Fernsehgeschichte der DDR Zwischen Propaganda und "Ein Kessel Buntes"

25. Oktober 2010, 15:17 Uhr

1956 bis 1991 - die 35-jährige Geschichte des DDR-Fernsehens von den stolzen Anfängen über die Schwierigkeiten, in einer Diktatur unterhaltsam und informativ Medien zu machen bis zum Ende der beiden DDR-Sender.

Der reguläre Sendebetrieb der DDR beginnt 1956 zunächst einmal mit einem Staatsakt. Walter Ulbricht gratuliert Wilhelm Pieck, Präsident der DDR. Allzu viele dürften dieser Sternstunde des DDR-Fernsehens nicht beigewohnt haben, keine hundert Haushalte konnten sich damals eines der Technikwunder Fernsehgerät leisten. Doch das Publikum sollte sich, wie auch Inhalt und Umfang der Sendungen, bald rasend vergrößern. Schon ab 1959 dabei und Dauerbrenner aus der DDR-Programmschmiede: das "Sandmännchen".

Die Flimmerkiste etabliert sich

In den 1960er-Jahren läuft das Fernsehen dem Radio den Rang ab, inzwischen sitzen Hunderttausende täglich vor den Mattscheiben. Einen festen Platz im Programm des "Deutschen Fernsehfunk" (DFF) haben politische Sendungen. Fernsehen ist auch und für die Staatsführung vor allem Mittel zur Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins. Der Erfolg von Sendungen wie "Aktuelle Kamera" oder "Der schwarze Kanal" bleibt jedoch mäßig.

Propaganda

Der 21. März 1960 ist der erste in einer neunundzwanzig Jahre andauernden Serie von Montagen mit dem "Schwarzen Kanal". In zwanzig bis dreißig Minuten klärt Chefkommentator und Redakteur Karl-Eduard von Schnitzler sein Publikum anhand von teils neu geschnitten Sendebeiträgen des Westfernsehens über die vermeintlichen Lügen des Klassenfeindes auf. Groß ist seine Anhängerschaft allerdings nicht. Für viele ist der dicke Bundesadler, der sich im Vorspann auf die Fernsehantennen der DDR setzt, schlicht das Zeichen für den Kanalwechsel. Zum Westfernsehen wohlgemerkt.

Kampf gegen die Westkonkurrenz

Anfang der 1970er-Jahre ist es Staatschef Erich Honecker persönlich, der die langweilige Programmgestaltung moniert. In den folgenden Jahren orientieren sich Macher und Entscheider zunehmend an Zuschauerwünschen. Spielfilme und Unterhaltungssendungen wie die Samstagabend-Show "Ein Kessel Buntes" oder "Außenseiter -Spitzenreiter" sollen die Zuschauer vom Umschalten abhalten. Doch der Konsum westdeutscher Sender ist trotz dieser Quotenhits eine Tatsache, der Politik und Propaganda nicht mehr Herr werden.

Ob das DDR-Fernsehprogramm zu langweilig, das Westprogramm so spannend oder die Versuchung einfach zu groß ist – fest steht, der Knopfdruck zu ARD und ZDF kommt oft schon nach dem Sandmännchen und ist auch durch staatliche Repressalien nicht zu unterbinden. Vom Ochsenkopf, einem Berg im Fichtelgebirge, findet das Westfernsehen den Weg direkt in die Wohnzimmer der meisten DDR-Bürger, geschickter Ausrichtung und speziellen, auch Ochsenkopf genannten Antennen zum Dank. In den 1960er-Jahren werden diese Antennen noch gewaltsam entfernt, in den 1970ern verhöhnt, später resignierend geduldet. Der Raum um Dresden muss in all diesen Jahren häufig mit Schnitzlers Schnipseln des Westprogramms im "Schwarzen Kanal" vorlieb nehmen. Die geografische Lage ist halt ungünstig, im "Tal der Ahnungslosen". Erst mit zunehmenden Zugeständnissen und der staatlichen Erlaubnis von Gemeinschaftsantennen schaffen es die westdeutschen Bilder ab 1986 auch in die entlegensten Stuben der Republik.

Wie so oft hatten wir keinen guten Empfang, und ich drehte da so an den Knöpfen rum und plötzlich tauchte da ein schwarzer Schatten auf. Als Vati abends dann nach Hause kam, erzählte ich ihm davon und er stieg aufs Dach und drehte an der Antenne, bis sie zum Ochsenkopf zeigte.

Marion van der Wall, Jahrgang 1946
BARBAROSSA

Der Wandel und das Ende

Ab 1989 revolutioniert der politische und gesellschaftliche Wandel auch die Fernsehlandschaft der DDR von Grund auf. Freie Programmentscheidungen statt staatlich gelenkter Medienpropaganda heißt die Devise – Karl-Eduard von Schnitzler und "Der schwarze Kanal" stellen bereits im Oktober 1989 ihre Feldzüge ein. In diesen Jahren des Umbruchs bekommen die 1972 in DDR 1 und DDR 2 umbenannten Kanäle wieder Ihren alten Namen DFF und durch viele neue, auch kontroverse Sendeformate, ein neues Gesicht. Die Abschaltung kommt dennoch zum 31. Dezember 1991. Fortan senden die Regionalsender MDR, NDR, SFB und ORB nach eigenem Konzept. Doch einige DDR-Formate wie "Außenseiter - Spitzenreiter" oder das "Sandmännchen" überleben.

Chronik des DDR-Fernsehens

1950 Grundsteinlegung für das Fernsehzentrum Berlin in Berlin-Adlershof

1952 Verkauf der ersten Fernsehgeräte, Start des "öffentlichen Versuchsprogramms", Sendestart der "Aktuellen Kamera"

1956 Beginn des regulären Sendebetriebs des Deutschen Fernsehfunks (DFF) mit 15 Stunden Programm wöchentlich

1958 Einführung des Vormittagsprogramms

1969 Erste Farbfernsehsendungen auf dem gleichzeitig gestarteten zweiten Programm DFF 2

1972 Umbenennung des DFF in "Fernsehen der DDR"

1973 Auch das 1. Programm sendet in Farbe

1986 Erlaubnis zur Aufstellung von Gemeinschaftsantennen

1989 Auflösung des "Staatlichen Komitees für Fernsehen"

1991 Abschaltung des DFF