und Ferientourismus vor allem durch die Reisebüros von Staat, FDJ (Jugendtourist) und durch den gewerkschaftlichen Feriendienst weitgehend monopolisiert war, waren in den Urlaubsgebieten der DDR einst vorhandene Einrichtungen für einen privaten Fremdenverkehr nahezu vollständig verdrängt worden und verkümmerten. Auch für den gewerkschaftlich gelenkten und verteilten Urlaub ergaben sich daraus Einschränkungen insofern, als nahezu ausschließlich solche Annehmlichkeiten genossen werden konnten, die in der Buchung enthalten waren. Daran herumzumäkeln machte jedoch wenig Sinn, da für viele kaum andere Urlaubsalternativen bestanden.
Das Ende des FDGB
Der FDGB versuchte nach 1989 vergeblich, sich zu erneuern. Seine Zeit war abgelaufen. Am 14. September 1990 beschloss ein FDGB-Kongress die Auflösung der ostdeutschen Einheitsgewerkschaft zum 30. September 1990. Im August 1993 wurde das FDGB-Vermögen auf die ostdeutschen Kommunen und den DGB aufgeteilt. Der DGB erhielt zusätzlich noch 36 Gewerkschaftshäuser der einsigen DDR-Gewerkschaft.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR Zeitreise spezial: Oberhof - FDGB-Ferien am Rennsteig | 05.08.2018 | 22:10 Uhr