Gesetzesänderung 1980 DDR und BRD im Vergleich: Gleichberechtigung der Frau
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08. März 2023, 12:06 Uhr
"Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben", so steht es in Artikel 7 der DDR-Verfassung vom Oktober 1949 geschrieben. In der Bundesrepublik tritt die Gleichberechtigung der Frau erst am 25. Juni 1980 in Kraft. Doch bis heute besteht noch viel Handlungsbedarf, beispielsweise beim Gender-Pay-Gap.
Zum 50. Internationalen Frauentag am 8. März 1960 verkündet Walter Ulbricht:
Im östlichen Teil haben wir genau entsprechend dem Programm, das wir im Juli 1945 verkündeten, die Gleichberechtigung der Frau verwirklicht. Und in den Thesen unseres Zentralkomitees heißt es, dass die Gleichberechtigung der Frau in der Deutschen Demokratischen Republik eine der größten Errungenschaft ist.
Gleichberechtigung heißt für die SED: die volle Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt. Auf dieses Ziel ist in der DDR alles ausgerichtet. Und Ende der 80er-Jahre ist dieses Soll sogar tatsächlich erreicht: Die Erwerbsquote von Frauen liegt bei 91,2 Prozent. Weltweit einzigartig.
Im Westen: Ehemann kann Arbeitsverhältnis der Frau kündigen
In der Bundesrepublik hingegen geht es da noch ganz anders zu. So gibt es bis 1957 den Gehorsamsparagraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Dieser stammt von 1900 und lautet: "Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu." Eine Frau, die erwerbstätig sein möchte, benötigt bis Ende der 50er-Jahre also das Einverständnis ihres Gatten. Es ist dem Ehemann sogar gestattet, das Arbeitsverhältnis der Frau fristlos zu kündigen.
Bundesrepublik bekommt Ermahnung aus Brüssel
Doch auch mit der Abschaffung des Gehorsamsparagraphen 1957 ändert sich nur in der Theorie etwas. Im Arbeitsleben herrscht in der Bundesrepublik noch lange keine Gleichberechtigung. 1976 beschließt der Rat der Europäischen Gemeinschaft einen Plan für eine neue Gesetzgebung, die bei der "Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz" helfen soll.
Alle Mitgliedstaaten sollen sämtliche Gesetze und Vorschriften sofort aufheben, die diesem Gleichberechtigungsgrundsatz entgegenstehen. Doch in der Bundesrepublik geht die Umsetzung nur schleppend voran und "Bonn" wird 1979 von der Brüsseler Kommission gemahnt. Erst danach kommt Bewegung in die Sache: Am 25. Juni 1980 verabschiedet der Bundestag ein Gesetz über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz.
DDR-Frauen leiden unter Doppelbelastung
Während in der Bundesrepublik ein neues Zeitalter beginnt, leiden DDR-Frauen schon seit Jahren unter einer Doppelbelastung. Anna Kaminsky, Autorin des Buches "Frauen in der DDR", beschreibt diese so: "Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist es so, dass Frauen oft zusätzlich zu den 43 Stunden Arbeitszeit, die sie pro Woche im Durchschnitt ableisteten, weitere 43 Stunden mit Arbeiten im Haushalt, Einkaufen, Wäsche waschen, Wohnungsputzen zugebracht haben. Das ist die berühmte 'zweite Schicht'."
Trotz dieser "zwei Jobs" sind viele Frauen stolz darauf, finanziell unabhängig zu sein. Und es mutet fast visionär an, dass in der DDR-Verfassung festgeschrieben ist, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden müssen. Doch auch hier gilt, dass Theorie und Wirklichkeit zwei verschiedene Dinge sind: "Bis Ende der Achtzigerjahre haben Frauen im Durchschnitt dreißig Prozent weniger verdient als Männer", so Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. "Das hatte zum einen damit zu tun, dass natürlich über Jahrzehnte Frauen einen geringeren Bildungs- und Ausbildungsstand hatten als Männer – und dadurch natürlich auch weniger in leitende Stellungen aufrücken konnten, die besser bezahlt waren."
Und so führt Kaminsky weiter aus: "Es gibt auch die Kehrseite dieser Medaille: dass auch viele Frauen gesagt haben, sie wollen diese Leitungsposition gar nicht, weil das mit einem verstärkten gesellschaftlichen Engagement verbunden gewesen wäre. Und dieses gesellschaftliche Engagement sah in der DDR vor, dass man vor allem zur Versammlung ging. Und viele Frauen haben gesagt, das schaffen wir gar nicht."
Gleichberechtigung? Auch in der DDR nicht vollständig
Doch so schön die Gleichberechtigung in der Theorie aussieht, so sehr hinkt die Praxis hinterher: In 40 Jahren DDR gibt es im Politbüro des ZK nicht ein einziges weibliches Mitglied mit Stimmrecht, in den Ministerrat schaffen es nur zwei Frauen. Denn Gleichberechtigung heißt für die SED-Funktionäre nicht politische Gleichberechtigung. Frauen sollen aus der Abhängigkeit von ihren Ehemännern befreit werden, nicht aber aus der von der Partei.
Unterschiede gab es auch bei der Bezahlung. In der DDR galt zwar der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Doch in Erwerbszweigen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt waren, wie in Pflegeberufen oder der Textilbranche, herrschte ein niedrigeres Lohnniveau als in "Männerberufen". So liegen die Altersrenten ostdeutscher Frauen heute um sechzehn Prozent niedriger als die der Männer.
Die volle Gleichberechtigung der Frau ist trotz der Meilensteine in der DDR und dem westdeutschen Gleichberechtigungsgesetz von 1980 immer noch nicht erreicht. Die sogenannte "Gender Pay Gap", die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern, liegt in Deutschland nach aktuellem Stand immer noch bei 18 Prozent. Wie das Statistische Bundesamt anlässlich des "Equal Pay Day" mitteilte, verdienten Frauen 2022 mit durchschnittlich 20,05 Euro brutto in der Stunde 4,31 Euro weniger als Männer (24,36 Euro). 2018 betrug diese Differenz 4,51 Euro.
Dieser Text wurde erstmals 2020 veröffentlicht und 2023 aktualisiert.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 07. März 2021 | 22:20 Uhr